Stell dir vor, du verlässt eine fast 300 Jahre alte, knarrende Mühle und stehst nur wenige Schritte später mitten in einem verwunschenen Wald. Genau dieses einmalige Erlebnis, eine perfekte Mischung aus Geschichte und Natur, haben wir in Pointe-du-Lac, bei Trois-Rivières in Québec, gefunden. Die Kombination aus der historischen Moulin seigneurial de Tonnancour und dem angrenzenden Wandergebiet “Grand boisé” ist ein echter Geheimtipp für alle, die Kanada erleben möchten.
Ein Sprung in die Vergangenheit: Die historische Mühle von Pointe-du-Lac
Die Ursprünge der Müllerei an diesem Standort reichen bis ins Jahr 1721 zurück, als der Seigneur René Godefroy de Tonnancour (1669–1738) einen Damm am Fluss Saint-Charles errichten. Er wollte dort die erste Getreidemühle in der Region betreiben. Als herrschaftliche Bannmühle war sie ein Bestandteil des Seigniorialsystems, in dem die Pächter verpflichtet waren, ihr Getreide hier mahlen zu lassen.
Mit der Abschaffung des Seigniorialsystems im Jahr 1873 ging die Mühle in den Besitz privater Müller über. 1927 erwarben die “Brüder der christlichen Unterweisung” (Frères de l’Instruction chrétienne, F.I.C.) die Mühle. Diese religiöse Gemeinschaft passte die Mühle an ihre Bedürfnisse der Selbstversorgung an.

1949 baute man eine Sägemühle an das Hauptgebäude an. Der Mühlenbetrieb zur Mehlherstellung wurde schließlich 1963 endgültig eingestellt.
Nachdem die Mühle ein Jahrzehnt lang stillgestanden hatte, wurde sie von einer gemeinnützigen Organisation renoviert und für touristische und kulturelle Aktivitäten geöffnet.
Was gibt es in der Mühle zu entdecken?
Das Hauptgebäude ist ein rechteckiger, zweieinhalbstöckiger Bau aus Feldstein. Die Architektur ist funktional und robust, typisch für die ländlichen Industriebauten der damaligen Zeit.

Eine Besonderheit ist die klare Trennung zwischen Arbeits- und Wohnbereich. Im südlichen Teil des Gebäudes wurde 1876 die Wohnung des Müllers eingerichtet, die durch eine massive Ziegelmauer vom Maschinenbereich im Norden getrennt ist. Die Mühle ist eine der wenigen aus ihrer Zeit, deren Mechanismen noch weitgehend erhalten sind.
Senkrecht an das steinerne Mühlengebäude angebaut, befindet sich die 1949 errichtete Sägemühle. Es handelt sich um einen zweieinhalbstöckigen Holzbau mit einem Mansarddach. Zum industriellen Komplex gehören auch die dazugehörigen Wasserbauten wie der Damm, das Staubecken, der Zuleitungskanal und der Überlauf.

Heute ist die Mühle ein Museum und eine der Sehenswürdigkeiten in Trois-Rivières. Wer es gerne möchte, kann die Mühle besichtigen. Die permanente Ausstellungen beschäftigen sich mit:
- Die Ausstellung “Maître meunier” (Meister Müller) widmet sich der Geschichte und Funktionsweise der Getreidemühle. Sie erklärt die verschiedenen Getreidesorten, die hergestellten Mehle und das Leben des Müllers.
- Die zweite Ausstellung, “Farine de bois” (Holzmehl), beleuchtet die Geschichte der angrenzenden Sägemühle und das harte Leben der Holzarbeiter und Waldarbeiter vergangener Zeiten.
Zusätzlich gibt es zum Beispiel Brotback-Workshops und in der ehemaligen Müllerwohnung finden regelmäßig Kunstausstellungen statt.
Ab in die Natur: “Grand boisé de Pointe-du-Lac”
Direkt hinter der historischen Mühle erstreckt sich der “Grand boisé de Pointe-du-Lac”, ein weitläufiges Waldgebiet, das wir bei einer kleinen Wanderung erkundet haben.

Der “Grand boisé” ist ein geschütztes Naturgebiet von rund 470.000 m² Fläche und gehört zu den Naturerlebnissen in Québec, die wenig von internationalen Touristen beachtet werden. Das Gebiet war lange Jahre unter den Namen “Forestia” oder “Sentiers de la forêt ancienne” bekannt.
Wir konnten das Auto auf einem großen kostenfreien Parkplatz einige Meter hinter der Mühle abstellen. Dort haben wir nicht nur einen detaillierten Plan des Wandergebietes entdeckt, es gibt auch die Möglichkeit direkt in den “Großen Wald” zu gehen.

In den letzten Jahren hat die Beliebtheit der Wanderwege stark zugenommen, die Wanderwege wurden neu ausgeschildert und die Wanderkarte ist über die Avenza Maps App verfügbar. Sie ermöglicht es Wanderern, sich auch ohne Mobilfunk- oder Datenverbindung per GPS zu orientieren.

Das Wegenetz des Grand boisé bietet mehrere Routen für unterschiedliche Vorlieben, die alle als einfach eingestuft werden und somit für Familien und Anfänger ideal sind. Die Strecken sind nicht besonders lang, aber man kann die ausgeschilderten Routen sehr gut kombinieren.
| Weg Nr. | Länge (km) | Art des Weges |
| 1 | 2,9 | Gemischt / Schleife |
| 2 | 1,0 | Gemischt / Schleife |
| 3 | 1,1 | Gemischt / Schleife |
| 4 | 1,6 | Gemischt / Schleife |
| 5 | 0,6 | Hin- und Rückweg |
Unsere Entdeckungen auf den Waldwegen
Kaum im Waldgebiet angekommen entdeckten wir eine kleine Grotte mit einem Altar. Über eine wunderschöne Brücke erreicht man die Gedenkstätte. Ein wunderschöner und spiritueller Ort, der zum Innehalten anregt.

Wir folgten den Wanderwegen. Die Landschaft des Waldes ist geprägt von beeindruckenden, jahrhundertealten Bäumen, dem sich schlängelnden Fluss Saint-Charles, den man auf mehreren malerischen Brücken überquert, und dem historischen “Canal des Seigneurs”, einem Überbleibsel der alten Wasserwirtschaft.

Immer wieder entdeckten wir unterwegs kleine Schränke, die sich öffnen lassen. Im Kasten befand sich ein QR-Code. Durch Scannen dieser Codes mit einem Smartphonekann man einen Audio-Guide aktivieren. Dieser bietet persönliche Geschichten von Mitgliedern der Gemeinde Pointe-du-Lac, die ihre Erinnerungen an die Mühle und den Wald teilen.
An anderen Stellen entdeckten wir Hinweise auf den Poesiepfade, der in Zuge des Festival International de la Poésie dort installiert wurde. An verschiedenen Stationen befinden sich Tafeln mit Auszügen aus den Werken von Dichtern. Auch hier können über QR-Codes Audioaufnahmen der Gedichte angehört werden.

Informationstafeln, in französisch, entlang der Wege vermitteln Wissenswertes über die einzigartige Flora und Fauna des Grand boisé sowie über die Hydrologie der Rivière Saint-Charles.
Unser kulinarischer Geheimtipp zum Abschluss
Nach unserer Wanderung entdeckten wir nur unweit der Mühle eine unglaublich beliebte Fischbude direkt an der Uferstraße.

Die lange Schlange verriet uns: Hier muss es gut sein! Auch wenn du nichts isst, lohnt sich der Stopp. Von der kleinen Aussichtsplattform hat man einen traumhaften Blick über den Lac Saint-Pierre.

Besucherinformationen für die Mühle
Adresse:
11930, rue Notre Dame Ouest,
Trois-Rivières (Québec), G9B 6X1
Parken
Eine wichtige Regelung betrifft das Parken:
Der Parkplatz direkt an der Mühle ist für die Besucher des Museums und der Ausstellungen reserviert.
Wanderer, die ausschließlich die Wege nutzen möchten, werden gebeten, den benachbarten Parkplatz bei der Maison Saint-Joseph der Brüder der christlichen Unterweisung zu verwenden.
Öffnungszeiten
Ende Mai – Ende Oktober, täglich 10-17 Uhr
Zugang zu den Wanderwegen:
ganzjährig von 7:00 bis 22:00 Uhr
Eintrittspreise
Erwachsene: 7,50 Kanadische Dollar
Workshops kosten extra
Der Zugang zu den Wanderwegen ist kostenlos.
Toiletten
Toiletten stehen während der Öffnungszeiten in der Mühle zur Verfügung. Außerhalb der Saison (von November bis Ende Mai) und außerhalb der Öffnungszeiten gibt es keine zugänglichen sanitären Anlagen.
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