Ich stehe auf einem großen Platz. Um mich herum lachende, singende, tanzende und manchmal auch humpelnde Menschen, die glücklich sind, dass ihr Weg hier endet in Santiago de Compostela.
Santiago de Compostela, die Hauptstadt Galiciens, ist das Ziel vieler Pilger. Hier endet der berühmte Jakobsweg.
Der Name der Stadt verrät schon etwas über die Geschichte. Santiago kommt von San-Yago und das kommt aus dem lateinischen von Sanctus Iacobus, was so viel wie heiliger Jakob heißt. Der zweite Teil des Stadtnamens deuten die Wissenschaftler sehr unterschiedlich, er steht aber immer im Zusammenhang mit Jakob.
Geschichte vermischt mit Legenden
Jakobus der Ältere war einer der zwölf Apostel Christi, der Sohn des Zebedäus und der Bruder von Johannes. Gemäß der Legende begab er sich kurz nach Christi Himmelfahrt in die römische Provinz Hispania, das heutige Spanien, um dort das Christentum zu verbreiten. Jedoch war seine Missionierung in Hispania wenig erfolgreich, weshalb er schließlich in seine Heimat Palästina zurückkehrte. Hier wurde er auf Befehl von König Herodes Agrippa I. von Judäa im Jahr 44, enthauptet.
Die Legenden, die sich um Jakobus ranken, sind vielfältig. Eine besagt, dass sein Leichnam in ein Boot gelegt wurde, das dann an die Küste Spaniens getrieben wurde. Nach einer anderen Version brachten seine Jünger Athanasius und Theodorus den Leichnam auf dem Seeweg nach Spanien und bestatteten ihn in einem Steingrab auf dem Gebiet der heutigen Stadt Santiago de Compostela.
Eine weitere Erzählung aus kirchlichen Kreisen besagt, dass die Gebeine von Kaiser Justinian dem Sinaikloster geschenkt wurden. Die Reliquien wurden in den Wirren des Islams von Mönchen in Sicherheit nach Spanien gebracht. Als die Muslime auch Spanien eroberten, sollen die Reliquien an der Stelle vergraben worden sein, an der sich heute Santiago de Compostela befindet.
Zwischen den Jahren 818 und 834 wurde das vermeintliche Grab entdeckt. Der Eremit Pelayo berichtete von einer Lichterscheinung, die auf das Grab eines Apostels hinwies. Als man tatsächlich ein Grab fand, erklärte der damalige Bischof, es handele sich um das Grab des heiligen Jakobus. Daraufhin ließ König Alfons II. von Asturien (791–842) dort eine Kirche errichten, die sich später zu einem bedeutenden Wallfahrtszentrum entwickelte. Um die Kirche herum entstand im 10. Jahrhundert ein Dorf, das schließlich zur Stadt Santiago wurde.
Mit der Zeit wurde die Kirche zu klein und ein neuer größer Bau entstand. Santiago de Compostela entwickelte sich zu einem der bedeuteten Wallfahrtsorte neben Rom und Jerusalem. Seit 1985 ist die Altstadt zum UNESCO Weltkulturerbe.
Jakobsweg – das Ende eines Pilgerweges
Ich stehe auf dem großen Platz Plaza del Obradoiro vor der beeindruckenden Kathedrale. Es ist kurz nach 11 Uhr am Vormittag und hier tobt das Leben. Nicht nur das Sprachengewirr von Touristen aus aller Welt ist zu hören, auch lautes Singen und Jubeln ertönt. Gruppen ziehen durch einen Torbogen auf dem berühmten Jakobsweg bis zur Mitte des Platzes. Dort endet ihr Pilgerweg.
Jährlich treffen heute etwa 200.000 Pilger in der Stadt ein. Sie sind der Strecke mit der Jakobsmuschel gefolgt. Die Muschel ist seit dem frühen 11.Jahrhundert das Pilgerzeichen und nur alleine das Berühren soll angebliche Wunder vollbracht haben. Geschäftstüchtig wie die Menschen sind, verkaufte sie daraufhin Muscheln von der Atlantikküste vor der Kathedrale an die Pilger.
Es gibt es nicht „den“ Jakobsweg. Durch ganz Europa führen unzählige Pilgerwege, die mit der Muschel gekennzeichnet sind und zum Grab Jakobs nach Santiago de Compostela führen. Auch in der Stadt kommen aus verschiedenen Himmelsrichtungen Wege an, die jedoch alle vor der Kathedrale enden und die Pilger zur großen Sitzfigur des heiligen Jakobus führt, der als Zeichen der Ehrerbietung umarmt und geküsst wird. Mit ein Grund für die Vielzahl der Wege ist sicherlich auch der Startpunkt, den die Pilger wählen. Dieser beginnt, wenn man einen Spanier fragt im eigenen Haus („El camino comienza en su casa“).
Der Jakobsweg steht seit 1993 auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes und ist im gesamten spanischen Streckenverlauf bis zu einer Breite von 30 Metern neben des Weges geschützt. Diese Zone verbreitert sich dort, wo auch Einzelgebäude am Weg oder ganze Dörfer dem Denkmalschutz unterliegen. Zudem gehören zur Welterbestätte eine Liste von über 1800 Einzelbauten in 166 Städten und Dörfern.
Plaza del Obradoiro
Während die Pilger auf den Platz strömen, genieße ich den Blick auf die Gebäude, die sich rund um einen der größten Plätze in Galicien anordnen. Die vier Seiten des Platzes werden von historischen Gebäuden gesäumt, die alle unterschiedlicher nicht sein könnten.
Auf einer Seite steht das wohl bekannteste Bauwerk der Stadt, die Kathedrale aus dem 11. Jahrhundert. An der Südseite des Platzes befindet sich das Colexio de San Xerome. Hier befand sich eine Hochschule, die im 16. Jahrhundert von Studenten besucht worden ist, die nicht ausreichend finanzielle Mittel für ein Studium zur Verfügung hatten. An der Nordseite des Platzes befindet sich das Hostal dos Reyes Católicos. Einst ein Übernachtungsstätte für Pilger, Krankenhaus und Kloster und heute ein Hotel. Den Abschluss auf der westlichen Seite bildet das heutige Rathaus der Stadt. Früher lebten und arbeiteten im Pazo de Raxoi angehende Priester.
Kathedrale von Santiago de Compostela
Vom großen Platz vor der Kathedrale zieht es die Menschen in die berühmte Kathedrale der Stadt. Für mich ging es zunächst um die Kathedrale herum, um einen Blick von außen auf das interessante Bauwerk werfen zu können.
Das Südportal zählt zu den ältesten Teilen des Baus. Es ist im romanischen Stil erbaut worden. Erst später folgten die Erweiterungen mit dem barocken Westportal, der klassizistischen Nordfassade und den gotischen Kreuzgängen. Das führte im Laufe der Jahre zu einer Vergrößerung der Grundfläche von 8.200 m² auf 23.000 m².
An der Seite der Westfassade stehen zwei 75 Meter hohe Türme. Der südliche Turm ist der Glockenturm. Im Mittelgiebel ist das Standbild des Apostel Jakobus als Pilger zu sehen. Besonders schön finde ich die Gestaltung der Portale. Hier kann man, wenn man etwas bibelfest ist, viele Szenen erkennen.
Nachdem der Gottesdienst in der Kirche beendet war, konnte ich das Kirchenschiff besichtigen. In einer lange Warteschlange rückte ich dem Ziel der Eingangstür immer näher und ahnte schon, dass die Besichtigung einer Massenveranstaltung gleichkommen würde. Und so war es auch. Die Besucher schoben sich durch die Kathedrale und die vom Erbauer gedachten Sichtachsen waren zugestellt. Selbst für den Blick auf den wunderschönen Altar musste man sich anstellen. Schade so ging für mich das „Kirchengefühl“ etwas verloren und das 100 m lange, 8,5 m breite und fast 20 m hohe Mittelschiff wirkte wenig beeindruckend.
Der Hauptaltar beeindruckte mich dann doch. Er soll über dem Grab des Jakobus stehen. Ein vergoldeter Baldachin überspannt den Hochaltar. Die lebensgroße sitzende Figur des heiligen Jakobus und mehrere Jakobsmuscheln dominieren den Anblick.
Wer dann die Kirche am Seitenausgang verlässt, kann sich an einem zweiten Eingang erneut anstellen. Diese Warteschlange führt hinter den Altar zu einer Figur. Pilger aus aller Welt umarmen und küssen diese und danken Jakob für die Bewältigung des Weges. Dann folgt man den Wartenden in die Krypta, in der in einem Schrein die Gebeine Jakobs liegen sollen.
Hospital de los Reyes Católicos (Parador de los Reyes Católicos)
Neben der Kathedrale von Santiago de Compostela ist das Gebäude des Hospital de los Reyes Católicos sicherlich das beeindruckendste am zentralen Platz der Stadt.
Gegründet wurde es von den Katholischen Königen mit der Aufgabe, dort Jakobspilger unterzubringen. Ab 1512 existiert die größte und am besten ausgestattete Pilgerherberge entlang des Jakobsweges. Sie verfügte über einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, eigene Ärzte, und eine Apotheke.
Heute übernachten hier noch immer Besucher der Stadt. Hier ist ein Fünf-Sterne-Hotel mit Restaurant eingezogen, dass viele Bereiche öffentlich zugänglich gemacht hat, um die Schönheit des Gebäudes zu zeigen.
Das beeindruckende Hauptportal ist zum Platz ausgerichtet. Hier kann man zahlreiche Figuren biblischer Gestalten erkennen. Neben dem Tor befinden sich die Wappen der spanischen Könige Isabella I. und Ferdinand II..
Der Gebäudekomplex ist groß und verschiedenen Architekten haben diesen erbaut. Alle Gebäude sind zweigeschossig und gruppieren sich um vier Innenhöfe. Hier kann man in Ruhe auf Entdeckungstour gehen und die schlichte Renaissanceformen und spätgotische Formen entdecken. Es lohnt sich auch nach oben zu gucken. Hier befinden sich einige Sandsteinfiguren, die man so dort nicht vermutest hätte. So entdecke ich zum Beispiel einen Dudelsackspieler und erfahre, dass der Dudelsack ein traditionelles Instrument in der Region ist. Nun wurde mir auch klar, warum ich schon die ganze Zeit einen Dudelsackspieler hörte, der am Rande des Plaza del Obradoiro stand und spielte.
Restauranttipp für Santiago de Compostela
Kulinarische Genüsse erwarteten mich zum Mittagessen im Restaurant dos Reis im Parador de Santiago de Compostela. Schon der Speisesaal war eine Überraschung. Er liegt in einem wunderschönen Gewölbekeller des Hotels. Auch wenn der Raum recht groß ist und viele Gäste gleichzeitig zum Essen dort waren, fühlte ich mich wohl in dem Gewirr der Stimmen und der Vielzahl der Gerüche.
Die Küche bietet traditionelle galicische Speisen auf gehobenem Niveau an. Auf der Speisekarte stehen zum Beispiel galicischer Fisch und Fleisch, Käse, Empanada, Muscheln, Oktopus a feira oder galicische Brühe.
Uns erwartete ein mehrgängiges Menü mit gutem Wein, dass mich geschmacklich total überzeugt hat. Besonders gut fand ich die Pastete vom Oktopus, die nach Galicischer Art zubereitet worden war. Sie sah zwar etwas nach Leberwurst aus, schmeckte dafür umso intensiver nach Tintenfisch. Die gebackene Jakobsmuschel und die Kalbslende als Hauptgericht rundeten das Essen gekonnt ab. Eine Augenweide und der geschmackliche Höhepunkt war für mich die Nachspeise. Der Mandelkuchen schmeckte hervorragend.
Gut, dass es nach dem Essen einen Schnaps gab.
Tipp für hungrige Pilger: Der Parador pflegt den Brauch, den ersten 10 Pilgern, die seine Türen passieren und die Compostelana vorzeigen, eine kostenlose Mahlzeit anzubieten.
Der Besuch in Santiago de Compostela war ein Programmpunkt bei der Reise im Costa Verde Express.
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