Stellen Sie sich vor, Sie sind auf Entdeckungstour durch eine europäische Hauptstadt und stehen plötzlich vor einem beeindruckenden Japanischem Turm, der fast 50 Meter hoch in den Himmel ragt. Oder vor einem opulenten Chinesischen Pavillon, dessen Fassaden und Kioske direkt aus Shanghai importiert zu sein scheinen.
Was klingt wie eine fantastische Reise, ist Realität in Brüssel – genauer gesagt in Laeken, einem Stadtteil im Nordwesten der belgischen Metropole. Hier, in den ehemaligen Museen des Fernen Ostens, verbirgt sich ein Stück Asien, das einst von einem König mit visionären Plänen ins Leben gerufen wurde.

Wir sind eigentlich eher zufällig an diesem ungewöhnlichen Ort vorbei gekommen. Als wir bei unserer Stadtrundfahrt mit dem Hop-on Hop-off Bus an einer „falschen“ Station ausgestiegen waren, sind wir zu Fuß bis zur nächsten Haltestelle gelaufen. Der Weg führte uns direkt in den Fernen Osten von Brüssel.
Königliche Visionen: Die Entstehung eines einzigartigen Komplexes
Die Geschichte dieses außergewöhnlichen Ensembles beginnt mit König Leopold II. Ende des 19. Jahrhunderts faszinierte ihn die fernöstliche Kultur. Ein Besuch der Pariser Weltausstellung 1900, insbesondere des “Panorama du Tour du Monde”, inspirierte ihn dazu, eine ähnliche Präsentation orientalischer Gebäude in Belgien zu schaffen. Es gelang dem König sogar die Eingangshalle zu erwerben. Diese ließ er nach Brüssel transportieren und in seine Vorstellungen zu integrieren.

Der König beauftragte den französischen Architekten Alexandre Marcel, der bereits für das Panorama in Paris verantwortlich war. Zwischen 1900 und 1904 entstand so der prächtige Japanische Turm und der Chinesische Pavillon. Im Mai 1905 fand bei der jährlichen königlichen Gartenparty die Einweihung statt.
Der Wunsch des Königs war es eine königliche Sammlung chinesischer und japanischer Kunstwerke würdig unterzubringen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Zukunft ungewiss
Nach der Fertigstellung wurden die Gebäude kaum genutzt. Nachdem König Leopold II. 1909 verstarb, gab das Königshaus den Plan auf dort ein Museum unterzubringen. Die Gebäude wurden dem belgischen Staat geschenkt.
Verschiedene Ministerien waren in den nächsten Jahren für die Bauten zuständig und zeitweise konnte die Öffentlichkeit diese auch besuchen. Während des Zweiten Weltkriegs und von 1947-1989 waren die Gebäude dann geschlossen. Erst 1989, anlässlich der Europalia Japan, wurden sie wieder zugänglich gemacht.

Leider sind der Japanische Turm und der Chinesische Pavillon seit 2013 aufgrund von strukturellen Schwächen geschlossen. Die Gebäude sind seit 2019 als geschützte Denkmäler anerkannt.
So soll es Innen aussehen
Auch wenn man den Japanischen Tum und den Chinesischen Pavillon nicht besichtigen kann, erzählt man sich viel über das Innere der beiden Gebäude – und das soll wirklich beeindruckend sein.
Im Inneren des Japanischen Turms erwartet Besucher reich verzierte Kupferplatten, Stuckarbeiten und aufwendige Glasfenster. Es gibt sechs Kammern, die durch ein kunstvolles Treppenhaus verbunden sind.

Jede Etage weist eine einmalige Gestaltung auf. So wird der erste Stock zum Beispiel von einer Dekoration dominiert, die Legenden wie die von Urashima Taro erzählen. Auch die Kassettendecke soll einmalig schön sein. Im zweiten Stock erwarteten die Besucher Darstellungen von Drachen und anderen mythischen Figuren. Die bemalte Papierdecke, die eine Frauengruppe zeigt, befindet sich heute im Brüsseler Kunst- und Geschichtsmuseum. Auch die anderen Etagen sind individuell z.B. mit rot lackiertem Holzboden gestaltet worden.
Internationale Experten bestätigten 2012 den unschätzbaren Wert des Turms und hoben hervor, dass nur wenige Orte in Japan eine vergleichbare Kombination aus Dekoration und Architektur aufweisen.
Der Blick von außen
Da es ja leider nicht mehr möglich ist in die Gebäude zu gelangen, mussten wir uns mit dem Blick von außen auf die Gebäude begnügen. Auch hier kommt man leider nicht besonders dicht heran, aber es lohnt sich!! Der Gebäude sind wirklich einmalig und noch immer wunderschön.
Was diese Gebäude so besonders macht, ist die faszinierende Mischung aus europäischen und fernöstlichen Bautechniken und Dekorationen. Der Japanische Turm beispielsweise integriert wiederverwendete in Japan gefertigte Elemente. Belgische Handwerker bauten den Turm, wobei ursprünglich auf Nägel im traditionellen japanischen Stil verzichtet werden sollte. Der Architekt bestand jedoch auf deren Hinzufügung – ein Beispiel für die Verschmelzung zweier Welten.
Das rot gestrichene Turm hat fünf Stockwerke und ist 50 Meter hoch. Am besten kann man ihn von der gegenüberliegenden Straßenseite betrachten.

Auch der Chinesische Pavillon birgt eine Besonderheit. Die Holzfassade und der achteckige Kiosk, wurden direkt im Waisenhaus T’ou S’ Wé in Shanghai gefertigt. Diese Schule, geleitet vom Jesuitenbruder Alois Beck, spielte eine wichtige Rolle im künstlerischen Austausch zwischen China und dem Westen.
Der chinesische Pavillon sollte ursprünglich ein Luxusrestaurant beherbergen. Dieses ist jedoch nie realisiert worden und so zog eine Ausstellung mit importierten Produkten ein. Später zeigte man dort eine Sammlung von chinesischem Porzellan, Möbeln und Wandteppichen aus den Königlichen Museen für Kunst und Geschichte.
Lohnt es sich am Japanische Turm vorbei zu gehen?
Obwohl die Gebäude derzeit nicht begehbar sind, lohnt sich ein Besuch des Areals schon allein, um die beeindruckende Architektur von außen zu bestaunen. Zusätzlich gibt es einen kleinen Park rund um die Gebäude, durch den man spazieren gehen kann.

Für mich ist dieser Ort gerade für Touristen eher ein „Hidden Place“, ein unbekannter Fleck in der Stadt, den man nicht übersehen sollte.
Adresse
Av. Van Praet 44, 1020 Bruxelles, Belgien
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