Antwerpen ist nicht nur für die Diamanten und den beeindruckenden Grote Markt bekannt – es ist auch der Ort, an dem Geschichten von Träumen, Hoffnung und Neuanfängen erzählt werden.
Im Red Star Line Museum erfährt man die bewegenden Schicksale der Auswanderer, die zwischen 1873 und 1934 von Antwerpen aus in die Neue Welt aufbrachen.
Reederei Red Star Line
Die Reederei Red Star Line wurde 1873 gegründet und verband wichtige europäische Hafenstädte mit Häfen in Nordamerika, insbesondere New York, Philadelphia und später auch Boston. Die Hauptroute führte von Antwerpen über Southampton oder Liverpool nach Nordamerika.
Schiffe der Red Star Line
Der Hauptzweck der Red Star Line bestand darin, Auswanderer von Europa in die Vereinigten Staaten und Kanada zu transportieren. Einige der bekanntesten Schiffe der Reederei waren:
- S.S. Vaderland
Die SS Vaderland war eines der ersten der Flotte und symbolisierte die Anfänge der Red Star Line. Es diente vielen Auswanderern als Tor zur Neuen Welt. - S.S. Lapland
Dieses Schiff war eines der größten und bekanntesten der Flotte. Es wurde für seine geräumigen Decks und seinen Komfort geschätzt. - S.S. Belgenland
Dieses Schiff war der Stolz der Flotte und bekannt für seine luxuriöse Ausstattung. Es wurde gerne von wohlhabenderen Passagiere und später für Kreuzfahrten genutzt.
Die Schiffe der Red Star Line waren für ihre Zeit technisch fortschrittlich und wurden regelmäßig modernisiert, um den Anforderungen des transatlantischen Verkehrs gerecht zu werden. So waren zum Beispiel viele Schiffe der Flotte, wie die “S.S. Belgenland”, mit modernsten Dampfturbinen ausgestattet, die höhere Geschwindigkeiten und mehr Stabilität auf See ermöglichten. Die Schiffe waren auch so konzipiert, dass sie Tausende von Passagieren gleichzeitig befördern konnten. Die “S.S. Lapland” konnte beispielsweise fast 2.500 Passagiere transportieren. Für Passagiere und Besatzung sehr wichtig, die Schiffe der Red Star Line waren mit zusätzlichen Rettungsbooten, verstärkten Stahlrümpfen und besseren Navigationssystemen ausgestattet. So wollte man Katastrophen wie bei der Titanic verhindern.
So reiste man
Ein Großteil der Passagiere reiste in der Dritten Klasse, die eng und einfach gehalten war. Hier gab es Schlafkojen mit Matratzen, Gemeinschaftsräume und feste Mahlzeiten. Die Reederei legte Wert darauf, die Reisebedingungen für Auswanderer so erträglich wie möglich zu gestalten. Im Vergleich zu anderen Reedereien bot man den Passagieren der Dritten Klasse bei der Red Star Line einen relativ höherer Standard. Die Schiffe waren zum Beispiel mit moderneren sanitären Einrichtungen ausgestattet, um Krankheiten vorzubeugen. Es gab getrennte Schlafsäle für Männer und Frauen sowie regelmäßige Gesundheitskontrollen.
Während die Dritte Klasse für Auswanderer konzipiert war, boten die Red Star Line-Schiffe in der Ersten und Zweiten Klasse luxuriöse Unterkünfte für wohlhabendere Passagiere und Geschäftsreisende. Die Schiffe waren bekannt für ihre Eleganz und den Komfort. So gab es für diese Passagiere komfortable Kabinen mit fließendem Wasser, elektrischer Beleuchtung und Heizung. Die Passagiere nutzten prachtvolle Speisesäle, luxuriöse Lounges und Promenadendecks und man verwöhnte sie mit opulenten Menüs, die von renommierten Köchen an Bord zubereitet wurden.
Wer fuhr mit?
Millionen von Auswanderern vor allem aus Deutschland, Polen, Russland und Osteuropa, die auf der Suche nach einem besseren Leben die Reise in die Neue Welt wagten, gingen an Bord der Schiffe.
Die Passagierlisten führen die Namen unzähliger Familien auf. Es gab Reisende, die sich alleine auf den Weg machten oft mühsam finanziert durch Familienangehörige, die ihnen ein besseres Leben ermöglichen wollten.
Auf den Passagierlisten finden sich auch viele berühmte Namen. Albert Einstein, der weltberühmte Physiker emigrierte 1933 wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus Deutschland und reiste an Bord eines Schiffs der Red Star Line. Der legendäre Komponist und Textdichter Irving Berlin reiste als Kind mit seiner Familie von Russland nach Amerika und begann so eine Karriere, die die amerikanische Musikgeschichte prägte. Auch die spätere Premierministerin Israels Golda Meir reiste als junges Mädchen mit ihrer Familie auf diesem Weg in die Vereinigten Staaten.
Zwischen 1873 und 1935 fuhren mehr als zwei Millionen Menschen mit den Schiffen auf der Suche nach einem besseren Leben.
Ein Ort voller Geschichte
Das Red Star Line Museum befindet sich in den originalen Lagerhallen der gleichnamigen Reederei am Ufer der Schelde. Von hier aus begaben sich Millionen von Menschen auf die Reise nach Nordamerika, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die historischen Hallen, in denen Gepäck inspiziert und Gesundheitskontrollen durchgeführt wurden, zeigen heute die Dauerausstellung und regelmäßig temporäre Ausstellungen zu speziellen Themen.
Albert Einstein und die Red Star Line: Eine Flucht in die Freiheit
Das Red Star Line Museum in Antwerpen zeigt in der Dauerausstellung die Flucht Einsteins sehr ausführlich. Mit einem Audioguides ging es für uns entlang der Schautafeln und Exponate. Ich weiß nicht, ob es an „Albert Einstein“ gelegen hat, den ich thematisch super interessant finde oder an der Art der Erzählungen des Audioguides – ich habe wirklich jede Sequenz gehört. Es war einfach super spannend erzählt.
Albert Einstein war schon in den 1920er Jahren weltweit bekannt, nicht nur wegen seiner bahnbrechenden Arbeiten zur Relativitätstheorie, sondern auch wegen seines Engagements für den Pazifismus und seinen jüdischen Hintergrund.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 verschärfte sich die Lage für jüdische Intellektuelle und Wissenschaftler dramatisch. Einstein, der zu dieser Zeit in Deutschland lebte, wurde schnell zur Zielscheibe antisemitischer Hetze. Sein Haus in Caputh wurde durchsucht, sein Eigentum beschlagnahmt, und es gab Drohungen gegen ihn und seine Familie.
Bereits 1932 hatte Einstein sich entschieden, Deutschland zu verlassen. Er hielt sich zunächst in Belgien auf, wo ihm Asyl gewährt wurde. Doch als die politische Lage in Europa zunehmend unsicher wurde, entschloss er sich in die Vereinigten Staaten zu emigrieren.
Im Jahr 1933 bestieg Albert Einstein ein Schiff der Red Star Line, um die Reise über den Atlantik anzutreten. Die genaue Route führte ihn von Antwerpen nach New York. Einstein reiste in der Ersten Klasse, was ihm größeren Komfort und Privatsphäre während der Überfahrt gewährte.
Am Ende seiner Reise kam Einstein in Ellis Island an, dem berühmten Ankunftsort für Einwanderer in den Vereinigten Staaten. Aufzeichnungen zeigen, dass Einstein als prominenter Passagier eine bevorzugte Behandlung erhielt und nicht den strengen Einwanderungskontrollen unterzogen wurde, die für andere Passagiere der Dritten Klasse galten. Die wissenschaftliche Gemeinschaft der Vereinigten Staaten bot ihm sofort Unterstützung an, und Einstein nahm eine Position am Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey an.
Die Dauerausstellung: Geschichten, die unter die Haut gehen
Das Museum erzählt die Geschichten der Auswanderer, von ihrer Ankunft in Antwerpen bis zur Überfahrt über den Atlantik. Durch persönliche Gegenstände, Fotos, Briefe und interaktive Installationen wird hier die Vergangenheit lebendig.
Während des Rundganges kommen wir in den ehemaligen Heizungsraum der Lagerhallen. Hier erfahren wir viel über die Geschichte der Gebäude und der Reederei. Sehr spannend finde ich die Schiffsmodelle, die mir den ersten Eindruck über die Flotte und das Leben an Bord vermitteln. Hier ist die Ausstellung noch sehr sachlich, das sollte sich jedoch schnell ändern.
In den nächsten Räumen wird es sehr emotional. Wir beginnen den Routen der Auswanderer zu folgen. Dargestellt sind, anhand von Beispielen, die Reiseverläufe bis nach Antwerpen. Besonders bewegend sind die Einblicke in die Schicksale einzelner Familien. Wie fühlte es sich an, die Heimat hinter sich zu lassen? Welche Hoffnungen und Ängste begleiteten sie?
In Antwerpen angekommen mussten die Reisende das Gebäude der Red Star Line erreichen. Wir erfahren, wie ihr Weg vom Betreten des Gebäudes bis zum Betreten des Schiffes ausgesehen hat. Was geschah mit dem Gepäck, was erlebten sie selber? Man konnte nicht einfach so an Bord gehen. Jeder Passagier durchlief ein genau festgelegtes Prozedere und in dessen Verlauf konnte es immer passieren, dass die Reederei den Weg auf das Schiff verbot.
Ein Highlight des Museums ist der Nachbau eines Schiffsdecks der Red Star Line, wo man die Enge und die Herausforderungen einer Überfahrt nachempfinden kann. Hier werden aber auch die Unterschiede zwischen den Reiseklassen sehr deutlich gezeigt.
Schließlich erreichen die Auswanderer Ellis Island und ihr neues Leben.
Mir hat besonders gut gefallen, dass diese Reise nicht einfach nur „dargestellt“ ist. Sie wird durch die verschiedensten Medien verdeutlicht, wobei mir besonders gut gefällt, dass es immer um reale Geschichten geht. Es steht das Leben und die Erfahrungen einiger Personen im Mittelpunkt. Ihre Erwartungen, ihre Hoffnungen, ihre Enttäuschungen und den Beginn eines neuen Lebens in Amerika wird thematisiert. So hatte ich das Gefühl alles persönlich mitzuerleben und auch oft mitzufühlen.
Aussichtsplattform
Auf keinen Fall vergessen darf man den Besuch auf der Aussichtsplattform. Am Ende des Rundgangs durch das Museum ging es für uns noch hoch hinauf, um einen ungewöhnlichen Blick über Antwerpen zu erleben.
Die Aussichtsplattform zeigt nicht den üblichen Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Hier blickt man auf die Schelde und kann auch einen kleinen Teil der Hafenanlagen sehen. Dieser Blick ist natürlich bewußt gewählt. Hier kann man den Ort sehen, von dem die Schiffe mit den Auswanderern abfuhren, von dem aus die Reise in das neue Leben begann.
Tipp
In Bremerhaven haben wir das Thema Auswanderer bereits in einem tollen Museum kennengelernt. Informationen gibt es in dem Beitrag “Deutsches Auswandererhaus in Bremerhaven“.
Besucherinformationen
Adresse
Montevideostraat 3,
2000 Antwerpen
Anfahrtsmöglichkeiten
Mit dem Fahrrad
Vor dem Museumseingang und an der Ecke Rijnkaai / Montevideostraat befindet sich Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Die Haltestellen MAS (450 m entfernt), Londen (in 600 m Entfernung), Brouwersvliet (700 m vom Museum entfernt) befinden sich in der Nähe des Museums.
Mit dem Waterbus
Der DeWaterbus bringt einen über die Schelde zum Museum. Die Haltestelle Steenplein liegt 1,4 km vom Red Star Line Museum entfernt.
Parken
Parken Sie Ihr Auto in der gebührenpflichtigen Tiefgarage Montevideo (Montevideostraat) oder in der gebührenpflichtigen Tiefgarage Rijnkaai (Waagnatie – Rijnkaai 33).
Auf dem Museumsgelände befindet sich ein gebührenpflichtiger Parkplatz, der an Sonn- und Feiertagen kostenfrei nutzbar ist.
Die nächste Parkplätze für Menschen mit einer Behinderung befinden sich direkt gegenüber dem Museum in der Montevideostraat (2 Plätze) und hinter der Ecke am Rijnkaai 12 (1 Platz).
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag: 10-17 Uhr
geschlossen:
jeden Montag, außer Ostermontag und Pfingstmontag
am 1. Januar, 1. Mai und 25. Dezember
Eintrittspreise
Erwachsene: 10,-€
Es werden Tickets mit Zeitslots ausgegeben und immer nur eine maximale Personenanzahl eingelassen.
Es werden auch Eintrittskarten vor Ort verkauft. ACHTUNG! Im gesamten Museum kann man nur Bargeldlos (mit Karte) bezahlen.
Barrierefreiheit
Das Museum ist für Personen mit eingeschränkter Mobilität vollständig zugänglich.
Blindenführhunde sind erlaubt
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