Etwa 160 Kilometer von London entfernt liegt die Stadt Gloucester. Hier steht eine der berühmtesten Kirchen Englands, die auch ein Drehort für Szenen von Harry Potter war: die Kathedrale von Gloucester.
Von einem der großen kostenpflichtigen Besucherparkplatz am Rande der Altstadt ist es nicht weit bis zur Kathedrale. Über einen kleinen Platz gehend erreiche ich schnell die schon von außen beeindruckende Kathedrale von Gloucester. 123 Meter lang, 42 Meter breit und mit einem 68 Meter hohen Turm – so stand sie vor mir und ich war gespannt, was mich in dem Bau erwarten würde.
Ein Blick zurück
Ein lückenloser Blick auf die sehr alte Geschichte ist heute leider kaum möglich. Zu viele Informationen sind im Laufe der Jahre aus den unterschiedlichsten Gründen verloren gegangen.
Man weiß jedoch, dass sich im 7.Jahrhundert ein Nonnenkloster in Gloucester gründete. 1022 zogen dann die Benediktiner in die bestehende Abtei ein. Unter der Leitung von Abt Serlo begann man nach 1072 mit dem Neubau einer Kirche.
Wilhelm der Eroberer soll mehrfach auf der Baustelle gewesen sein und so ist es nicht verwunderlich, dass er und auch seine Söhne der Abtei Land schenkte. So war es möglich dass der damalige Bischof 1089 den Grundstein für eine neue größere normannische Kirche legen konnte. Es ist allerdings nicht bekannt, ob er vollkommen neu bauen oder den bereits begonnenen Kirchenbau weiterbauen ließ.
1100 weihte die Kirche den noch unfertigen Bau. Zu diesem Zeitpunkt war nur der Chor mit der Empore, die Krypta, die Vierung und die ersten Joche des Kirchenschiffs fertig gestellt. Guckt man sich den Kirchenbau an, wird man feststellen, dass sich der Aufbau der Wand dann ändert. Vermutlich liegt das an einem Brand, aber genaueres lässt sich nicht feststellen.
Etwa 1160 war das Kirchenschiff schließlich fertig gestellt. Es lassen sich allerdings schon die ersten baulichen Veränderungen erkennen. So ist die Empore durch ein Triforium ersetzt worden und im Chor stehen „neue“ Rundpfeiler.
1190 zerstörte ein Brand den Dachstuhl. Es musste ein neues Gewölbe geschaffen werden. Es entstand ein feingliedriges gotisches Gewölbe, dass einen optischen Gegensatz zu den mächtigen normannischen Pfeilern bildet.
Bis heute sind im Laufe der Geschichte der Kathedrale von Gloucester viele Veränderungen, Restaurierungen und Umbauten vorgenommen worden. So wurden im 14.Jahrhundert zum Beispiel das nördliche Seitenschiff erneuert und das südliche Querhaus neu gestaltet. Es folgten Umgestaltungen im Chor und nördlichen Querschiff. Besonders auffällig ist im Chor das neu entstandenes Ostfenster. Es ist etwa 25 Meter hoch und 12 Meter breit und soll das größte Farbfenster Englands sein. Zu sehen ist die Marienkrönung.
Lohnt es sich die Kathedrale von Gloucester zu besichtigen?
Nach dem Blick von außen auf den beeindruckenden Bau ging es nun in die Kirche. Im Eingangsbereich kommt man zuerst an einem Ticketschalter vorbei. Etwas kurios, hier werden zwar keine Eintrittskarten verkauft, aber es wird um eine Spende von 5 Pfund pro Person „gebeten“. Da die Kirche natürlich auch Gläubigen offen steht, die hier zum Gebet oder Gottesdienst hingehen, kann man sicherlich keinen Eintritt verlangen. Allerdings habe ich keinen gesehen, der hier einfach an der Kasse vorbei gelaufen ist oder weniger gezahlt hat.
Auch von Innen hat mich der Kirchenbau sehr beeindruckt. Er wirkt riesig und obwohl wir nicht an jedem Ort ewig gestanden und Schilder gelesen haben, waren wir fast 1,5 Stunden in der Kirche. Es gibt wirklich viel zu entdecken.
Einige meiner Highlights stelle ich hier vor.
Kreuzgang
Wir betreten den Kreuzgang, den ich für einen der beeindruckendsten Kreuzgänge halte, die ich bisher gesehen habe.
Der südliche Bereich stammt aus dem Jahr 1357, der östlich ist zwischen 1351 und 1377 entstanden und die beiden anderen Abschnitte von 1381 bis 1412. Besonders schön finde ich das Gewölbe. Die spätgotischen Fächergewölbe sind feingliederig gestaltet und spannen sich wie ein Netz über den Gang. Bewundernswert, wie filigran die Baumeister hier gearbeitet haben.
Im 19.Jahrhundert sind einige Fenster im Kreuzgang mit Glasfenstern präraffaelitisch gestaltet worden. Die Kunstrichtung war in England typisch für diese Zeit und orientierte sich an der Kunst in Italien.
Ursprünglich wurde der Kreuzgang als Aufenthaltsmöglichkeit für die Mönche gebaut und diente ihnen als Lebens-, Arbeits- und Meditationsraum. Im südlichen Teil des Kreuzgangs gibt es eine Reihe von 20 nischenartigen Räumen in denen die Mönche ihre Schreibtische zum Lernen aufstellten.
Im nördlichen Kreuzgang befindet sich das älteste erhaltene Lavatorium des Landes. Da man sich vor den Mahlzeiten im Kloster die Hände waschen musste, befand sich das Lavatorium wahrscheinlich in der Nähe des Essbereichs. Die Bleirohre für die Wasserversorgung wurden entfernt, als Heinrich VIII. die Schließung aller Klöster anordnete. Heute sieht man hier nur noch eine Steinrinne, die früher das Wasser auffing.
Etwas ist mir bei meinem Rundgang ganz besonders aufgefallen. Auf der Südseite des Kreuzgangs sind einige der Fenster wunderschön gestaltet. Insgesamt 12 Tafeln und Rondelle mit heraldischen Motiven aus der Tudorzeit kann man sehen.
Lady Chapel
Die Lady Chapel oder auch Marienkapelle ist 1472 bis 1499 erbaut worden. Sie ist der Heiligen Jungfrau Maria gewidmet und einzigartig in ihrer Gestaltung und Dekoration.
Beeindruckend ist das gewölbte Dach und die schönen Buntglasfenster. Diese hat der Arts-and-Crafts-Designer Christopher Whall in den frühen 1900er geschaffen. Vor dem Altar befinden sich Holzgeländer, die 1617 im Auftrag von William Laud, der bis 1621 Dekan von Gloucester war, angefertigt wurden.
Was für Gewölbe!
Ich liebe es ja in den verschiedensten Bauwerken einen Blick auf die Gestaltung der Decke zu werfen. In der Kathedrale von Gloucester sind die Gewölbe so unterschiedlich und abwechslungsreich gestaltet, dass ich schon einen steifen Nacken hatte, als wir unseren Rundgang beendet hatten.
In der Kathedrale findet man eine verwendete Stilrichtung, die typisch für den englische Stil der gotischen Architektur ist. Der Perpendicular Style kam hauptsächlich im Zeitraum von 1330 bis 1520 vor. Er zeichnet sich durch dominante gerade Linien des Stabwerks, mit dem die hohen Fenster und Wände gegliedert sind, aus.
Typisch sind auch die Fächergewölbe. Bei einem Fächergewölbe ist die Fläche von einem kaum zu durchschauenden Netz verschiedenartiger Rippen und einer Vielzahl von Schlusssteinen überzogen. Die Diagonalrippen laufen zum jeweils übernächsten Pfeiler. Besonders schön kann man diesen Gewölbetyp im Ostflügel des Kreuzganges sehen. Hier befindet sich das früheste voll entwickelten Fächergewölbe Englands.
Im Langhaus haben die Architekten ein Sterngewölbe mit drei Scheitelrippen errichtet. Im Chor entdecke ich ein Gewölbe, dass noch einmal 6 Meter höher als das Gewölbe des Mittelschiffs ist. Musizierende Engel schmücken das Gewölbe, das eins der ersten Fächergewölbe sein soll.
Lust auf einen virtuellen Rundgang?
Hier gibt es die Möglichkeit, einen virtuellen Rundgang zu unternehmen.
Die Kathedrale von Gloucester ist voller Überraschungen
Immer wieder fallen mir während des Rundganges große und kleine Details auf, die die Kathedrale von Gloucester einmalig machen. Das fängt an mit wunderschönen blauen Fenstern, die eine Kapelle in einem einmaligen Schein erhellen und endet bei dem Schwert, dass bei der Krönung von Queen Elisabeth eine wichtige Rolle gespielt hat.
Ein Grabmal
Seit 1327 ist König Edward II in der Kathedrale von Gloucester begraben. Sein Grab, dass mit einem reich verzierten Kalksteinbaldachin versehen ist, kann man bei einem Rundgang durch das nördlichen Ambulatorium der Kathedrale entdecken.
Das Grabmal ist das einzige Grabmal eines Monarchen im Südwesten Englands und eines von nur wenigen außerhalb Londons.
Uhren und Glocken
Etwas ganz besonderes sind auch die Uhren und Glocken des Kathedrale. Die heutige Uhr stammt aus dem Jahr 1898. Sie ist von Dent and Co geschaffen worden, die auch die Uhr des Big Ben in London hergestellt haben. An der Kathedrale gibt es kein Zifferblatt, aber in einem der Querschiffe hängt ein Jugendstil-Zifferblatt von 1903.
Die Glocken hat man 1978 neu aufgehängt. Die beiden ältesten Glocken stammen aus der Zeit vor 1420, sind also älter als der heutige Turm. Dann gibt es noch die Glocke Great Peter. Es ist eine der größten mittelalterlichen Glocken des Landes und wiegt fast 3 Tonnen. An 2 Tagen in der Woche (Sonntag 13.30 und Dienstag 19.30) werden die Glocken zu Übungszwecken mit der Hand geläutet.
Sonst kann man das Glockenspiel täglich um 9 Uhr, 13 Uhr und 17 Uhr (am Wochenende um 16 Uhr) hören. Seit 2013 spielen die Glocken computergesteuert ihre Melodien. Meistens werden 2 Melodien gespielt, wobei das erste Lied festgelegt ist.
- Sonntag “Osterlied”, ein bekanntes Kirchenlied aus dem Jahr 1623
- Montag “Chorus novae Jerusalem”. Eine Melodie, die bereits 1525 gespielt worden ist.
- Dienstag, Herr Jeffries’ Melodie. Eine Melodien aus dem achtzehnten Jahrhundert.
- Mittwoch Dr. Hayes’ Melodie. William Hayes war Chorsänger an der Kathedrale und leitete später die Gloucester Three Choirs Festivals.
- Donnerstag Dr. Stephens’ Melodie. John Stephens war Chormitglied in Gloucester und wurde später Organist der Kathedrale von Salisbury.
- Freitag “Christe redemptor omnium”. Eine alten Plainsong-Melodie, die bereits auf der mittelalterlichen Glockenspielmaschine gespielt wurde.
- Samstag die Melodie von Herrn Malchair. John Baptist Malchair trat zwischen 1759 und 1775 regelmäßig beim Three Choirs Festival auf.
Die zweite Melodie ist eine von über hundert Melodien, wie zum Beispiel Hymnen, Weihnachts- und Osterlieder, Plainsong, Volksmelodien usw. Soweit möglich, sind die Melodien auf die Jahreszeiten und Feste der Kirche abgestimmt.
Es geht auch modern
Die Kathedrale von Gloucester ist seit kurzem das älteste Gebäude der Welt, auf dem Sonnenkollektoren installiert sind. Bis zu 25.000 Kilowatt Energie können die Solarzellen auf dem Dach der Kathedrale erzeugen.
Harry Potter in der Kathedrale von Gloucester
In drei Harry Potter Filmen nutzten die Filmemacher die Kathedrale als Kulisse. Das spülte viel Geld in die Kirchenkasse und lockt bis heute Besucher an, die auf Potters Spuren unterwegs sind. Aber glücklich waren nicht alle mit dieser Entscheidung. Sie fanden, dass der Filminhalt nicht mit der religiösen Bedeutung der Kirche zu vereinbaren sei.
Klar habe ich mich auch umgesehen und Orte entdeckt, der in den Filmen zu sehen ist. Der Kreuzgang stellt im Film die ausgedehnten Flure von Hogwarts dar.
Der südliche Kreuzgang ist zum Beispiel im Film “Stein der Weisen” zu sehen, in der Percy die Erstklässler zum Gemeinschaftsraum führt. Guckt man den Gang in westliche Richtung herunter entdeckt man die Tür, die vom Bild der Fetten Dame verschlossen als Eingang zum Gemeinschaftsraum dient.
Im nördlichen Kreuzgang befindet sich ein Bereich mit einer auffallende, insgesamt 8 Bögen lange Ausbuchtung, an dessen Rückwand eine langgezogene Steinrinne zu sehen ist (das Lavatorium). Sehr schön zu sehen ist dieser Ort im Film „Der Stein der Weisen“, als Harry und Ron auf der Suche nach Hermine um die Ecke kommen und feststellen müssen, daß der Troll die Keller schon verlassen hat. Harry zieht daraufhin Ron hinter eine der Säulen. Im Film “Halbblutprinz” belauscht Harry an dieser Stelle Draco und Severus, nachdem sie die Slughorns Party verlassen haben.
Auch Szenen aus „Die Kammer des Schreckens“ hat die Filmcrew hier gedreht, wie zum Beispiel der Eingang zu Myrtes Klo.
Wer sich die Potter Filme genauer anguckt, wird noch die ein oder andere Szene entdecken, die hier entstanden ist.
Aber nicht nur Potter Filme sind in der Kathedrale von Gloucester entstanden. Das Kloster war auch Drehort für Filme wie The Hollow Crown, Wolf Hall, Father Brown, Mary Queen of Scots, The Spanish Princess.
Besucherinformationen:
Adresse:
12 College Green
Gloucester GL1 2LX
Anfahrtsmöglichkeiten zur Kathedrale von Gloucester
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln:
Die Kathedrale befindet sich im Stadtzentrum von Gloucester und ist am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Vom Bahnhof und den Busstationen aus ist es ein 10-15 Minuten Fußweg. Außerdem gibt es einen Park-and-Ride-Service in Gloucester.
Mit dem Auto:
Direktes Parken an der Kathedrale ist aufgrund begrenzter Plätze nur für Passinhaber möglich. Es gibt jedoch acht Behindertenparkplätze, die nach dem Prinzip “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst” genutzt werden können. In der Nähe der Kathedrale befinden sich mehrere öffentliche Parkplätze.
Mit dem Fahrrad:
Fahrradständer gibt es auf dem Cathedral Green. Die Route 41 des National Cycle Network führt durch das Kathedralengelände.
Öffnungszeiten
Montag-Freitag: 10-17 Uhr
Samstag: 10-16 Uhr
Sonntag: 12.00-14.30 Uhr und 16.00-17.00 Uhr
Eintrittspreise
Der Eintritt in die Kathedrale für allgemeine Besucher erfolgt durch eine freiwillige Spende empfohlenen £5 pro Erwachsen.
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