Bei unserem ersten Schwarzwaldaufenthalt zog es uns nach Freudenstadt. Für uns noch vollkommen unbekannt, ist Freudenstadt seit vielen Jahren ein traditioneller Urlaubsort, der auch als anerkannter heilklimatischer Kurort und Kneipport bekannt ist. Wir waren gespannte, was wir hier alles entdecken und erleben würden.
Wo liegt Freudenstadt?
Etwa 66 Kilometer Luftlinie entfernt von Stuttgart im nordöstlichen Schwarzwald liegt Freudenstadt auf einem bewaldeten Hochplateau. Mit der Bahn erreicht man Freudenstadt ab Stuttgart (fährt etwa stündlich) und mit dem Auto zum Beispiel über die Schwarzwald Hochstraße.
Nur etwa 6 Kilometer entfernt liegt Loßburg, ein weiteres Ziel unseres Aufenthaltes im Schwarzwald.
Bei einer tollen Stadtführung ging unsere Entdeckungsreise durch die Geschichte der Stadt los.
Über 400 Jahre Stadtgeschichte kurz gefasst
Herzog Friedrich I. war bekannt für seine Macht- und Wirtschaftspolitik. Er förderte den Bergbau im Christophtal, siedelte Glaubensflüchtlinge an und wollte mit dem Bau einer neuen Residenz den Kniebis-Pass sichern.
Er beauftragte 1595 den Baumeister Heinrich Schickhardt damit, die Gegend des heutigen Freudenstadts zu untersuchen, um hier eine Residenz errichten zu können. Schickhardt fand nur Wald und nach seiner Auffassung wenig positives an diesem Ort und riet davon ab, hier eine Stadt zu errichten.
Der Herzog bestand aber auf diesen Standort und so begann der Baumeister mit der Planung. Schickhardt entwarf eine Stadt am Reißbrett, es entstand ein Grundriss nach dem Dreizeilenplan. In der Mitte, einem zentralen Marktplatz, sollte zu einem späteren Zeitpunkt ein Schloss errichtet werden. Darum ordneten sich zunächst drei, später fünf Zeilen mit Häusern an, ähnlich einem Mühlespielbrett.
Im März 1599 begann man damit, die ersten Straßen und Häuser abzustecken. Es entstanden Fachwerkhäuser, deren Giebel zum Marktplatz ausgerichtet waren (Giebelhäuser).
Eine Besonderheit des Stadtentwurfes waren die Gebäude in den Ecken des Marktplatzes. Hier plante man Winkelbauten, die dem ganzen Marktplatz ein abgeschlossenes Bild vermitteln sollten. Im Mai 1601 entstand die Stadtkirche (eine Winkelkirche), 1602 in der Nordwestecke ein Kaufhaus (als Winkelhaus), 1660 in der Nordostecke ein Rathaus (auch ein Winkelhaus).
Die Stadt, die ab 1600 nun mitten im Wald entstehen sollte, brauchte natürlich auch Bewohner. Im November 1601 erließ der Herzog eine Ausschreibung, die Siedler anlocken sollte. Freudenstadt bot einen Bauplatz, Holz und Feldern und lockte so viele Glaubensflüchtlinge an. Die Einwohnerzahl stieg merkbar an.
1608 verstarb der Herzog, die Pläne für die Errichtung eines Schlosses wurden aufgegeben und die freie Fläche im Zentrum der Stadt blieb erhalten. Heute ist das der größte bebaute Marktplatz Deutschlands.
Kurz nach der Stadtgründung lebten fast 3000 Menschen in Freudenstadt. Dann kamen Pest, Brände und der Dreißigjährige Krieg, die das Leben grundlegend veränderten. 1652, so findet man in Aufzeichnungen, lebten nur noch 300 Bürger in der Stadt.
Herzog Eberhardt III. versuchte diese Bürger in der Stadt zu halten. Er versprach 6 Jahre Steuerfreiheit und Neubürgern sogar 12 Jahre Steuerfreiheit. Zusätzlich sollten sie verbilligte Bauplätze erhalten und bekamen das Bauholz geschenkt. Das Leben hielt wieder Einzug in die Stadt.
Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung Freudenstadts setzte Anfang des 19.Jahrhunderts ein, als Freudenstadt sich zum Kurort entwickelte. Hotels eröffneten, wie zum Beispiel das Hotel Waldlust .
Von 20 Hotels in der Stadt zählte 5 zu der besten Kategorie und der Kurort im Schwarzwald wurde weltweit bekannt. Es kamen Gäste aus der ganzen Welt, wie zum Beispiel John D. Rockefeller und der englische König Georg V..
Im Zweiten Weltkrieg war in unmittelbarer Nähe von Freudenstadt eine Befehlszentrale der Wehrmacht untergebracht. Hitlers Besuch in der Stadt nach dem Frankreichfeldzug wurde propagandistisch vermarktet. Freudenstadt galt in Frankreich zu dieser Zeit als ein Symbol des Naziregims und der französischen Niederlage. 1945, kurz vor Kriegsende, griffen französischen Truppen die Stadt unerwartet an. Die Bombenabwürfe und Artilleriebeschuss hielten 16 Stunden an. Am Ende waren 95% der Innenstadt zerstört und viele Menschen hatten ihr Leben verloren.
Auf die Frage, wie man die Stadt wieder aufbauen sollte, gab es viele Varianten, die man diskutierte. Man entschied sich, die Stadt wieder als Planstadt aufzubauen, hat aber auch Wert darauf gelegt, moderne Anforderungen zu berücksichtigen. Nach nur 5 Jahren war der Wiederaufbau geschafft. Das wird heute noch als „Wunder von Freudenstadt“ bezeichnet. Die Skulptur, die heute auf dem Marktplatz steht soll daran erinnern.
Rundgang über den Marktplatz von Freudenstadt
Wir starten unsere Tour auf dem größten bebauten Marktplatz in Deutschland. 4,74 ha misst der heutige Platz und unterteilt sich in einen Oberen Marktplatz und einen Unteren Marktplatz. Der Obere Marktplatz wird häufig für Veranstaltungen und Märkte genutzt und ist zusätzlich mit einer Tiefgarage unterkellert.
Auf dem Unteren Marktplatz ist eine grüne Oase mitten in der Stadt entstanden. Neben jährlich neu gestalten Blumenanpflanzungen stehen hier auch sehr interessante Bäume, wie zum Beispiel ein Mammutbaum. Einen großen Bereich nimmt eine Springbrunnenanlage ein, dieser begeistert im Sommer besonders die Kinder, da sie hier wunderschön spielen können.
Unser Besuch beginnt auf dem Oberen Marktplatz und wir gucken auf den Neptunbrunnen aus dem Jahr 1761. Dahinter steht das Stadthaus mit dem Café Pause und dem Museum über Freudenstadt. Etwas ganz besonderes sind die Arkadengänge rund um den Marktplatz. Hier kann man wunderschön spazieren gehen und kleine Geschäfte entdecken.
Museum Stadthaus
Auf 5 Ebenen kann man sich in dem Museum über die Geschichte der Stadt Freudenstadt und des Landkreises informieren.
Bereits im Eingangsbereich des ersten Obergeschosses des Hauses erfährt man etwas über das Thema Luftschnapper und Touristen in Freudenstadt. Wie wir schon bei der Führung durch das Hotel Waldlust erfahren hatten, zog es bereits früh die Touristen nach Freudenstadt. Ob mit der Bahn oder über die Schwarzwald-Hochstraße, wer frische Luft suchte, fuhr in den Schwarzwald. Einige schöne Ausstellungsstücke erinnern hier an diese Zeit.
Im zweiten Obergeschoss beschäftigt sich alles mit dem Wiederaufbau der Stadt und in einem Kunstkabinett werden Werke aus dem Landkreis Freudenstadt gezeigt.
Kommt man in das dritte Obergeschoss steht man im Schweizersaal. In Schaukästen rund um den Saal wandelt man auf historischen Wegen durch Freudenstadt. Mich hat besonders der Saal beeindruckt, der über ein tonnenartiges Dach verfügt und schon alleine durch seine Größe beeindruckt. Der ideale Ort für Veranstaltungen.
Mein persönliches Highlight im Museum war das 4. und 5. Obergeschoss. Im Dachgeschoss stellt man in kleinen Bereichen viele Kleingewerbe der Region vor. Die zum Teil schon fast ausgestorbenen Handwerke und ihre traditionelle Kleidung, Werkzeuge und Produkte werden in meinen Augen sehr anschaulich dargestellt. Hier finden wir auch Informationen zum Bergbau in Freudenstadt, mit dem wir uns schon im Besucherbergwerk beschäftigt hatten.
Ein kleiner Tipp am Rande – einfach mal aus dem Fenster gucken. Man hat einen tollen Blick auf den Marktplatz.
Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag: 10-17 Uhr
Montag geschlossen
Eintrittspreis:
kostenlos
Stadtkirche
Wir gehen weiter auf den Unteren Marktplatz. Hier befindet sich an der südlichen Ecke die evangelische Stadtkirche. Diese Kirche ist schon von außen etwas besonderes, es handelt sich um eine Winkelkirche, die genau im Winkel der Ecke des Platzes steht. An beiden Enden gibt es einen Kirchturm, ein Glockenturm und einen Uhrenturm.
Interessant finde ich, dass der Handel auf dem Marktplatz früher „unter den Augen Gottes“ direkt an der Kirche abgeschlossen wurde. Noch heute findet man hier eine Metallstange, die als Maßeinheit diente und auch beim Abwiegen der Einkäufe half.
Leider konnten wir aufgrund von Bauarbeiten nicht in die Kirche gehen. Aber auf Bildern, die auf dem Marktplatz stehen kann man sehr gut erkennen, wie das Kirchenschiff aufgebaut ist. Das besondere ist, dass der Altar und die Kanzel im Winkel zwischen den Flügeln liegt. So war es dem Pfarrer möglich, die nach Geschlechtern getrennt sitzenden Gläubigen in beiden Kirchenabschnitten zu sehen.
Rathaus von Freudenstadt
Unser Rundgang führt uns wieder zurück auf den Oberen Marktplatz. Bevor wir das Rathaus betreten, kommen wir an einem modernen Brunnen mit Raben vorbei. Hier hat unsere Stadtführerin zu jedem Raben eine schöne Geschichte erzählt, die gut auf die politische Arbeit in einer Stadt passt und die unterschiedlichen Charaktere hervorragend beschreibt.
Dann gehen wir zum politischen Zentrum von Freudenstadt, dem Rathaus.
Das Rathaus steht an der nördliche Ecke des Marktplatzes und wir konnten die 127 Stufen des 43 Meter hohen Turmes hinaufsteigen und von dort aus auf die Stadt herunter gucken.
Der Blick reichte weit über das Hotel Waldlust hinaus, das wir auch besucht haben.
Besonders gut hat mir der Blick auf den Marktplatz gefallen. Von hier oben war die Größe noch beeindruckender. Man konnte auch sehr gut den Aufbau der Stadt erkennen. Von hier oben war das „Mühlespielbrett“ gut sichtbar und verdeutlichte mir noch einmal gut den Stadtaufbau.
Den Turm kann man während der Öffnungszeiten des Rathauses besteigen.
Wir konnten noch einen Blick in den holzvertäfelten Ratssaal werfen. Hier hängen an der Stirnseite Bilder der Freudenstädter Bürgermeister.
Öffnungszeiten:
Montag-Freitag: 8-12 Uhr
Donnerstag: zusätzlich 14-17.30 Uhr
Eintrittspreis:
kostenlos
Den Schlüssel kann man sich beim Bürgerservice abholen.
Offenlegung: Die spannende und sehr informative Stadtführung war ein Programmpunkt der Bloggerreise in den Schwarzwald – sie hat uns sehr gefallen. Vielen Dank! Der Bericht ist unabhängig zu dem Besuch entstanden und entspricht unseren Eindrücken.
Beate Hummel
Guten Tag, ich grüße Sie aus dem schönen Ostallgäu.
Vielen DANK für die schönen Bilder, und die Berichte dazu. Ich habe mich sehr über diese Seiten hier gefreut!
Vor fast 25 Jahren war ich mal in Freudenschaft. Wir saßen vor einem Cafe, und sahen, wie die Kinder sich über die Fontänen nebenan freuten! So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen.
Meine Freundin kommt aus dem Schwarzwald. Wir besuchten ihre Mutter, die in Dornstetten wohnt, und waren in Freudenstadt.
Ich habe mir über den Computer auch das Hotel Waldlust angeschaut, vielen DANK auch für diese Seiten. Ich freute mich auch darüber sehr !
Liebe Grüße von Beate Hummel. Früher wohnte ich die meiste Zeit in meinem Leben in Baden-Württemberg, ca. 15 km von Stuttgart entfernt, nämlich in Esslingen.