Der Himmel ist fast wolkenlos, die Sonne brennt und auf dem großen Parkplatz staubt es gewaltig, als wir am Kap Kaliakra ankommen. Wir befinden uns am bekanntesten Kap Bulgariens an der nördlichen Schwarzmeerküste, einem der Orte, den Bulgaren und Touristen immer wieder gerne besuchen.
Legenden um das Kap Kaliakra
Man erzählt sich zwei Legenden über Ereignisse an diesem Ort.
Die Legende der 40 Mädchen
Als im 15.Jahrhundert die Osmanen das Land eroberten, fielen sie auch in den Dörfern in der Nähe des Meers ein. Man erzählt sich, dass dort 40 Mädchen lebten, die zu den schönsten Frauen des Landes zählten. Die osmanischen Krieger wollten diese Mädchen für sich behalten und brachten sie zu einer Höhle in der Nähe des Kaps.
Die Krieger waren sicher, dass die jungen Frauen nicht entkommen konnten und verließen die Höhle um ein Feuer anzuzünden.
Eine Frau, sie hieß Kaliakra, war besonders mutig und wollte sich nicht ihrem Schicksal ergeben. Sie überzeugte die anderen Frauen mit ihr ins Meer zu springen, um so den Osmanen zu entkommen. Nicht alle Frauen waren mutig und sie fürchteten den Tod und die Strafen, wenn sie zurück bleiben würden. So entschlossen sie sich, ihre Haare zusammen zu flechten, damit keine zurück bleiben würde.
Am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang, erschienen die Frauen in ihren weißen Gewändern, zusammengeflochtenen Haaren und sich an den Händen haltend auf der Klippe. Die Osmanen waren zu überrascht und konnten die 40 Frauen nicht am Sprung in das Meer hindern.
Später nannte man diesen Felsen Kaliakra, nach der Frau, der es gelang, dass die Würde der bulgarischen Mädchen unangetastet geblieben war.
Die Sage von St.Nicolas
Die zweite Sage handelt vom heiligen St.Nicolas.
Auch er wurde von den Osmanen verfolgt, aber anstatt aufzugeben, lief er zum Meeresufer und betete Gott um Hilfe an.
Gott erhörte sein Gebet.
Als das Land aufhörte und der Heilige sich von der Klippe in den Tod stürzen wollte, streckte sich der feste Boden nach vorne und gab ihm Halt. Je weiter St. Nicola rannte, desto mehr vergrößerte sich die Klippe.
Nach einer Weile wurde er jedoch müde und rannte immer langsamer. Die Osmanen nahmen ihn schließlich gefangen und töteten ihn an Ort und Stelle. Das Land hörte auf, auf übernatürliche Weise zu wachsen.
Das Kap Kaliakra, das Ergebnis dieses Wunders, steht noch heute. Der Heilige soll an seinem Ende begraben worden sein. Dort steht heute eine kleine weiße Kapelle.
Und wie ist die Geschichte des Kaps Kaliakra wirklich?
Seit der Antike befand sich entlang der Via Pontica an dieser Felsenspitze eine Festung. Bei den Thrakern trug sie den Namen Tirisis, unter den Römern Akra und unter den Byzantinern Akres Kastelum. Im Mittelalter wurde die strategisch wichtige Festung Kaliakra genannt und diente im 13. Jahrhundert als Hauptstadt des Zweiten Bulgarischen Reichs.
Die Region um das Kap Kaliakra war schon immer ein Streitpunkt zwischen den umliegenden Regionen und den Großmächten mit Interesse am Schwarzen Meer. Aus diesem Grund wurde das Kap mehrmals befestigt. Die ältesten Wehrbauten stammen von den Thrakern und wurden etwa im 4. Jahrhundert v. Chr. errichtet. Später übernahmen die Griechen die Region, gefolgt von über der 200 Jahren dauernden römischen Herrschaft.
Mit der Teilung des Römischen Reiches wurde die Region Teil des Byzantinischen Reiches. Im 13. Jahrhundert entstand kurzzeitig ein autonomes Staatswesen unter dem Fürsten Dobrotitsch. Die Landschaft erhielt ihren Namen von diesem Fürsten. Später wurde Byzanz wiederhergestellt, fiel jedoch bald an die Osmanen, die 1791 in der Seeschlacht am Kap Kaliakra gegen russische Kriegsschiffe unter Admiral Uschakow unterlagen.
Von 1878 bis 1913 gehört Kaliakra zu Bulgarien, in der Zeit von 1913 bis 1940 war es Teil Rumäniens. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam der Felsensporn wieder zu Bulgarien und wurde im Rahmen des Warschauer Pakts von der Sowjetunion genutzt.
Im Jahr 1988 begann der Bau einer großen Sendeanlage für Mittelwellenrundfunk, die jedoch nie wie geplant in Betrieb genommen wurde.
Im Jahr 2006 wurde zum Gedenken an den Sieg von 1791 das Uschakow-Denkmal am Kap Kaliakra eingeweiht.
Besuch am Kap Kaliakra
Über eine Zufahrtsstraße gelangt man bis zu einem Parkplatz direkt zur Felsspitze. Der Besuch ist kostenpflichtig und den Eintrittspreis bezahlt man direkt am Parkplatzeingang.
Noch bevor ich aber auf Entdeckungstour gehen kann, fällt mir am Parklatz ein imposantes Denkmal auf.
Uschakow-Denkmal
Im Jahr 2006 wurde das Uschakow-Denkmal am Kap Kaliakra errichtet. Es ist dem 215. Jahrestag des Siegs in der Seeschlacht von Kaliakra 1791 gewidmet. In dieser Schlacht während des Russisch-Türkischen Krieges von 1787 bis 1791 besiegte Admiral Fjodor Uschakow die türkische Flotte von russischen Kriegsschiffen besiegt.
Der bulgarische Bildhauer Nikola Bogdanow entwarf und gestaltete das Denkmal. 1968 entstand am Kap Kaliakra das 3 Meter hohes Basisrelief mit der kyrillischen Inschrift “Ф.Ф.Ушаков. 1791 г.” (“F.F. Uschakow, 1791”).
Die 6 Meter hohe weiße Betonstatue hat eine Gesamthöhe von 8 Metern. Die Statue zeigt den russischen Admiral Fjodor Uschakow. Sie ist detailreich gestaltet und vermittelt eine eindrucksvolle Präsenz. Im Jahr 2011 entstand hinter der Statue eine siebenschiffige Kolonnade mit achteckigen Pfeilern. An ihrem Gebälk hängen 18 Glocken, die jeweils den Namen eines der 18 an der Schlacht beteiligten russischen Kriegsschiffe tragen.
Weg zur Spitze des Kaps
Vom Parkplatz auf führt ein Weg bis zur Spitze des Kaps. Die Wiesen im saftigen grün, einige blühende Blumen und dazwischen Überreste einiger Mauern von Gebäuden aus der Vergangenheit, was für ein wunderschönes harmonisches Bild. Ab und zu entdecke ich ein Schild, dass dem Gebäuderest eine Funktion zuordnet, wie zum Beispiel ein „römisches Bad“.
Das Highlight ist für mich aber die gigantische Aussicht. Die steilen rötlichen Felswände ragen zwischen 50 und 60 Metern aus dem Meer. Die Brandung hat in Jahrtausenden Löcher und ganze Höhlen ins Gestein gegraben. Auch wenn das Schwarze Meer an diesem Tag ruhig ist, brechen sich die Wellen an der Küste. Was muss das für ein Schauspiel sein, wenn der Wind kräftiger bläst und hohe Wellen dort dagegen donnern!
Kaliakra ist eins der ersten Schutzgebieten in Bulgarien. 1941 erklärte die Regierung das Kap zu einem Naturreservat. Bis heute nisten hier etliche bedrohte Vogelarten. Die Flora ist mit etlichen Steppenpflanzen vertreten, die einzigartig für ganz Bulgarien sind.
Folgt man dem Weg, kommt man an einer Höhle vorbei. Hier befindet sich heute ein Museum. Der Besuch ist kostenfrei, nur wer fotografieren möchte, muss etwas bezahlen. Besonders interessant fand ich das Model des Kap Kaliakra. Erst mit Hilfe dieser Darstellung wurde mir die Dimension des Gebietes so richtig bewußt.
Als wir die Spitze des Kaps erreichen, entdecke ich auch die kleine Kapelle St. Nicola. Direkt daneben führt eine Treppe hinab auf eine kleine Aussichtsplattform. Hier befindet sich das sicherlich am meisten fotografierte Felsenfenster der Region.
Zugegeben, der Blick ist traumhaft. Man sollte aber auch etwas tiefer nach unten und nicht nur in die Ferne gucken. Dort entdecke ich in den Fels gehauene Stufen, die einst den Zugang zur Felsspitze vom Wasser aus ermöglichten. Schade, dass dieser Weg heute nicht mehr nutzbar ist. Ein Blick von dort unten hinauf muss beeindruckend sein.
Restauranttipp
Nach einem Ausflug zum Kap Kaliakra ist der Weg zu Dalboka The Mussel Farm nicht weit. Diese erreicht man über eine enge und sehr steile Zufahrtsstraße. Vor dem Restaurant gibt es nur wenige Parkplätze. Wer gut zu Fuß ist, sollte das Auto lieber weiter oben an der Straße abstellen und laufen.
Die Auswahl der Muschelgerichte ist groß. Mir war nicht bewußt, wie unterschiedlich die Schalentiere schmecken können. Mein Favorit waren die „scharfen“ Muscheln, die in einer pikanten Soße serviert werden.
Der Besuch am Kap Kaliakra fand während einer Pressereise nach Albena statt.
Schreibe einen Kommentar