…und noch ein Stück weiter!
Warum habe ich das nicht schon früher gemacht … ich bin völlig begeistert, nachdem ich Karl-Heinz verlassen habe und überlege schon, wann wir noch einmal nach Brandenburg an der Havel fahren können.
Aber der Reihe nach ..
Es ist Sonntag morgen, ein wirklich goldener Oktobertag mit über 20 Grad erwartet uns. Wir fahren die Stunde von Berlin-Siemensstadt nach Brandenburg an der Havel und sind schon ganz gespannt, was uns erwartet. Anlaufpunkt ist die Pension Havelfloß, dort kann man Flöße ausleihen und ohne Bootführerschein die Wasserstraßen rund um Brandenburg an der Havel erkunden.
Die Pension liegt etwas versteckt hinter einer engen Einfahrt. Hier kann man nicht nur Flöße mieten, sondern auch in einem von neun Zimmern direkt an der Havel übernachten.
Herzlich Willkommen auf Karl-Heinz!
Wir werden schon von Frau Dierich, der Inhaberin der Pension erwartet. Und sie stellt uns dann auch Karl-Heinz vor.
Karl-Heinz heißt unser Floß, dass uns den Tag über zur Verfügung steht.
Nicht dass man nun denkt, wir fahren wie Huckleberry Finn auf einigen zusammengehämmerten Holzstämmen durch die Gegend. Nein! Uns erwartete ein kleines schwimmendes Ferienhaus.
Das „Hausfloß“ ist so konzipiert, dass man hier mit maximal 5 Erwachsenen übernachten kann. Mit einigen wenigen Handgriffen lassen sich die Sitzbänke in Betten verwandeln.
An Bord befindet sich auch ein kleiner Gasherd, eine Trockentoilette, Campingstühle und etwas Geschirr. Also die Grundausstattung für einen tollen Ausflug auf die Seen und die Havel rund um Brandenburg.
Während ich das „Innenleben“ des Floßes erklärt bekomme, erhält Patrick eine Einführung, damit er uns sicher durch die Gegend fahren kann. Auch wenn man keinen Bootsführerschein besitzt, darf man mit dem 8-PS-Motor auf den Wasserwegen unterwegs sein. Für ungeübte „Seeleute“ ist es schnell möglich, das Floß zu steuern. Einzig das An- und Ablegen am Steg braucht etwas Geschick und den Ausflugsdampfern sollte man ausweichen, sie weichen nur ungerne von ihrer Route ab.
Nachdem die technischen Details geklärt sind, setzen wir uns noch eine Weile in die Sonne. Auf unserer Tour begleitete uns Herr Heise, ein Stadtführer der Stadt Brandenburg an der Havel. Er zeigte uns die Wasserkarte der Umgebung und wir überlegten gemeinsam, in welche Richtung wir zuerst fahren wollten – flussaufwärts oder flussabwärts.
Auf geht es nach Acapulco
Die Entscheidung steht fest, wir waren zuerst nach Acapulco. Unser Acapulco liegt allerdings nicht ganz so weit weg, es geht in den Beetzsee.
Mit Patrick am Steuer legen wir ab und fahren ein Stück die Havel entlang, die uns dann in den langgezogenen Beetzsee führt.
Schon jetzt weiß ich, dieser Ausflug gefällt mir. Der Herbst zeigt seine ersten Spuren in den Bäumen am Uferrand, die Sonne glitzert im Wasser und uns umfängt eine unglaubliche Ruhe. Das Floß kann nicht schnell fahren und so geht es gemütlich vorbei an Fischern in ihren Booten. Vögel fliegen über den See – es ist traumhaft schön!
Auf dem Beetzsee angekommen steuern wir zuerst eine Figur an, die auf einem Pfeiler mitten im Wasser steht. Hier steht Fritze Bollmann.
Wer war Fritze Bollmann?
Fritze Bollmann war ein Barbier in Brandenburg (1852 – 1901). Von 1882 – 1896 leitete er sein eigenes Geschäft in Brandenburg an der Havel. Eigentlich war er ein fleißiger Barbier, dennoch geriet er in wirtschaftliche Not und verfiel dem Alkohol. Er war häufig betrunken in der Stadt unterwegs und wurde schnell zum Gespött der Kinder. Bollmann verstand den Spott der Kinder nicht, verfolgte sie und spritzte sie mit Rasierschaum nass. Er wurde immer mehr zur Spottfigur von Brandenburg. Als er dann auch noch beim Angeln im Domstreng aus dem Kahn stützte, dichteten die Kinder der Stadt ein Spottlied auf ihn. Es entstand sogar eine Postkarte mit dem Liedertext, dessen Vertrieb aber schnell verboten wurde.
Das Lied singt man noch heute:
Und in Brandenburg uff’n Beetzsee,
Ja da steht een Fischerkahn,
und darin sitzt Fritze Bollmann
mit dem janzen Angelkram.
Und darin sitzt Fritze Bollmann
mit dem janzen Angelkram.
Fritze Bollmann wollte angeln,
da fiel die Angel rin,
Fritze Bollmann wollt’ se langen,
und da lag er selber drin.
Fritze Bollmann wollt’ se langen,
und da lag er selber drin.
Fritze Bollmann schrie um Hilfe,
liebe Leute rettet mir,
denn ick bin ja Fritze Bollmann,
aus der Altstadt der Barbier.
Denn ick bin ja Fritze Bollmann,
aus der Altstadt der Barbier.
Nur die Angel ward jerettet,
Fritze Bollmann, der versuff,
und seitdem jeht Fritze Bollmann
uff’n Beetzsee nich mehr ruff.
Und seitdem jeht Fritze Bollmann
uff’n Beetzsee nich mehr ruff.
Fritze Bollmann kam in’n Himmel:
„Lieber Petrus laß mir durch,
denn ick bin ja Fritze Bollmann,
der Barbier aus Brandenburg.“
Denn ick bin ja Fritze Bollmann,
der Barbier aus Brandenburg.“
Und der Petrus ließ sich rühren
Fritze Bollmann, komm man rin!
Du kannst mir mal jleich balbieren,
„Komm man her, und seef mir in.“
Du kannst mir mal jleich balbieren,
„Komm man her, und seef mir in.“
Fritze Bollmann, der balbierte,
Petrus schrie: „Oh’ Schreck und Jraus,
du willst mir wohl massakrieren,
Det hält ja keen Deibel aus.“
Du willst mir wohl massakrieren,
Det hält ja keen Deibel aus.“
„Uff’ de jroße Himmelsleiter
kannste wieder runterjehn,
und balbier man unten weiter,
Ick laß mir’n Vollbart stehn.“
Und balbier man unten weiter,
Ick laß mir’n Vollbart stehn.“
Aus den zunächst 2 Strophen entstanden später weitere Zudichtungen, die sich auch immer wieder veränderten. Dieser Text ist eine Variante des Liedes.
Mitten im Beetzsee steht nun eine Statue des fischenden Fritze Bollmanns und erinnert an den Barbier.
Wir fahren weiter auf unserem Weg nach Acapulco an der Regattastrecke Beetzsee vorbei. Die unter Denkmalschutz stehende Anlage ist die einzige Regattastrecke in Ostdeutschland, die für internationale Wettkämpfe geeignet ist. Seit 1969 werden hier Ruder- und später auch Kanuwettkämpfe ausgetragen. 2009 erweiterte man die Strecke von 6 auf 8 Bahnen.
Willkommen auf Acapulco
Eine kleine Insel am Ende der Regattastrecke wird im Volksmund Acapulco genannt. Der eigentliche Name ist Hünensteg. In den Sommermonaten wird die kleine Insel als Badeinsel genutzt. Hausboote, Flöße und andere Boote liegen hier vor Anker. Es gibt einen kleinen Strand, aber jetzt im Herbst kann ich mir ein Südseefeeling wie in Acapulco hier nicht vorstellen. Aber wer weiß, vielleicht ist es im Sommer ja ein Ort, der zum Baden einlädt.
Vor der Erweiterung der Regattastrecke war der Hünensteg eine Halbinsel. Die Verbindung zum Land wurde getrennt, um so Platz für weitere Rennstrecken zu schaffen.
Während wir mit unserem Floß Karl-Heinz die Insel umrunden, erzählt uns Herr Heise die Legende zur Entstehung der Insel:
Zu der Zeit, als in der Region noch Riesen/Hünen lebten überquerte an dieser Stelle eine Hünenfamilie regelmäßig den See. Vater und Mutter mussten nur einen großen Schritt machen und kamen immer problemlos mit trockenen Füßen am anderen Ufer an. Das Hünenmädchen schaffte es trotz eines gewaltigen Sprunges nie und landete immer im Wasser. Eines Tages nahm das Mädchen eine Hand voll Sand und warf ihn in das Wasser des Sees. So entstand eine kleine Erhebung, der Hünensteg, der ihr von nun an ermöglichte den See mit trockenen Füßen zu überqueren.
Nachdem wir Acapulco umrundet haben, entscheiden wir uns zurück nach Brandenburg an der Havel zu fahren, um noch einige Stadteindrücke vom Wasser aus zu bekommen.
Mit dem Floß in Brandenburg an der Havel unterwegs
Wir fahre die Brandenburger Niederhavel entlang, bis wir zum Domstreng kommen. Ein Streng bezeichnet im Havelland die schmalen oft künstlich angelegten Wasserwege zwischen zwei Seen. Wir fahren in den schmalen Kanal herein und schon bald kann man den Dom St.Peter und Paul entdecken.
Als ein Ausflugsdampfer hinter uns auftaucht, entscheiden wir uns einen kurzen Stopp einzulegen. An einem Wohnmobilstellplatz legen wir an. Von hier kann man über eine Fußgängerbrücke zum Dom laufen und die ehemalige Burgmühle entdecken, die heute ein Wohngebäude ist.
Der Ausflugsdampfer muss hier umdrehen, der Domsteg endet hier. Auch wir fahren wieder zurück zur Niederhavel.
Schon in den nächste Abzweig biegen wir wieder ein und fahren die Näthewinde herein. Hier stehen viele Lauben am Ufer, kleine Stege führen zum Wasser. Für mich als Großstädter eine willkommene Idylle, ein Ort an dem ich sicherlich wunderbar Kraft tanken könnte. Die Näthewinde endet am Mühlentorturm, wir drehen um und fahren zurück.
Es geht vorbei an der St.Johanniskirche und dem versteckt liegenden Slawendorf. Wir fahren noch ein Stück die Brandenburger Niederhavel entlang, bis wir uns nach 4 Stunden auf dem Wasser entschließen, zurück zur Pension Havelfloß zu fahren.
Patrick legt mit Karl-Heinz gekonnt am Bootssteg an und ich stelle ihm sofort die Frage, wann wir wieder eine Tour unternehmen wollen. Ich bin ruhig und ausgeglichen, vollkommen entspannt und kann mir vorstellen, bei einer weiteren Tour sogar auf dem Floss zu übernachten.
Informationen zum Floßverleih der Pension Havelfloß findet ihr auf der Webseite des Anbieters.
Offenlegung: Die Fahrt mit dem Floß und die fachkundige Begleitung an Bord wurde uns im Rahmen einer Recherchefahrt kostenfrei ermöglicht. Vielen Dank! Der Bericht hierzu ist unabhängig davon entstanden.
Dirk
Ein schöner Ausflugstipp. Was ist vermisse, ist ein Restauranttipp für Brandenburg. Ich war dort neulich und habe gesucht und bin dann in einem ziemlich schlechten Wirtshaus gelandet…. Viele Grüsse Der Gute Reisende
Susanne Jungbluth
Wir waren leider nicht essen, sondern hatten auf den Floß einen Picknickkorb dabei. Sollten wir demnächst wieder hinfahren werde ich mal gucken und einen Restauranttipp veröffentlichen.
Helma Grimm
Den Regiestuhl auf der Terrasse von Karl – Heinz reserviere ich schon mal…….für MICH