Mon Dieu, ich bin in Montreux!
Der Weg ist ja oftmals das Ziel, so auch auf meiner Reise quer durch Italien, um dann doch irgendwann wieder nach Norden, Richtung Heimat ab zu biegen.
Mit dem Motorrad steht der große Sankt Bernhard Pass schon lange auf meiner Liste, also warum nicht jetzt, wo ich doch ohnehin schon mal in der Nähe bin. Nachdem ich aber keine attraktive Stelle auf südlicher Seite ausmachen konnte, habe ich nicht lange gezögert und den Genfersee als Endziel für die Etappe erkoren. Im Nachhinein die beste Wahl, die ich treffen konnte. Als ich dann so schaute, was für Städte sich um ihn herum reigen, blieb ich bei Montreux hängen und hatte gleich “Smoke on the Water” von Deep Purple im Ohr. Ach ja, das legendäre Tonstudio, in dem noch heute Aufnahmen gemacht werden (allerdings nicht mehr in Montreux). Damit also auf nach Montreux. Zum Tonstudio gibt es gleich mehr.
Montreux hat den Charme eines typischen Seestädchens im Europa, südlich der Alpen. Aber die Stadt liegt, noch den Alpen vorgelagert, am Fuße des St. Bernhard. Trotzdem finden sich Palmen und allerlei Blumen hier, die sonst nur in den mediterranen Regionen Frankreichs, Spaniens und Italiens zu finden sind.
A pro pose Frankreich, in Montreux wird Französisch gesprochen und auch das Frühstück macht doch deutlich einen französischen Eindruck. Pan au Chocolat ist, gepaart mit einem Café au lait genau das Richtige und wohl auch meist verkaufte Frühstück.
Nur dass kein falscher Eindruck entsteht, Montreux liegt in der Schweiz und spätestens beim Bezahlen merkt man das auch, hier wird mit Schweizer Franken gezahlt, wobei meist auch die Bezahlung in Euro problemlos möglich ist. Schnell vergisst man, dass man aber in der Schweiz ist.
Ich hatte das unglaubliche Glück nach einen verregneten Tag, strahlenden Sonnenschein genießen zu dürfen. Das Glück des Regens ist ganz einfach erklärt. Durch den Niederschlag waren die um den See gelegenen Berge wieder in strahlendes, frisches Weiß gehüllt und haben sich so am nächsten Morgen rein gewaschen und strahlend von ihrer schönsten Seite gezeigt. Überhaupt die Berge. Ohne die wunderbare Kulisse wäre der See vermutlich nur halb so schön.
Die Schweiz und ihre Sprachen
Da komm ich von Italien über die Grenze und denke, dass ich jetzt auch wieder in vertrauter Zunge parlieren darf. An der Grenze auch noch ganz freundlich im besten Schweizer-Deutsch darauf hingewiesen worden, dass die Vignette für die Schweiz € 40,- kostet und wenn ich die Autobahn nutzen wolle, solle ich diese doch kaufen. Hach ja, die Schweizer. In Montreux angekommen, stelle ich fest, das hier nur (und fast ausschließlich) Französisch gesprochen wird. An der Bar gibt es selbstverständlich etwas zu trinken, egal in welcher Sprache man bestellt, aber einfach so jemanden ansprechen, das erweckt Erstaunen, in Deutsch und Englisch.
Hotelsuchen in Montreux
Das ist nicht so einfach. Zumal dann nicht, wenn die ETU, die European Taekwondo Championships stattfinden. An der Hauptstraße sind reichlich Hinweisschilder für Hotels zu finden und wer schlau ist, bucht über eines der öffentlichen Portale im Internet vor. Das habe ich nicht getan, ich wollte ja ursprünglich gar nicht hier her.
Sehr freundlich aber bestimmt wurde ich also im ersten Hotel abgewiesen, nicht aber, ohne mir eine mögliche Unterkunft anzupreisen, die noch Zimmer hätte, das Hotel Helvetie. Das Hotel liegt sehr zentral und wurde bereits 1865 als Pension eröffnet.
Dort angekommen habe ich auch ein Zimmer bekommen. Ach was, ein Zimmer. Ich habe eine ganze Suite! Grund dafür, dass ich diese Zimmerlandschaft bewohnen darf, war tatsächlich die ETU, die die Stadt wohl zum Bersten bringt. Auch in diesem Hotel sind die Teams von Aserbaidjan, Tschechien, Spanien und anderen Nationen untergebracht. Auf den Straßen sind junge Menschen mit Trainingsanzügen mit dem Schriftzug ihres Landes an der Tagesordnung. Aber das ist nur vorübergehend. Ein weiteres Mal, wenn die Zimmersuche sicherlich schwer werden wird, ist das Montreux Jazz Festival. Nach drei Tagen in der Stadt ein sehnlicher Wunsch, dabei sein zu können. Die Stadt atmet Musik!
Stadtarchitektur der Gegensätze
Was im Gedächtnis bleiben wird, ist die auffällig unterschiedliche Architektur. Diese Stadt hat offensichtlich niemanden gehabt, der an ihrer Gleichmäßigkeit gearbeitet hätte. Neben dem Jugendstilhaus steht selbstbewußt ein Kasten aus den 1960er Jahren, der anderswo deplatziert wirken würde, hier nicht. Die unterschiedliche Architektur ist eher Konzept als abweisend oder verstörend. Insgesamt zieht sich der Stilmix in drei Stufen durch die Stadt.
Die Altstadt am Berg ist durchgehend Stiltreu und gleichmäßig alt. Im Gürtel in Richtung See ist eine leichte Mischung spürbar und am See selber ist alles erlaubt. Eine genaue Betrachtung der Bauhistorie wäre wirklich spannend.
Unten am See zieht sich die Hauptstraße durch den Ort und an ihren Seiten begleiten die Auslagen von Supermärkten und Boutiquen den Reisenden. Ab und zu blitzt der See mal durch die Lücken in der Bebauung und gleich dahinter die Berge. Ein malerisches Bild. Dann kommt bergan eine klare Trennung durch die Bahn. Eine gut befahrene Strecke bindet Montreux an das Schweizer Schienennetz an. Die Strecke durchschneidet die Stadt massiv.
Oberhalb direkt am Berg schließt dann die Altstadt an. Mir fällt das Wort pittoresk dazu ein. Ohne es zu wissen, denke ich, dass der Blick über die Häuser, den See bis hin zu den Bergen sicherlich oftmals in Gemälden festgehalten wurde. Er ist einfach traumhaft.
Montain Studio
Wie eingangs erwähnt, ist mir der Name der Stadt mit dem Song von Deep Purple untrennbar im Ohr – ich achte einfach zu sehr auf Liedtexte. 1971 war die Band Deep Purple für Aufnahmen in Montreux im Mountain Tonstudio, als während eines Auftritts von Frank Zappa das Studio in Flammen aufging, was die Bandmitglieder von Deep Purple als Rauch auf dem Wasser beobachten konnte. Also wurde daraufhin gleich ein Song geschrieben und auch an Ort und Stelle aufgenommen. Dieser Song sollte der erfolgreichste für die Band werden. Smoke on the water. Hören Sie mal auf den Text, die Geschichte sollte Ihnen jetzt bekannt vorkommen.
Das Tonstudio wurde wieder aufgebaut und von der Band Queen bis zum Tode Freddie Mercurys gehalten. Der hat sich oft in Montreux aufgehalten und ist bis zuletzt auch immer wieder zu Besuch hier gewesen. Nach dem Verkauf des Studios zog dieses aus Montreux weg und an Stelle des alten Tonstudios steht nun ein Casino, das eine Dauerausstellung zu Queen und dem alten Studio enthält. Die Ausstellung ist nur für echte Fans etwas, ansonsten wirkt sie vermutlich wie ein Schrein, der zum Anbeten taugt. Ich persönlich fand es großartig.
Spaziergang an der Promenade
Nicht zuletzt hat die Kunst die Stadt ganz sicher im Griff, die bildende wie die musikalische. Die Musik prägt die Stadt unübersehbar. Ein Mal im Jahr findet in Montreux das weltbekannte Jazz Festival statt, bei dem bereits Größen wie Miles Davis zu hören und zu sehen waren. Die Musikgeschichte Montreuxs geht aber viel weiter zurück, schon Strawinski hat sich hier niedergelassen um einige seiner großen Kompositionen zu schreiben. Auch ihm und vielen anderen Künstlern sind zahlreiche Kunstwerke an der Seepromenade gewidmet.
Das Montreux Jazz Festival jährt sich 2016 zum 50sten Mal und wird sicherlich wieder für völlig ausgebuchte Hotels, Pensionen und Restaurants sorgen.
Zudem befassen sich auch viele Skulpturen mit dem Thema Jazz und Rock.
Freddie Mercury steht lebensgroß in typischer Bühnenpose an der Promenade und gibt sein Bestes für die Besucher, es ist, als wäre er anwesend. Geht man weiter am See entlang, findet man unzählige Kunstwerke zum Thema Musik. Ganz vereinzelt sind aber auch Bronzeskulpturen zu finden, die schon wesentlich älter zu sein scheinen. Die Badende ist dabei nur ein Beispiel. Offensichtlich hatte Montreux in den späten Jahren des 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts bereits eine Blütezeit.
Wunderschön ist es auch, durch die Straßen von Montreux zu gehen und immer wieder Musik aus den Fenstern der Stadt zu hören. Mal ein deutliches Üben, mal nicht wirklich von einer Aufnahme zu unterscheiden und meist leicht jazzig angehaucht. Je kleiner die Gasse, desto eher hat man das Glück lauschen zu können.
Altstadt
Wer sich die Arbeit macht und den Weg in die Altstadt erklimmt, der wird von einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Über die Stadt hinweg erscheint der See mit den Bergen in einer tollen Perspektive. Ganz zu oberst thront die kleine Kirche St. Vincent. Sie ist Pilgerkirche im romanisch/gotischen Stil und strahlt in ihrer Schlichtheit eine unglaubliche Ruhe aus.
Viele Cafes und Restaurants laden in der Altstadt zum Verweilen ein. Die Einkaufsmöglichkeiten sind nahezu vollständig an den See verlagert worden. Geschäfte wirken in der hoch gelegenen Altstadt verwaist. Trotzdem wirkt dieser Teil Montreuxs nicht leer oder abweisen. Eher verwunschen aber doch lebendig. Schon deshalb, weil völlig unerwartet ein Sportfeld auftaucht, auf dem sich die Jugend ein Spiel liefert. Hier macht Montreux den Eindruck, den ich aus vielen italienischen Kleinstädten kenne. Im Ortskern findet das echte Leben statt.
Wer den Blick noch ein wenig weiter in die Berge richtet entdeckt ein weiteres großes Gebäude, das sehr nach Schloss oder Burg aussieht. War dieses Gebäude früher ein Hotel, beherbergt es nun eine Schule und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Noch wichtig zu erwähnen ist, dass aus den Bergen ein Zufluss zum Genfersee unter lautem Tosen einen Weg durch die Stadt zu Tale bahnt. Er wird durch ein künstliches Bett gehalten, das so aussieht, als müsste es durchaus auch mal deutlich mehr Wasser tragen, als es ohnehin schon tut. Das Geräusch ist erst nicht einzuordnen, begleitet einen dann aber auf dem gesamten Weg in die Altstadt und zurück.
Die Burg
Leider habe ich versäumt in den zwei Tagen, die ich die Stadt besucht habe, die Burg zu besuchen, die ebenfalls zu den Attraktionen von Montreux gehört. Aber das ist eigentlich nicht schlecht, somit habe ich einen Grund wieder zu kommen und mir diese wunderbare Stadt mit ihrem musikalischen Flair erneut anzuschauen.
Es gäbe sicherlich noch vielmehr zu berichten. Aber machen Sie sich am besten selber ein Bild davon. Es lohnt die Reise!
Mit freundlicher Genehmigung von:
to|get|here
Stefanie Thielmann
www.togethere.de
Mary
Ein sehr interessanter, informativer Reisebericht.
Es stört mich nur als QUEEN Fan, dass der Name Freddie Mercury nicht korrekt geschrieben wurde, wie es leider sehr, sehr oft geschieht.
Susanne Jungbluth
Danke für den Hinweis! Ich habe es verbessert.