{"id":31695,"date":"2022-05-15T10:13:00","date_gmt":"2022-05-15T08:13:00","guid":{"rendered":"https:\/\/vonortzuort.reisen\/?p=31695"},"modified":"2022-05-06T09:33:53","modified_gmt":"2022-05-06T07:33:53","slug":"dokumentationszentrum-ns-zwangsarbeit","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/vonortzuort.reisen\/deutschland\/berlin\/dokumentationszentrum-ns-zwangsarbeit\/","title":{"rendered":"Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit"},"content":{"rendered":"\n

Eingebettet zwischen Wohnh\u00e4usern im Berliner Bezirk Treptow-K\u00f6penick stehen flache Baracken, in denen sich heute das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit befindet. Hier, in einem ehemaligen Zwangsarbeiterlager, erf\u00e4hrt man, wie die Zwangsarbeiter in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland gelebt haben, liest viel \u00fcber menschliche Schicksale und Trag\u00f6dien.<\/p>\n\n\n\n\n\n\n\n

Zwischen Britzer, K\u00f6llnischer und Rudower Stra\u00dfe befand sich ein gro\u00dfes mit Kiefern bewachsenes Grundst\u00fcck, das umgeben war von zahlreichen Wohnbauten. Ein Teil davon war im Besitz der Deutschen Reichsbahn, ein weiterer Bereich geh\u00f6rte zwei j\u00fcdischen Br\u00fcdern. Die Anwohner nutzten das Gel\u00e4nde als Naherholungsgebiet.<\/p>\n\n\n\n

\"Geschichte<\/figure>\n\n\n\n

Geschichte des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit<\/h2>\n\n\n\n

Planungen sahen zun\u00e4chst vor, ein Heim f\u00fcr die Hitlerjugend auf dem Gel\u00e4nde zu errichten. Man verwarf den Gedanken jedoch, als auffiel, dass man aus den benachbarten Wohnh\u00e4usern einen zu guten Einblick auf die Geschehnisse haben k\u00f6nnte.<\/p>\n\n\n\n

1942 enteignete man die Besitzer des Gel\u00e4ndes und f\u00fchre es der Verm\u00f6gensverwaltung des Landes zu.<\/p>\n\n\n\n

Zwangsarbeiterlager in der NS-Zeit<\/h3>\n\n\n\n

Es entwickelten sich nun andere Pl\u00e4ne und im Mai 1943 begannen die Vermessungen des Grundst\u00fccks. Geplant war es, innerhalb k\u00fcrzester Zeit das GBI-Lager 75\/76 zu errichten. Nach nur vier Monaten standen die ersten der 15 symmetrisch geplanten Steinbaracken, die f\u00fcr die Unterbringung von \u00fcber 2000 Personen gedacht waren. Laut den vorhandenen Quellen waren etwa 900 ausl\u00e4ndischen Zwangsarbeitern im Verlauf der Nutzungszeit dort untergebracht. 13 Baracken nutze man als Unterkunftsgeb\u00e4ude, ein Geb\u00e4ude war ein Wirtschaftsgeb\u00e4ude und ein Geb\u00e4ude f\u00fcr die Wachen. Ganz fertiggestellte wurde der Komplex jedoch nicht.<\/p>\n\n\n\n

\"Dokumentationszentrums<\/figure>\n\n\n\n

Da das Gel\u00e4nde strategisch g\u00fcnstig in der N\u00e4he von kriegswichtigen Betrieben lag, nahm man die Einsichtbarkeit durch die Bev\u00f6lkerung in Kauf. Man lie\u00df aber m\u00f6glichst viele Kiefern stehen, um dem Gel\u00e4nde einen Schutz vor Luftangriffen zu bieten. Zus\u00e4tzlich, und das unterscheidet dieses Lager von anderen Zwangsarbeiterlagern, gab es Luftschutzbunker, der den Bewohnern Schutz bot.<\/p>\n\n\n\n

In einem Teil des Lager waren italienische Milit\u00e4rinternierte und Zivilarbeiter untergebracht. Andere Baracken bewohnten \u201eOstarbeiter\u201c und in zwei H\u00e4usern, die als KZ-Au\u00dfenstellen dienten, lebten weibliche H\u00e4ftlinge, die in der nahgelegten Batteriefabrik Pertrix (VARTA) arbeiteten.<\/p>\n\n\n\n

Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg<\/h3>\n\n\n\n

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte zun\u00e4chst die Rote Armee den Komplex als Kaserne und als Lager f\u00fcr Druckerzeugnisse und Getreide. Als diese ab Ende 1945 weniger Raum ben\u00f6tigten, konnte die Berliner Zivilbev\u00f6lkerung einige unbesch\u00e4digte Geb\u00e4ude \u00fcbernehmen. Schnell siedelten sich erste Handwerksbetriebe an. So entstand zum Beispiel im ehemaligen Wirtschaftsgeb\u00e4ude eine Badeanstalt und Molkerei. Bis heute werden einige Geb\u00e4ude von privaten Eigent\u00fcmern genutzt.<\/p>\n\n\n\n

\"\u00dcberbleisel<\/figure>\n\n\n\n

In die sechs westlich gelegenen Baracken zog ein Impfstoffwerk. Ab den 1950er Jahren war es das nationale Forschungs- und Produktionszentrum f\u00fcr Impfstoffe in der DDR.<\/p>\n\n\n\n

Ein Dokumentationszentrum entsteht<\/h3>\n\n\n\n

1991 wickelt man das Institut im Zuge der Wiedervereinigung ab. Das Gel\u00e4nde ging in den Besitz des Bundes \u00fcber und war \u00fcber einige Jahre ungenutzt.<\/p>\n\n\n\n

Bei der Frage der Nachnutzung und ersten Vorbereitungen f\u00fcr die Sanierung stellte man fest, dass die Geb\u00e4ude \u00dcberreste eines Zwangsarbeiterlagers waren. 1995 installierte man am Zaun um das Gel\u00e4nde eine Ausstellung und r\u00fcckte so die Geschichte des Ortes wieder ins \u00f6ffentliche Interesse.<\/p>\n\n\n\n

B\u00fcrgerinitiativen und Einzelpersonen setzten sich in dieser Zeit daf\u00fcr ein, in den leer stehenden Geb\u00e4uden ein Dokumentations- und Lernzentrum zum Thema NS-Zwangsarbeit aufzubauen.<\/p>\n\n\n\n

In einem ersten Schritt stellte man 1995 das Geb\u00e4udeensemble unter Denkmalschutz und brachte 2001 eine Gedenktafel an.<\/p>\n\n\n\n

\"Baracke<\/figure>\n\n\n\n

Gedenkst\u00e4tte Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit<\/h3>\n\n\n\n

Bis das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit seine T\u00fcren f\u00fcr Besucher \u00f6ffnen konnte, verging noch einige Zeit. Baracken verfielen und lange Zeit war ungekl\u00e4rt, wer das Gel\u00e4nde nutzen sollte.<\/p>\n\n\n\n

2005 \u00fcbernahm das Land Berlin einen Teil des Gel\u00e4ndes. Diese beauftragen die Stiftung Topographie des Terrors das Projekt Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit rechtlich zu organisieren und organisatorisch zu betreuen.<\/p>\n\n\n\n

Nach umfangreichen bauhistorischen Untersuchungen konnte man bis zum Sommer 2006 zwei Baracken sanieren und so herrichten, dass Ausstellungen und Bildungsangebote stattfinden konnten. Heute werden 6 Baracken auf dem Gel\u00e4nde des Dokumentationszentrums und die wenige Schritte entfernte Baracke 13 vom Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit verwaltet und genutzt.<\/p>\n\n\n\n

Besuch im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit<\/h2>\n\n\n\n

Mein Besuch beginnt zun\u00e4chst mit einem kleinen Rundgang um das Gel\u00e4nde, wobei ich zugeben muss, weit bin ich zuerst nicht gekommen. Am Zaun direkt neben der Bushaltestelle vor dem Haupteingang h\u00e4ngen zahlreiche Informationstafeln. W\u00e4hrend ich anfange zu lesen merke ich, wie wenig ich \u00fcber das Thema eigentlich wei\u00df.<\/p>\n\n\n\n

\"Eingangsschild<\/figure>\n\n\n\n

Was ist Zwangsarbeit?<\/h3>\n\n\n\n

Die Nationalsozialisten haben von 1938 bis 1945 das gr\u00f6\u00dfte Zwangsarbeitersystem seit der Antike in Europa aufgebaut. Im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten mussten etwa 26 Millionen Juden, Sinti, Roma, Kriegsgefangene, zivile Zwangsarbeiter und KZ-H\u00e4ftlinge als Zwangsarbeiter arbeiten. Betrachtet man nur Berlin, waren es 1944 etwa 420.000 Ausl\u00e4nder, die zur Arbeit gezwungen worden waren.<\/p>\n\n\n\n

Eingesetzt wurden die Zwangsarbeiter in der gesamten Wirtschaft und in der Landwirtschaft, in Krankenh\u00e4usern, Kirchen, Privathaushalten. Zivile Zwangsarbeiter erhielten einen sehr geringen Lohn, andere arbeiteten um zu \u00fcberleben (also ohne Lohn). Die Menschen arbeiteten oft in bis zu 12 Stunden langen Schichten an 7 Tagen in der Woche. Untergebracht hat man sie in bewachten Lagern, die oft \u00fcberf\u00fcllt waren. Dort herrschten schlechte hygienische Verh\u00e4ltnisse und mangelhafte medizinische Versorgung.<\/p>\n\n\n\n

\"Ausstellung<\/figure>\n\n\n\n

Im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit besch\u00e4ftigen sich zwei Dauerausstellungen und regelm\u00e4\u00dfig wechselnde Sonderausstellungen mit diesem Thema. Diese kann man kostenfrei besuchen. Zus\u00e4tzlich kann man auf Anfrage auch die Baracke 13 besichtigen, die noch nahezu im Originalzustand erhalten ist.<\/p>\n\n\n\n

Dauerausstellung \u201eAlltag Zwangsarbeit 1938\u20131945\u201c<\/h3>\n\n\n\n

In der Baracke 2 wird seit 2013 die Dauerausstellung \u201eAlltag Zwangsarbeit 1938\u20131945\u201c auf gut 600 m\u00b2 gezeigt. Die Ausstellung ist zweisprachig konzipiert und bietet neben zahlreichen Fotos und Dokumenten auch Video\/Medienstationen mit Zeitzeugenberichten.<\/p>\n\n\n\n

\"Berlin<\/figure>\n\n\n\n

Mir hat sehr gut gefallen, dass ein Fokus auf dem Geschehen im Berliner Stadtgebiet liegt. Dabei wird nat\u00fcrlich das Zwangsarbeiterlager in Sch\u00f6neweide mit betrachtet und so erh\u00e4lt man einen direkten Bezug zum Standort. Und nicht nur das, in Berlin gab es etwa 3000 Sammelunterk\u00fcnfte, in denen etwa 500.000 Zwangsarbeiter lebten. Auf einer Karte kann man etwa die H\u00e4lfte der Standorte in der Stadt lokalisieren.<\/p>\n\n\n\n

\"Berlin<\/figure>\n\n\n\n

Bedr\u00fcckend fand ich die Darstellung des Alltags der Zwangsarbeiter im Lager und die Orte, an denen der Arbeitseinsatz stattfand. Erschreckend, wenn man die Abbildungen betrachtet, wo und unter welchen Bedingungen Zwangsarbeiter in Berlin untergebracht und wo sie \u00fcberall eingesetzt waren.<\/p>\n\n\n\n

\"Sch\u00f6neweide<\/figure>\n\n\n\n

Besonders die Biografien von 17 Zwangsarbeiter\/innen, die im mittleren zentralen Gang vorgestellt werden, machen das Geschehen greifbarer und verst\u00e4ndlicher. Diesen Biographien sind 16 weitere Personen und ihre Lebensgeschichte gegen\u00fcber gestellt, die als \u201eAkteure\u201c mit den Zwangsarbeitern zu tun hatten.<\/p>\n\n\n\n

\"Dokumentationszentrums<\/figure>\n\n\n\n

Die Dauerausstellung ist sehr informativ und man sollte sich die Zeit nehmen, um die Texte zu lesen.<\/p>\n\n\n\n

Dauerausstellung: \u201eZwischen allen St\u00fchlen. Die Geschichte der italienischen Milit\u00e4rinternierten 1943\u20131945\u201c<\/h3>\n\n\n\n

Seit 2016 gibt es eine weitere Dauerausstellung, die in der Baracke 4 zu sehen ist. Diese besch\u00e4ftigt sich mit den italienischen Milit\u00e4rinternierten, die als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.<\/p>\n\n\n\n

\"Blick<\/figure>\n\n\n\n

W\u00e4hrend des Zweiten Weltkrieges waren das faschistische Italien und NS-Deutschland lange Zeit B\u00fcndnispartner. Anfang September 1943 trat Italien aus dem B\u00fcndnis aus. Die Wehrmacht nahm daraufhin die italienischen Milit\u00e4rangeh\u00f6rige, die nun Gegner waren, gefangen. Es sollen etwa 650.000 Italiener gewesen sein, die in Lager transportiert wurden. Mit der Gr\u00fcndung der Repubblica Sociale Italiana (RSI) 1944 wurden die Gefangenen zu \u201eMilit\u00e4rinternierten\u201c erkl\u00e4rt. So konnte man sie ohne R\u00fccksicht auf das V\u00f6lkerrecht als Zwangsarbeiter einsetzten.<\/p>\n\n\n\n

In Berlin-Sch\u00f6neweide waren ab 1944 etwa 400 Italiener untergebracht, die in den umliegenden Betrieben arbeiteten.<\/p>\n\n\n\n

Die Dauerausstellung besch\u00e4ftigt sich mit dem Schicksal der italienischen Milit\u00e4rinternierten. In deutsch, englisch und italienisch werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen sehr eindrucksvoll mit Hilfe von Fotos, Dokumenten und Zeitzeugenberichten aufgezeigt.<\/p>\n\n\n\n

\"Dokumentationszentrums<\/figure>\n\n\n\n

Wie auch die erste Dauerausstellung greift diese Ausstellung ein Thema auf, dass zu meiner Schulzeit im Geschichtsunterricht nicht angesprochen worden ist. Daher waren viele der detailliert dargestellten Informationen f\u00fcr mich neu. Eine Ausstellung, die mein Interesse geweckt hat, mich weiter zu informieren.<\/p>\n\n\n\n

Baracke 13<\/h3>\n\n\n\n

Seit 2010 geh\u00f6rt die Baracke 13 zum Ausstellungsbereich des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit. Sie liegt nicht auf dem Gel\u00e4nde der Gedenkst\u00e4tte und ist nur auf Anfrage zug\u00e4nglich. Man erreicht das Geb\u00e4ude nach wenigen Metern Fu\u00dfweg, der an ehemaligen Baracken vorbeif\u00fchrt. Diese werden heute ganz unterschiedlich genutzt und nur die charakteristische Bauweise verr\u00e4t noch den urspr\u00fcnglichen Nutzungszweck.<\/p>\n\n\n\n

\"Baracke<\/figure>\n\n\n\n

Die Baracke 13 ist im Inneren noch nahezu originalgetreu erhalten, sogar der Tarnanstrich an den Fensterl\u00e4den ist zu erkennen. Man kann im Geb\u00e4ude den typischen Aufbau einer Baracke in einem Zwangsarbeiterlager sehr gut erkennen. Von einem breiten Mittelflur gehen die einzelnen Stuben ab. Je nach Gr\u00f6\u00dfe des Geb\u00e4udes waren es 10-12 Zimmer. In der Baracke gab es einen Toiletten- und Waschraum mit drei steinernen Waschbrunnen. Einer dieser Brunnen steht in der Baracke 13. Neben den Toiletten liegt ein schmaler Raum. Man wei\u00df bis heute nicht, welchen Zweck dieser Raum hatte.<\/p>\n\n\n\n

\"Baracke<\/figure>\n\n\n\n

Die Stuben hatten, im Gegensatz zu dem unverputztem Flur, einen lasierten beigen Farbanstrich. Laut Berichten von Zeitzeugen gab es bis zu neun zweist\u00f6ckige Holzetagenbetten, neun Doppelschr\u00e4nke, kleine B\u00e4nke und einen Tisch sowie einen Ofen in jedem Zimmer. Jede Stube war mit einer Gl\u00fchlampe beleuchtet.<\/p>\n\n\n\n

\"Baracke<\/figure>\n\n\n\n

In den Stuben h\u00e4ngen heute Zitate ehemaliger Zwangsarbeiter\/innen, die etwas \u00fcber den Lageralltag aussagen.<\/p>\n\n\n\n

\"Dokumentationszentrums<\/figure>\n\n\n\n

Das Geb\u00e4ude ist unterkellert. Hier hatte man einen Luftschutzbunker eingerichtet. \u00dcber ein paar Stufen einer Au\u00dfentreppe steigt man in den Keller. Eine gro\u00dfe massive Stahlt\u00fcr, die auch von innen zu sichern ist, verschlie\u00dft den labyrinthartig aufgebauten Raum unter der Baracke. An den W\u00e4nden hat man Inschriften entdeckt, die heute zeigen, wer und wann dort Schutz gesucht hatte. In dem folgenden kleinen Video wird genaueres dar\u00fcber erkl\u00e4rt.<\/p>\n\n\n\n

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