Im Herzen von Frankfurt (Oder) steht die ehemalige Hauptpfarrkirche St.Marien. Sie gilt mit der gläsernen Bibel als ein Wahrzeichen der Stadt und wird heute als soziokulturelles Zentrum genutzt.
Schon 1253, also nicht lange nach der Stadtgründung, entstand der erste Bau der St.-Marien-Kirche. In den nächsten Jahrhunderten hat man diesen Bau immer weiter ausgebaut. So entstand zum Beispiel ab 1360 ein neuer Chorumgang, im 15. Jahrhundert erweiterte man das Langhaus in ein fünfschiffiges Kirchengebäude und um 1521/22 erfolgte mit dem Neubau der Sakristei die letzte Erweiterung des Kirchenbaus. Entstanden war über die Jahre eine wunderschöne Backsteinkirche mit zwei Türmen.

Im Mai 1826 stürzte der Südturm der Kirche ein und wurde nicht wieder aufgebaut. Dieses sollten nicht die einzigen Schäden bleiben. Im Zweiten Weltkrieg wurde bei der Zerstörung der Frankfurter Innenstadt auch die Kirche schwer beschädigt. Übrig blieb eine Ruine, die trotz versuchter Notsicherung immer weiter verfiel.

Der Kirchengemeinde gelang es aus eigenen Mitteln 1958 die Sakristei und den Martyrchor aufzubauen. Hier konnte der Altar aufgestellt und in der wärmeren Jahreszeit der Gottesdienst gefeiert werden. 1974 schloss die Gemeinde mit der Stadt einen Pachtvertrag über 99 Jahre. Die Stadt übernahm die Pflicht, die Ruine zu restaurieren und auszubauen, damit sie für gesellschaftliche Zwecke genutzt werden konnte.

Nach der Wiedervereinigung konnte der Wiederaufbau der Kirche weiter gehen. 1998 erhielt das Kirchenschiff einen 21 Meter hohen Holzdachstuhl über Chor und Langhaus und der Nordturm wurde Instand gesetzt. Die Kirchenschätze, wie den Marienaltar und Epitaphe holte man jedoch nicht zurück in die Kirche. Sie befinden sich noch immer in der Sankt-Gertrauden-Kirche in Frankfurt (Oder).

Turmaufstieg
Eigentlich wollten wir die Kirche ja nur besuchen, weil es uns auf den 67 Meter hohen Turm zog. Von dort hat man einen 360-Grad-Blick über die Stadt und die Umgebung.
Nachdem wir den Eintritt für den Aufstieg bezahlt hatten, brachte man uns zur Tür, hinter der es nun 237 Stufen hinauf in den Turm ging. Die ersten Stufen führten über eine enge ausgetretene Steinwendeltreppe, die auf einer kleinen Zwischenplattform von einer Holztreppe abgelöst wurde. Diese führte uns auch an den Kirchenglocken vorbei.

Ursprünglich verfügte die Frankfurter Kirche über 6 Glocken, die um 1400 gegossen wurden. Zwei Glocken brachte man 1942 nach Hamburg. Die Mittelglocke Maria entging der Einschmelzung und hängt nun nach ihrer Reparatur wieder im Kirchturm. Vier Glocken sind bei der Zerstörung der Kirche verloren gegangen. Man hat drei von ihnen bereits in einer Glockengießerei nachbauen lassen und wieder in der Kirche aufgehängt.


Oben angekommen, mussten wir noch eine Tür öffnen und konnten dann auf den schmalen Turmumgang treten. Von dort hat man eine tolle Sicht auf die Stadt, über die Oder und nach Polen. Der Aufstieg lohnt sich sehr, uns hat besonders der Blick über die Oder besonders gut gefallen.




Bürgermeistersärge
Direkt neben der Eingangstür der Kirche kann man einen kapellenartiger Raum, der sich unterhalb des Nordturms und oberhalb einer alten Grabkammer befindet, betreten. Der Raum ist nicht groß und der Blick fällt automatisch auf die zwei kupferne Prunksärge mit goldenen Verzierungen. Man sollte aber auch einen Blick an die Wände werfen. Hier hat man alte Wandzeichnungen freigelegt.

In den prunkvollen Särgen hat man Ende des 17. Jahrhunderts den Bürgermeister und Ratsherrn Cölestin Hoffmann von Greiffenpfeil und seiner Ehefrau Johanna Margaretha beerdigt.
Ein kleiner Tipp – wenn man aus der kleinen Kapelle tritt, sollte man sich unbedingt die Kirchenwand über dem Eingang ansehen. Dort kann man das Abbild einer teufelsähnlichen Figur entdecken. Warum diese dort zu sehen ist… ich weiß es nicht.

Die gläserne Bibel der St.-Marien-Kirche
Etwas ganz besonderes, dass ich so bisher noch nirgendwo gesehen habe, ist die gläserne Bibel in der Kirche. Drei große Bleiglasfenster, die 1360-1370 entstanden sind, stellen diese Bibel dar.
Die Bürger der Stadt haben 117 Fenster in der Größe 83 x 43 cm im Stil der Gotik anfertigen lassen und damit ihrer Kirche etwas einzigartiges verliehen. Jedes einzelne Fenster zeigt einen Bereich der Bibel, wie zum Beispiel die Schöpfungsgeschichte, den Bau der Arche Noah, das Leben und Sterben Christi und die Antichristlegende.

Zum Glück hat man 1941 die Fenster komplett aus der Kirche ausgebaut und sie so vor der Zerstörung gerettet. Nachdem man sie zunächst sicher eingelagert hatte, begann man 1943 die Bilder in schwarz-weiß zu fotografieren und zu dokumentieren. 1945 brachte man sie dann in das Neue Palais nach Potsdam. Von dort gingen sie als Beutekunst nach Leningrad und galten seit Kriegsende als „verschollen“.
1991 kamen erste Hinweise auf den Verbleib der Bilder auf und ab 1994 bemühte man sich diese zurück zu bekommen. Erst 2002 konnte man 111 der 117 Bilder wieder in Frankfurt (Oder) in Empfang nehmen. Mit Hilfe der Schwarz-weiß Aufnahmen gelang es diese zu restaurieren und 2005 hingen sie endlich in der Kirche. Kurz darauf fand man die fehlenden Bilder im Moskauer Puschkin-Museum. Lange Verhandlungen brachten schließlich den Erfolg, die Bilder kamen 2008 zurück nach Frankfurt und sind seit 2009 wieder in der Marienkirche zu sehen.
Gläserne Bibel: Schöpfungsfenster
Das linke Fenster der gläserne Bibel trägt den Namen „Schöpfungsfenster“.Die einzelnen Bilder erzählen den Anfang der Welt, so wie es im 1. Buch Moses berichtet wird. Ein wenig weicht der Maler der Fenster allerdings von der geschriebenen Geschichte ab. Er hat dem Schöpfer ein Buch in den Schoß gelegt und dann sein 6-Tage-Werk verrichten lassen. Weitere Bilder berichtigen über das Paradise, die Schaffung von Adam und Eva und natürlich der Vertreibung der Beiden aus dem Garten Eden.

Es folgt die Geschichte von Kain und Abel, die zunehmende Bosheit und Gewalt der Menschen und der Wunsch Gottes diese in einer großen Flut zu vernichten. Hier schließt sich die Geschichte Noahs und der Arche an.

Das Christusfenster
Das mittlere Fenster der gläserne Bibel trägt den Namen Christusfenster. Hier werden 11 Szenen des Erlöserwerks Christi und die Geschichte der Geburt und der Himmelfahrt Jesu dargestellt.
Auffällig ist, dass zu Bildern aus der neutestamentischen Erzählung zwei Bilder aus dem Alten Testament beigefügt sind.

Guckt man sich die Fenster an, wird man zum Beispiel die Geburt Jesu, die Heiligen Drei Könige, Taufe Jesu im Jordan, das letzte Abendmahl, Jesu trägt das Kreuz, Kreuzigung und die Himmelfahrt entdecken (von unten nach oben geguckt). Das oberste Fenster zeigt den im Himmel sitzenden Christus mit seiner Mutter Maria.
Das Antichristfenster der gläserne Bibel
Sehr ungewöhnlich für eine Kirche ist das rechte Fenster, das Antichristfenster.
Der Maler dieser Fenster zeigt in zwei Reihen Bilder zum Thema Jüngstes Gericht. Zusätzlich stellt er die Antichristlegende vor und stellt so dar, was nach den Zeugnissen der Heiligen Schrift vorher geschieht.
Er zeigt, wie die Gegner Christi vorgehen, um die Gläubigen zu verunsichern und sie vom Glauben abzubringen. Er stellt dabei den Antichrist als freundlich dar, der seinen Glauben nur vortäuscht und von dem im Hintergrund stehenden Teufel gelenkt wird.

Die letzten drei Bilder der gläserne Bibel der untersten Reihe zeigen dabei zum Beispiel eine schwangere Frau. Scheint das Licht durch das Fenster kann man im Mutterleib das ungeborene Kind mit kleinen Teufelshörnern sehen. Im mittleren Fenster wird die Geburt des Antichristen gezeigt und im rechten Fenster die Beschneidung mit einer riesigen Schere.
Adresse:
St.Marienkirche
Oberkirchplatz 1
15230 Frankfurt (Oder)
Öffnungszeiten:
Oktober – April: 10-16 Uhr
Mai-September: 10-18 Uhr
geschlossen: 24.12.
Eintrittspreise:
Kirche: kostenfrei
Turmaufstieg: 3,50 €
Audioguide: 4,50 €
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