Speed – Sightseeing in Wolfenbüttel
Freitag nachmittag – etwas über 40 Reiseblogger treffen sich auf dem Stadtmarkt von Wolfenbüttel zu einem Stadtrundgang. Aufgeteilt in 4 Gruppen geht es los. 4 Stationen in einer Stunde, immer so versetzt, dass immer eine Gruppe vor Ort ist – das nenne ich Speed – Sightseeing!
Mein spezieller Dank geht an unsere Stadtführerin, die es sehr gelassen nahm, dass 50% der Gruppe ständig auf der Suche nach dem besten Foto verschwand und nur 50% ihr zuhörten.
Schloss Wolfenbüttel
Unser erster Anlaufpunkt beim Speed – Sightseeing in Wolfenbüttel war das Schloss Wolfenbüttel.
Geschichte kurz gefasst
Das heutige Schloss Wolfenbüttel war ursprünglich eine Wasserburg, die von Widekind von Wolfenbüttel errichtet wurde (ca. 1074). Im Laufe der Jahre wurde die Burg bei kriegerischen Handlungen mehrfach zerstört. Einige Elemente, wie zum Beispiel der Schlossgrundriss und der Burggraben stammen aber noch aus den Anfängen der Burg.
1553 ließ Herzog Heinrich der Jüngere das Schloss wieder aufbauen. Nach italienischem Vorbild entstand ein Innenhof mit Arkadengängen. Der 1613 errichtete Hausmannsturm steht noch heute. 1714 bekam das Schloss eine neue Fachwerk-Fassade und das steinerne Eingangsportal. Auch die Statuen auf der Brücke stammen aus dieser Zeit.
1753 verließ der herzogliche Hofstaat Wolfenbüttel und das Schloss stand leer. 1770 nahm Gotthold Ephraim Lessing eine Stelle in der Bibliotheca Augusta an und wohnte für 5 Jahre in einigen Zimmern im Schloss.
Heute befindet sich im Nordflügel die Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel. In weiteren Räumen befindet sich ein Museum und das größte Gymnasium der Stadt.
Unsere Stippvisite
Wir konnten in 15 Minuten natürlich nicht das gesamte Schloss besichtigen. Aber die Zeit reichte aus, um nicht nur etwas über die Geschichte des Schlosses zu erfahren, sondern auch einen kleinen Teil des Schlosses von außen zu besichtigen.
Besonders auffällig ist die rote Farbe des Schlosses. Steht man vor dem Eingangsportal noch vor der Brücke hat man einen sehr schönen Blick auf die Fachwerkfassade. Es fällt erst nach genauer Betrachtung auf, dass an der Gestaltung der Fassade etwas nicht stimmt. Einige der Fenster sind nur aufgemalt, um die optische Regelmäßigkeit zu erhalten.
Das Eingangsportal mit der Brücke und den Figuren, die die Tugenden der Bewohner der Stadt symbolisieren, ist wirklich beeindruckend.
Ein Blick in den Innenhof zeigt uns einen wunderschönen Arkadenhof. Der Arkadengang im Obergeschoss wurde im Laufe der Jahre verschlossen, es war zu kalt im Gebäude!
Von hier hat man einen tollen Blick auf den Hausmannsturm.
Schade, dass die Zeit nicht für einen Besuch im Museum ausreichte. Hier soll man unter anderem die Prunkräume des Herzogs besichtigen können.
Adresse:
Schlossplatz 13,
38304 Wolfenbüttel
Öffnungszeiten Museum (2018):
Dienstag – Sonntag: 10-17 Uhr
Montag geschlossen
Eintrittspreise Museum (2018):
Erwachsene: 5 €
Ermäßigt: 2,50€
1.Freitag im Monat: Eintritt frei!
Führungen (öffentlich):
Sonntag 15 Uhr (nicht 24.12. und 31.12)
pro Person 6€
Anmeldung erforderlich
Lessinghaus
Wir laufen am Schloss vorbei zum Lessinghaus. Hier lebte Lessing von 1777 bis zu seinem Tod 1781. Anfangs lebte noch seine Frau Eva König und das gemeinsame Kind mit in dem Haus. Als diese verstarben, nutzte Lessing das damalige Sterbezimmer als Arbeitszimmer. Hier schrieb er unter anderem „Nathan der Weise“.
Viel ist nicht mehr übrig von der ursprünglichen Gestaltung der Wohnräume. Einige wenige Stücke, die vermutlich Lessing gehörten, erinnern an ihn. Heute befindet sich hier ein Literaturmuseum.
Für mich war der Höhepunkt unseres kleinen Rundganges durch das Haus der Vortrag eines Gedichtes von Lessing. Vielen Dank, dass ich eine andere Seite des Schriftstellers kennen lernen durfte, als die, die ich in der Schule präsentiert bekam.
Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing (* 22.01.1729, † 15.02.1781)
Der über uns
Hans Steffen stieg bei Dämmerung (und kaum
konnt er vor Näschigkeit die Dämmerung erwarten)
in seines Edelmannes Garten
und plünderte den besten Apfelbaum.
Johann und Hanne konnten kaum
vor Liebesglut die Dämmerung erwarten
und schlichen sich in eben diesen Garten
von ungefähr an ebendiesen Apfelbaum.
Hans Steffen, der im Winkel oben saß
und fleißig brach und aß,
ward mäuschenstill vor Wartung böser Dinge,
daß seine Näscherei ihm diesmal schlecht gelinge.
Doch bald vernahm er unten Dinge,
worüber er der Furcht vergaß
und immer sachter weiteraß.
Johann warf Hannen in das Gras.
“O pfui!, rief Hanne, welcher Spaß!
Nicht doch, Johann! – Ei was?
O schäme dich! – Ein andermal – o laß –
O schäme dich! Hier ist es naß.”
Naß oder nicht; was schadet das?
Es ist ja reines Gras.
Wie dies Gespräche weiterlief,
das weiß ich nicht. Wer braucht′s zu wissen?
Sie stunden wieder auf, und Hanne seufzte tief:
“So, schöner Herr, heißt das bloß küssen?
Das Männerherz! Kein einzger hat Gewissen.
Sie könnten es uns so versüßen.
Wie grausam aber müssen
wir armen Mädchen öfters dafür büßen!
Wenn nun auch mir ein Unglück widerfährt! –
Ein Kind – ich zittre. – Wer ernährt
mir denn das Kind? Kannst Du es mir ernähren?”
“Ich?, sprach Johann, die Zeit mag′s lehren.
Doch wird′s auch nicht von mir ernährt:
Der über uns wird schon ernähren;
dem über uns vertrau.”
′Dem über uns.′ Dies hörte Steffen.
′Was′, dachte er, ′will das Pack mich äffen?
Der über Ihnen? Ei, wie schlau!′
“Nein, schrie er, laßt euch andere Hoffnung laben!
Der über euch ist nicht so toll.
Wenn ich ein Bankbein nähren soll,
so will ich es auch selbst gedrechselt haben.”
Wer hier erschrak und aus dem Garten rann,
das waren Hanne und Johann.
Doch gaben bei dem Edelmann
sie auch den Apfeldieb wohl an?
Ich glaube nicht, daß sie′s getan.
Adresse:
Lessingplatz,
38304 Wolfenbüttel
Öffnungszeiten (2018):
Dienstag – Sonntag: 10-16 Uhr
Montag geschlossen
Eintrittspreise :
Tageskarte: 5€
(Karte gilt auch für Herzog August Bibliothek)
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Führungen können nach Voranmeldung gebucht werden.
Herzog August Bibliothek
Der Höhepunkt unserer Speed – Sightseeing Tour war für mich der Besuch der Herzog August Bibliothek.
Entstehung der Bibliothek
Gegründet wurde die Herzogliche Bibliothek von Julius zu Braunschweig-Lüneburg. Während seines Studiums 1550 in Frankreich entdeckte dieser seine Sammelleidenschaft für Bücher. Zunächst waren es Romane, es folgten aber Studienliteratur und theologische Schriften. 1567 erwarb der Herzog eine komplette Sammlung mit humanistischen und juristischen Büchern und weitere Aufkäufe von Büchern ließen seine Sammlung schnell anwachsen. 1572 erließ er eine Liberey-Ordnung, die als Gründungsdokument der Bibliothek von Wolfenbüttel gilt.
Herzog August der Jüngere war es schließlich, der die Bibliothek über die Grenzen Wolfenbüttels hinaus bekannt machte. Seine eigene Sammlung von mehr als 6000 Schriften, die in einem alphabetisch sortierten Katalog erfasst waren, waren in einem extra Gebäude untergebracht. 1625 teilte er die Schriften in 20 Sachgruppen ein und veranlasste die Einführung von Signaturen für die Büchergruppen. Diese wurden in Bücherrandkatalogen erfasst. Später ordnete man jedes neue Buch in diesem System ein. Um die Bücher vor den Gefahren des Dreißigjährigen Krieges zu retten, ließ er seine Bibliothek nach Wolfenbüttel schaffen. Bis zum Tod des Herzogs war die Sammlung durch weitere Zukäufe, Schenkungen und Nachlässe auf 135000 Titel in 35000 Bänden angewachsen.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte wuchs der Bestand der Sammlungen weiter an. Es wurde ein neues Gebäude errichtet – der erste Bibliotheksbau Europas. Einige bekannte Persönlichkeiten arbeiteten und forschten in der Bibliothek, zum Beispiel Gottfried Wilhelm Leibnitz, Gotthold Ephraim Lessing.
Die beiden Weltkriege konnte die Bibliothek fast unbeschadet überstehen. Heute ist hier eine der europäischen Forschungsstätten für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Es befinden sich hier etwa 1 Millionen Medieneinheiten in den Räumlichkeiten der Herzog August Bibliothek, um nur einiges zu nennen zum Beispiel: Handschriften, Drucke, eine Bibelsammlung, Ölgemälde, Flugblätter, Postkarten…
Mein neuer Lieblingsplatz
Wir konnten bei unserer Speed – Sightseeing Tour natürlich nur einen kurzen Blick in die Herzog August Bibliothek werfen. Aber ehrlich gesagt, dieser kurze Blick hat mich gepackt.
Einige Räume sind frei zugänglich und wirken eher wie ein Museum. Moderne Bücherregal sind in einen alten Bau integriert worden. Hohe Säulen mit Reliefen stehen neben modernen Stahltreppen. Ein Kontrast, der größer nicht sein könnte.
Hier stehen keine dunklen Bücher, die in schwerem Leder eingebunden sind. Hier findet man hell eingeschlagene Bücher, die nach Größe sortiert sind. In Glasvitrinen stehen einige besonders interessante Werke und in einem Raum entdeckt man wunderschöne Globen.
Ich glaube hier könnte ich stundenlang durch die Räume streifen, den Geruch alter Bücher einatmen und die Ruhe genießen. Oder in einem großen schweren gemütlichen Sessel sitzen und die Bücher entdecken.
Adresse:
Lessingplatz 1,
38304 Wolfenbüttel
Öffnungszeiten (2018):
Dienstag – Sonntag: 10-16 Uhr
Montag geschlossen
Eintrittspreis (2018):
(inkl. Lessinghaus)
Erwachsene: 5€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Führungen (öffentlich):
Sonn- und Feiertage: 11 Uhr
Preis: 5 €
Bürger Museum Wolfenbüttel
Das vierte Ziel bei unserer Speed – Sightseeing Tour ist das Bürgermuseum in Wolfenbüttel. Nur wenige Schritte von der Herzog August Bibliothek entfernt hat in einer ehemaligen Reithalle (die später als Sporthalle genutzt wurde) 2017 ein Museum eröffnet.
In diesem Museum wird die Geschichte der Bürger Wolfenbüttels über einen Zeitraum von 500 Jahren gezeigt. Nicht die Geschichte des Adels, hier stehen Menschen wie du und ich im Mittelpunkt. Viele der Exponate stammen auch von den Wolfenbüttelern, die so mitgeholfen haben eine tolle Ausstellung entstehen zu lassen.
Das Museum unterscheidet sich optisch von vielen Museen, die ich bisher gesehen habe. Der große helle Raum ist durch einige wenige Elemente in Zonen gegliedert. Die ehemalige Zuschauertribüne der Sporthalle steht heute in der Mitte des Gebäudes und bildet eine zweite Ebene. Hier finden Veranstaltungen statt und man hat einen tollen Blick auf die Exponate. Es gibt einige Hörstationen und an sogenannten Aktivstationen kann der Besucher Geschichte erleben.
Ein wirklich schönes und lebendiges Museum, dass man auch mit einer Führung entdecken kann.
Adresse:
Prof.-Paul-Raabe-Platz 1,
38304 Wolfenbüttel
Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag 10-17 Uhr
Montag geschlossen
Eintrittspreise:
kostenlos
Die Altstadt von Wolfenbüttel
In der Altstadt stehen alleine 600 Fachwerkhäuser, die aus den unterschiedlichsten Bauepochen stammen und zu den Sehenswürdigkeiten von Wolfenbüttel gehören. Hier stehen Häuser aus der Spätgotik bis hin zur Neuzeit in harmonischer Eintracht nebeneinander und prägen das Bild der Altstadt.
mehr zur Altstadt von Wolfenbüttel
AHA Erlebnismuseum Wolfenbüttel
Das AHA Erlebnismuseum bietet verschiedene Workshops und Kreativkurse für Kinder und Jugendliche.
Adresse
Lindener Str. 15
38300 Wolfenbüttel
Tel.: 05331 6070377
Web: www.ahamuseum.de
Öffnungszeiten
Montag | 09:00–12:00, 15:30–17:30 |
Dienstag | Geschlossen |
Mittwoch | 09:00–12:00 |
Donnerstag | 09:00–12:00 |
Freitag | 09:00–12:00, 15:30–17:30 |
Samstag | 14:00–17:00 |
Sonntag | 11:00–14:00 |
Helma Grimm
Liebe Susanne!
Herr Lessing hat für das ca. Jahr 1750 Witz, Humor und Ironie bewiesen. Deine Deutschlehrer hatten diese Eigenschaft wohl nicht!!!!
Sie scheuten sich vielleicht auch vor den Fragen und den Antworten.
Gruß Helma
Daniela
Liebe Susanne,
all die vielen Infos hast du echt gut zusammengefasst. Hab das doch selbst alles gehört, kann mich aber gar nicht mehr an so viel erinnern. Danke.
Dafür, dass wir echt einen flotten Zahn drauf hatten, war es am Ende doch ziemlich genial. Die Bücherei fand ich auch sehr cool, da bin ich am Sonntag noch mal rein, um mir das in Ruhe anzusehen.
Liebe Grüße
Daniela
Michaela
Sehr informativer und schön geschriebener Artikel. Ich muss zwar zugeben, dass ich von Wolfenbüttel zum ersten Mal höre, aber vor allem die Bibliothek hört sich für mich sehr interessant an. Falls ich irgendwann einmal dort in die Nähe kommen sollte, dann werde ich sie mir auf alle Fälle ansehen.
Liebe Grüße,
Michaela
Christine
Ich musste erst mal googeln, wo Wolfenbüttel überhaupt liegt ;-) Ich muss sagen, die Idee mit dem Speed-Sightseeing find ich ja wirklich klasse! Ideal, um einen ersten kurzen Überblick über einen neuen Ort zu bekommen – davon hab ich bis gerade eben ja noch nie was gehört! Mein Lieblingsort wäre definitiv die Bibliothek gewesen ;-)
Liebe Grüße, Christine
Simone Kunisch
Liebe Susanne,
mich hat das Wolfenbüttel Fieber ebenso gepackt wie dich! Eine wirklich schöne und gemütliche Stadt, die ich auf jeden Fall noch einmal besuchen will. Dein Post hat die Highlights unserer Stadtführung ganz toll zusammengefasst und bringt damit viele schöne Erinnerungen an unser Wochenende zurück. Vielen Dank und bis bald
Simone
Gina
Hallo Susanne
Das Gedicht ist ja cool!
Das hat man uns nicht präsentiert auf unserer Runde des Speed-Sightseeings.
Danke, dass ich es jetzt doch noch kennenlernen durfte.
Liebe Grüße Gina
Susanne Jungbluth
Du hättest die leuchtenden Augen des Guides sehen sollen. Er hat es richtig gelebt!
Annika
Hallo Susanne,
das war in der Tat ein Speeddating, das nur den Appetit angeregt hat. Das Bürgermuseum und das Museum im Schloss habe ich dann noch mal gesondert besucht.
LG
Annika
Mac
Schön zusammengefasst. Die Bibliothek hat mich auch gepackt. Da würde ich sehr gern mal eine Nacht eingeschlossen werden.
Beste Grüße
Mac
Susanne Jungbluth
Da komme ich gerne mit. Ich würde zu gerne die alten Landkarten genauer ansehen!