{"id":26855,"date":"2021-08-06T05:45:00","date_gmt":"2021-08-06T03:45:00","guid":{"rendered":"https:\/\/vonortzuort.reisen\/?p=26855"},"modified":"2022-08-04T10:43:05","modified_gmt":"2022-08-04T08:43:05","slug":"zittauer-fastentuch","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/vonortzuort.reisen\/deutschland\/sachsen\/oberlausitz\/zittauer-fastentuch\/","title":{"rendered":"Zittauer Fastent\u00fccher"},"content":{"rendered":"\n

Die Zittauer Fastent\u00fccher geh\u00f6ren zu den bekanntesten kirchlichen Kultursch\u00e4tzen der Oberlausitz. Man kann sie sich im Kulturhistorischen Museum und der Kreuzkirche der Stadt Zittau anschauen.<\/p>\n\n\n\n\n\n\n\n

Ich konnte bis zu meinem Besuch in Zittau mit dem Begriff Fastentuch nicht wirklich etwas verbinden. Bei meiner Recherche vorab fand ich eine recht verst\u00e4ndliche Erkl\u00e4rung des Begriffs.<\/p>\n\n\n\n

Was ist ein Fastentuch?<\/h2>\n\n\n\n
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Das Fastentuch ist auch unter den Begriffen Hungertuch, Palmtuch oder Passionstuch bekannt. In katholischen und evangelischen Kirchen verh\u00fcllt es w\u00e4hrend der Fastenzeit die bildliche Darstellung Jesu. Meistens ist das Tuch so gro\u00df, dass das Kruzifix verh\u00fcllt ist. Es gibt aber auch Fastent\u00fccher, die so gro\u00df sind, dass sie den Chorraum verh\u00e4ngen. <\/p>\n<\/div>\n\n\n\n

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\"Fastentuch\"<\/figure>\n<\/div>\n<\/div>\n\n\n\n

So wird die Gemeinde optisch vom Altar getrennt, bekommt aber akustisch noch die Liturgie mit. Es soll so neben der k\u00f6rperliche Bu\u00dfe w\u00e4hrend der Fastenzeit auch ein geistlicher Verzicht folgen.<\/p>\n\n\n\n

Besuch im Kulturhistorische Museum in Zittau<\/h2>\n\n\n\n

Das Kulturhistorische Museum befindet sich in einem ehemaligen Franziskanerkloster. Mit dem Tod des letzten M\u00f6nches endete auch die Zeit des Klosters. Anschlie\u00dfend nutzte man das Geb\u00e4ude als Bibliothek und Armenhaus f\u00fcr Witwen. <\/p>\n\n\n\n

1709 zog die Kunst- und Wunderkammer der Zittauer Ratsbibliothek daf\u00fcr einen eigenen repr\u00e4sentativen Ausstellungssaal im so genannten Heffterbau am ehemaligen Franziskanerkloster.<\/p>\n\n\n\n

Wunderkammer<\/h3>\n\n\n\n

\u00dcber eine Treppe gelangt man in die sogenannte Wunderkammer des Museums. Diese ging aus der ersten \u00f6ffentlichen B\u00fccher- und Rarit\u00e4tensammlung der Oberlausitz hervor.<\/p>\n\n\n\n

\"Zittauer<\/figure>\n\n\n\n

1564 legte die Schenkung einer zylindrischen S\u00e4ulchensonnenuhr den Grundstein f\u00fcr die recht umfangreiche Sammlung. Fortan fanden wissenschaftliche Instrumente, Kunstwerke, Naturalien und Kuriosit\u00e4ten ihren Weg in die Sammlung. Heute umfasst die Sammlung \u00fcber 40.000 Objekte.<\/p>\n\n\n\n

F\u00fcr heutige Betrachter wird das ein oder andere Ausstellungsst\u00fcck nicht den Stellenwert und das \u201eWundersame\u201c mehr haben, wie es fr\u00fcher empfunden worden ist. Mir gef\u00e4llt es aber durch den wundersch\u00f6nen Raum zu streifen und die Exponate zu betrachten.<\/p>\n\n\n\n

\"Wunderkammer<\/figure>\n\n\n\n

Ein kleiner Tipp: Einen Blick zur Raumdecke darf man auf keinen Fall verpassen. In jeder Ecke ist das Bild einer der vier Wissenschaften abgebildet. Die Mitte zeigt ein Bild, wie die B\u00fcchse der Pandora ge\u00f6ffnet wird.<\/p>\n\n\n\n

Zur\u00fcck im Erdgeschoss gelangt man in die Klosterkirche.<\/p>\n\n\n\n

Epitaphienschatz<\/h3>\n\n\n\n

In der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters kann man heute eine beeindruckende Ausstellung verschiedener Epitaphien sehen.<\/p>\n\n\n\n

\"Epitaphien<\/figure>\n\n\n\n

Ein Epitaph ist eine Gedenktafel. Diese gedenkt einem Verstorbenen oder auch einer Familie und wurde in Kirchen aufgeh\u00e4ngt. Meistens findet man sie an W\u00e4nden oder Pfeilern in der Kirche. Daf\u00fcr w\u00e4hlte man zumeist an einem Ort aus, an dem die Nachwelt sich des Verstorbenen erinnern soll. Diese Platten sind k\u00fcnstlerisch ausgestaltet, oft neben Schriften auch mit Bildern versehen. Sie dr\u00fccken den Wunsch nach dem Tod in Gottes Reich zu gelangen und eines Tages wieder aufzuerstehen aus.<\/p>\n\n\n\n

In Zittau kann man viele gut restaurierte Epitaphien sehen. Vom 16.- 18. Jahrhundert lie\u00dfen nicht nur reiche Kaufleute, sondern auch einfache Handwerker diese Gedenktafeln fertigen und in den Zittauer Kirchen aufh\u00e4ngen. Es sollen fast 160 Epitaphien in den verschiedensten Gr\u00f6\u00dfen und Ausarbeitungen existiert haben. Etwa 80 davon sind in unterschiedlichem Zustand erhalten und in der Klosterkirchen und in der Kreuzkirche ausgestellt.<\/p>\n\n\n\n

\"Epitaphienschatz<\/figure>\n\n\n\n

Kleines Zittauer Fastentuch im Kulturhistorische Museum in Zittau<\/h3>\n\n\n\n

Ich betreten einen leicht abgedunkelten Raum, in dem das Kleine Zittauer Fastentuch h\u00e4ngt. Das Leinentuch ist 3,40 Meter x 4,15 Meter gro\u00df und stammt aus dem Jahr 1573. Wer es gemalt hat, ist bis heute nicht bekannt. Man wei\u00df aber, dass es sich um das einzige Fastentuch handelt, dass von einer evangelischen Gemeine in Auftrag gegeben wurde. Es gilt als Beleg f\u00fcr die tolerante Glaubensspaltung in der Oberlausitz. Das Kleine Fastentuch hat bis 1684 in der Fastenzeit den Hochaltar der Johanniskirche in Zwickau verh\u00fcllt.<\/p>\n\n\n\n

\"Kleine<\/figure>\n\n\n\n

Ich bin beeindruckt von dem Kleinen Fastentuch. Das Motiv zeigt die Kreuzigung Christi und ist mit vielen kleinen und gro\u00dfen Details wunderbar gestaltet. Ich kann gut verstehen, dass man hier viel Zeit verbringen kann, um die Details wirklich in Ruhe zu entdecken.<\/p>\n\n\n\n

Um das Gro\u00dfe Zittauer Fastentuch sehen zu k\u00f6nnen steht ein Standortwechsel an. Wenige Meter vom Museum entfernt befindet sich die Kirche zum Heiligen Kreuz von Zittau.<\/p>\n\n\n\n

Kirche zum Heiligen Kreuz Zittau<\/h2>\n\n\n\n

Die Kirche zum Heiligen Kreuz in Zittau ist eine wundersch\u00f6ne gotische Kirche. Sie soll der gr\u00f6\u00dfte Einst\u00fctzraum in Deutschland sein. Hier h\u00e4ngt das gro\u00dfe Zittauer Fastentuch.<\/p>\n\n\n\n

Durch einen Besuchereingang mit Kassenraum und Museumsshop betritt man das Gel\u00e4nde der Kirche. Der Weg f\u00fchrt zun\u00e4chst \u00fcber den Friedhof der Kirche und schon hier sollte man sich etwas Zeit nehmen, um die zum Teil wirklich au\u00dfergew\u00f6hnlichen Grabm\u00e4ler und Gr\u00fcften zu betrachten. Ein Teil stammt aus dem 18. Jahrhundert und die k\u00fcnstlerische Ausgestaltung ist wirklich bemerkenswert.<\/p>\n\n\n\n

\"\"<\/figure>\n\n\n\n

Vom Friedhof aus betritt man die aus verputzten Bruchsteinen errichtete Kreuzkirche. Der Kirchenraum ist nahezu quadratisch und wird von einem Sterngew\u00f6lbe abgeschlossen. Es verlaufen Emporen an drei W\u00e4nden, die zum Teil mit Epitaphien verdeckt sind.<\/p>\n\n\n\n

Aber kaum ein Besucher wird in dieser, als Museum genutzten Kirche, auf die Architektur achten. Der Blick f\u00e4llt automatisch auf das Gro\u00dfe Zittauer Fastentuch. Dieses h\u00e4ngt hinter einer sch\u00fctzenden Glaswand vor dem Altarraum.<\/p>\n\n\n\n

Gro\u00dfes Zittauer Fastentuch<\/h3>\n\n\n\n

Das Gro\u00dfe Zittauer Fastentuch ist 1472 in Zittau gefertigt worden und ist mit etwa 56 m\u00b2 (8,20 x 6,80 Meter) das einzige erhaltene Fastentuch des \u201eFeldertyps\u201c in Deutschland. Es ist aus 6 senkrechten Bahnen zusammengen\u00e4ht und soll das drittgr\u00f6\u00dfte erhaltene Fastentuch sein.<\/p>\n\n\n\n

\"Gro\u00dfe<\/figure>\n\n\n\n

Auf 90 Feldern in 10 Reihen kann man biblische Szenen von der Sch\u00f6pfung bis zum J\u00fcngsten Gericht sehen. Aber dazu sp\u00e4ter mehr.<\/p>\n\n\n\n

Der Gew\u00fcrz- und Getreideh\u00e4ndler Jacob G\u00fcrtler stiftete das Zittauer Fastentuch und fast 200 Jahre trennte es in der Johanniskirche den Altarraum von der Gemeinde ab. Danach ist der Verbleib des Tuches f\u00fcr fast 100 Jahre ungekl\u00e4rt. <\/p>\n\n\n\n

1840 fand man es dann in der Zittauer Ratsbibliothek wieder. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs lagerte man es nach Oybin aus. 1945 nutzten sowjetische Soldaten das Tuch f\u00fcr einen Saunabau im Wald. Dort lie\u00dfen sie es zur\u00fcck und erst einige Jahre sp\u00e4ter fand man es stark besch\u00e4digt wieder. 1994\/95 restaurierte man das Tuch und seit 1999 h\u00e4ngt es in der Kirche zum Heiligen Kreuz in einer Glasvitrine. Leider konnte die Restauration nicht alle Bilder wieder vollst\u00e4ndig sichtbar machen, aber es ist schon erstaunlich, wie gut das Fastentuch erhalten ist.<\/p>\n\n\n\n

Beschreibung des Fastentuchs<\/h3>\n\n\n\n

Die kleinen Bilder auf dem Zittauer Fastentuch werden von einem umlaufenden Rahmen mit Bl\u00e4ttern, Bl\u00fcten, Tieren und Wappen umgeben. Der Stifter (mit Waage, Ladentisch, Getreides\u00e4cken) und 5 \u201ebiblische Schriftsteller\u201c sind zu sehen. In den Ecken befinden sich die Symbole der vier Evangelisten (Adler, Engel, L\u00f6we, Stier). Oben in der Mitte steht Moses mit einem Schriftband.<\/p>\n\n\n\n

\"Teilausschnitt<\/figure>\n\n\n\n

Die kleinen Bilder sind chronologisch geordnet und man kann sie wie in einem Buch von links nach recht und von oben nach unten lesen:<\/p>\n\n\n\n

Alte Testament:<\/strong><\/p>\n\n\n\n

  • 5 Bilder zur Erschaffung der Welt<\/li>
  • 9 Bilder zum Thema erste Menschen<\/li>
  • 6 Bilder Noahs Arche und Babels Turm<\/li>
  • 7 Bilder Abraham und Isaak<\/li>
  • 5 Bilder Jakob und Esau<\/li>
  • 4 Bilder Josef, Jakobs Sohn<\/li>
  • 9 Bilder Mose und die Israeliten in der W\u00fcste<\/li><\/ul>\n\n\n\n

    Neue Testament:<\/strong><\/p>\n\n\n\n

    • 5 Bilder zur Annen- und Marienlegende<\/li>
    • 9 Bilder Geburt und Kindheit Jesu<\/li>
    • 6 Bilder das Menschliche und G\u00f6ttliche Leben Jesu<\/li>
    • 4 Bilder Jesu Einzug und Wirken in Jerusalem<\/li>
    • 8 Bilder Stationen des Leidensweges<\/li>
    • 6 Bilder Sterben und Tod Jesu<\/li>
    • 6 Bilder Auferstehung und Ausgie\u00dfung des Heiligen Geistes<\/li>
    • 1 Bild Wiederkunft Christi und die Neue Welt<\/li><\/ul>\n\n\n\n

      Jedes der Bilder sind mit einem mittelhochdeutschen Text versehen, der aus 45 Versen mit Endreim besteht. Sehr auff\u00e4llig ist, dass in den Textzeilen viele Abk\u00fcrzungen verwendet werden, die es recht schwer machen ihn zu lesen.<\/p>\n\n\n\n

      Die Bilder selber erz\u00e4hlen jedes eine Geschichte f\u00fcr sich. Aus k\u00fcnstlerischer Sicht betrachtet sind die Motive eher schlicht und einfach gehalten. Einige der Bilder beschreiben recht unbekannte Szenen und schaut man genauer hin, kann man sogar einige historische Details erkennen.<\/p>\n\n\n\n

      \"Gro\u00dfe<\/figure>\n\n\n\n

      Kleines Suchspiel: Es gibt zwei Bilder, bei denen die chronologische Reihenfolge vertauscht sind. Zum Gl\u00fcck hat der K\u00fcnstler es bemerkt und diese markiert. Viel Spa\u00df beim Suchen!<\/p>\n\n\n\n

      Mich hat das Gro\u00dfe Fastentuch sehr beeindruckt. Mal abgesehen von der Gro\u00dfe und der Geschichte rund um das Tuch, fand ich die Bilder sehr ber\u00fchrend. Wenn man die Geschichten aus der Bibel mit diesen Bildern verkn\u00fcpfen kann (was mir zugegebener Ma\u00dfen bei nicht allen Bildern m\u00f6glich ist), ist es fast wie ein Bilderbuch zu betrachten. Mir musste keiner das Bild erkl\u00e4ren, die Bilder sprachen f\u00fcr sich.<\/p>\n\n\n\n

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      \"YouTube\"

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