Etwas abseits gelegen, in einem Industriegebiet von Hamm, befindet sich ein wirklich ungewöhnliches Bauwerk, dass man dort nie vermutet hätte, der hinduistische Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel.
Wie kommt ein Hinduistischer Tempel nach Hamm?
In Deutschland existiert seit vielen Jahren eine tamilische Flüchtlingsgemeinschaft. Der Priester Sri Pascaran war Bürgerkriegsflüchtling aus Sri Lanka und seine Flucht endete in Hamm.
1989 legte der Priester Siva Sri Arumugam Paskarakurukka im Keller einer Mietwohnung einen Andachtraum an. Da die gesetzlichen Anforderungen in einem Kellerraum nicht gewährleistet waren, musste sich die Gemeinde neue Möglichkeiten suchen.
1992 zog man in die Räume einer alten Heißmangel-Wäscherei um. Diese Räume hätten sicherlich für die recht kleine Gemeinde ausgereicht. Allerdings wird jährlich ein Tempelfest mit einer öffentlichen Ausfahrt der Göttin gefeiert und dieses zog immer mehr Besucher an. Und so mehrten sich die Beschwerden der Anwohner, die schließlich dazu führten, dass die Politik eingreifen musste. Der Rat der Stadt Hamm sah in dem Tempel aber ein Gewinn für das kulturelle Leben in der Stadt und versuchte den Konflikt zu lösen.
Man suchte und fand ein Grundstück in einem Gewerbegebiet in der Nähe des Dattel-Hamm-Kanals (wichtig für die rituelle Waschzeremonie). Hier entstand zunächst ein kleinerer Behelfstempel und 2002 konnte auf dem gegenüberliegenden Grundstück ein großer Hallentempel eingeweiht werden.
Die Einweihung muss ein großes Fest gewesen sein. Es wurde 13 Stunden gefeiert, 14 Priester kamen in die Stadt und 3000 Hindus reisten zum Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel. 45 Tage lang fanden Weihe- und Eröffnungsrituale mit rituellen Zeremonien statt.
Besuch im Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel
Besucher sind im Tempel immer willkommen. Wer mit dem Auto kommt, findet einen großen Besucherparkplatz direkt vor der Tür. Von der Straße aus betritt am das Gelände der Gemeinde durch ein buntes und reich verziertes Tor und geht wenige Schritte bis zum Tempel.
Der Tempel ist nach der Vorlage eines Tempels im südindischen Kanchipuram entstanden. Er hat eine Grundfläche von 27 Metern x 27 Metern. Der 17 Meter hohe Portal-Gopuram wird von zahlreichen Figuren von Gottheiten geschmückt. Dieser pyramidenähnliche Aufbau ist in fünf Etagen gegliedert. Die verwendeten Farben sind mit rot, gelb, grün und blau traditionell gehalten. Jede einzelne Gottheiten – und es gibt davon sehr viele – kann man zum Beispiel aufgrund der immer gleichen Farbgestaltung erkennen. Schon alleine der Aufbau des Tempels ist so wunderschön und kunstvoll, dass ich mich daran kaum satt sehen konnte. Die Skulpturen und Verzierungen haben Tempelbauer aus Indien speziell für diesen Tempel hergestellt.
Die rot-weiße Längsstreifen am Gebäude fallen besonders ins Auge. Diese Streifen findet man normalerweise auf den Mauern rund um einen Tempelbezirk. Rot steht dabei für die Liebe und weiß symbolisiert die Weisheit.
Was man im Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel sehen kann
Wer den Tempel betreten möchte, geht zunächst in einen kleinen Vorraum. Dort stellt man seine Schuhe ab und gelangt erst dann durch eine große Tür in die eigentliche Tempelanlage.
Ich war noch nie zuvor in einem hinduistischen Tempel und der Besuch hat mich wirklich überrascht. Die Farben und Formen beeindrucken sehr, die Innengestaltung war ganz anders, als ich es erwartet hätte.
In der Mitte des großen Raumes steht der Hauptaltar, der von vielen kleineren Altären umgeben wird. Jeder dieser Altäre ist einer Gottheit geweiht und wird von dem für diese Gottheit eigenen Tier begleitet. So findet man zum Beispiel je einen Altar für die Söhne Shivas. Die Schreine sind gemauert und von außen mit zahlreichen bunten kunstvoll gearbeiteten Figuren verziert. Jeder in seinem eigenen Stil und einzigartig, ich finde auch wunderschön. Ich hätte stundenlang vor jedem einzelnen dieser Schreine stehen und mir die Figuren betrachten können. Es gab so viel zu sehen.
Der Hauptaltar ist der Göttin Sri Kamakshi gewidmet. Die im Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel stehende Statue besteht aus schwarzem Granitstein und wurde nur für diesen Tempel hergestellt. Der Körper der Göttin ist mit allerlei Blumen, Goldschmuck, Perlen und Edelsteinen geschmückt.
Guckt man sich die Schreine etwas genauer an, fällt auf, dass neben der dort stehenden Statue das Innere mit weißen Kacheln verkleidet ist und eine Öllampe dort hängt. Ich gebe zu, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es wirkt, ganz im Gegensatz zu dem wundervollen Äußeren der Schreine, zu steril und „unpersönlich“.
Aber der Sinn dieser Gestaltung wird schnell klar. Die Öllampe russt stark. Die weißen Kacheln sind einfach vom Ruß zu reinigen. Zusätzlich waschen die Priester die Statuen in ihren Zeremonien und auch hier erweisen sich die weißen Fliesen als praktisch.
Rituale im Tempel
Dreimal täglich findet der hinduistische Gottesdienst Puja statt. Bei meinem Besuch im Tempel konnte ich die Vorbereitungen der Priester und die ersten Minuten erleben.
Bevor die Zeremonie begann, verschlossen der Priester, die bis dahin offen stehenden Schreine, mit einem Vorhang. Auf diesem ist ein Bild der Gottheit des Schreins dargestellt. Eine helle Glocke fing an zu klingen und die Zeremonie begann am Hauptschrein, wo der Vorhang geöffnet wurde.
Ich stand an einem kleineren Schrein, der als nächstes besucht wurde. Der Priester öffnete unter ständigem gesangähnlichen Beten den Vorhang und klingelte dabei nahezu ohne Pause mit einer hellen Glocke. Die Statue und der Innenraum des Schreins wurden während des Gebets mit einem Rauch gereinigt und der Gottheit Blütenblätter in eine kleine Schale gelegt. Ist das Gebet an diesem Schrein beendet, geht der Priester zurück zum Hauptschrein, betet dort kurz und wiederholt den Ablauf bei jedem der anderen kleineren Schreine.
Bei der Puja dürfen Gäste anwesend sein, müssen sich aber so verhalten, dass sie die Gläubigen nicht stören.
Im Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel finden noch weitere Rituale und Feste statt. So werden hier hinduistische Hochzeiten gefeiert und die tamilischen Jahresfeste begangen. Jedes Jahr im Mai oder Juni findet ein großes Tempelfest statt. Diese Veranstaltung dauert 14 Tage und zieht über 15.000 Gläubige und zahlreiche Besucher an.
Bei einer großen Prozession wird die Göttin Kamadchi auf einem blumengeschmückten Wagen um den Tempel gefahren. Dabei segnet sie die Stadt und die in ihr lebenden Menschen. Zahlreiche rituelle Handlungen werden im Laufe dieses Festes von den Gläubigen vollzogen und am Ende reinigt man die Göttin im Datteln-Hamm-Kanal, bevor sie in den Tempel zurückkehrt.
Was man bei einem Besuch beachten sollte:
- keine Schuhe tragen
- keinen Alkohol trinken,
- nicht rauchen
- kein Fleisch verzehren
- nicht die Schreine der Götter betreten (dieses dürfen nur die Priester)
- keine Haustiere (Hunde, Katzen, etc.) mitbringen
- Handys ausschalten
- Aus religiösen Gründen ist es Frauen während ihrer Menstruation untersagt den Tempel zu betreten.
- Filmen und Fotografieren ist nur während des Gottesdienst verboten.
Adresse:
Siegenbeckstraße 4-5
59071 Hamm
Öffnungszeiten:
täglich: 8-13 Uhr und 17-19 Uhr
Gottesdienste:
täglich: 8 Uhr, 12 Uhr, 18 Uhr
Der Besuch im Tempel war ein Programmpunkt einer Bloggerreise nach Hamm. Der Beitrag ist unabhängig zur Reise entstanden.
Tanja
Liebe Susanne,
der Tempel in Hamm fasziniert mich auch immer wieder. Obwohl ich jetzt schon mehrfach hinein durfte und auch schon auf dem Tempelfest dabei war. Ich kann deine Begeisterung also gut nachvollziehen. :)
Viele Grüße
Tanja
Susanne Jungbluth
Es war sehr schön, dass du ihn mir gezeigt hast :)