Eine der wohl bekanntesten Modeschmuckfabriken im EdelSteinLand war die Ketten- und Bijouteriewarenfabrik Jakob Bengel im Stadtteil Oberstein. Heute kann man das Industriedenkmal Jakob Bengel besichtigen und bei einer Führung einen Blick in die ehemalige Produktionsstätte werfen.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Orte Idar und Oberstein zu Zentren der Schmuckherstellung in Deutschland. In Oberstein kam es Ende des 19. Jahrhunderts zur Gründung von metallverarbeitenden Betrieben, die sich unter anderem auf die Produktion von Uhrketten spezialisierten. Als während des Ersten Weltkrieges die Armbanduhr so langsam die Taschenuhr ablöste, suchten die Firmen in Oberstein andere Arbeitsfelder und verlegten ihre Produktion in die Sparte Modeschmuck. Zu Hochzeiten der Produktion verdienten etwa 5000 Menschen in den Fabriken und bei der Heimarbeit ihren Lohn mit der Schmuckproduktion.
In den 1970er Jahren veränderten strengere Umweltauflagen und die Konkurrenz aus Billiglohnländern die Arbeit in den Firmen so sehr, dass sie nicht mehr konkurrenzfähig waren. Nach und nach schlossen die Betriebe und heute gibt es nur noch wenige Schmuckfabriken in der Gegend.
Anfänge der Firmengeschichte von Jakob Bengel
Der Schlosser Jakob Bengel gehörte zu den großen Produzenten für Ketten- und Bijouteriewaren in Oberstein. Sein Fabrikgebäude, mit der im Obergeschoss liegenden Wohnung, ließ Bengel 1873 erbauen. Hier wollte er Uhrketten produzieren, die sich jeder leisten konnte. Die dazu benötigten Maschinen entwickelte er passend zu seiner Produktion. Die Geschäfte liefen gut und Jakob Bengel war es wichtig, dass auch seine Arbeiter davon profitierten. 1890 entstand auf dem Firmengelände ein für damalige Verhältnisse sehr moderner Bau für die Arbeiter der Fabrik. Ihre Wohnungen hatten alle Strom und fließendes Wasser.
1906 übernahm der Schwiegersohn Bengels den Betrieb. Bengel selber wollte anscheinend nicht die Hände in den Schoß legen. Er arbeitete als Angestellter weiter in der Firma mit. Zusätzlich baute er zwei weitere Wohnhäuser für die Firmenangestellten. Der neue Firmenbesitzer ließ direkt neben dem Firmensitz eine Villa erbauen und zog mit seiner Familie dort ein.
Die Gebäude stehen bis heute in Idar-Oberstein und in der alten Fabrik kann man bei einem Rundgang noch die Maschinen der Firma sehen und bekommt interessante Einblicke in die Arbeitsabläufe.
Wie ging es mit der Firma Bengel weiter?
1914 erweiterte die Firma ihre Produktion und stellte Modeschmuck her. In den 1920er und 1930er Jahren entwickelten sie sich zu einem der führenden Hersteller von Schmuck im Stil des Art déco. An Stelle von Schmucksteinen verwendete man dabei den Kunststoff Galalith und stellte daraus Schmuckelemente her. Galalith ist ein Stoff, der aus Milch hergestellt wird (auch Milchstein genannt). Das Material kann gefärbt, gebohrt, gefräst, geschliffen und auch poliert werden und bot so in der Schmuckproduktion neue Gestaltungsmöglichkeiten an.
Etwa 1939 verbot die damalige Regierung die Verwendung des Kunststoffes in der Schmuckproduktion, er wurde für die Rüstungsindustrie benötigt. Um nicht, wie so viele andere Betriebe, in der Rüstungsindustrie arbeiten zu müssen, entschied die Geschäftsführung die Produktion umzustellen und nun Mütterverdienstkreuze herzustellen. So konnte die Firma die Mitarbeiter weiter beschäftigen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte in der Modeschmuckverarbeitung das Eloxalzeitalter (elektrolytisch oxydiertes Aluminium) ein. Es handelt es sich um Produkte aus Aluminium, die im Bearbeitungsprozess in Eloxalbädern getaucht und so veredelt werden. Das Material kann man in beliebig gewünschten Farben produzieren. In Oberstein boomte die Modeschmuckproduktion und die Firma Bengel gehörte zu den führenden Produzenten der Region.
Das Ende der Modeschmuckproduktion
1978 führte bereits die 4. Generation die Ketten- und Metallwarenfabrik Jakob Bengel. Die Herstellung der unechten Bijouterie hatte man ins Ausland verlagert. Dort konnte die Firma kostengünstiger produzieren. In Oberstein wurden weiter Modeketten hergestellt.
1993 brach der Markt ein. Immer mehr Firmen schlossen und auch die Firma Bengel produzierte kaum noch. Als 1995 das Nahehochwasser die Produktionsanlagen überschwemmte war das das Ende der Produktion.
Mit der Gründung der Jakob Bengel-Stiftung gelang es, die Gebäudeinfrastruktur, die Maschinen, Werkzeuge, Muster sowie die historische Einrichtung zu erhalten. Heute ist die Besichtigung des Fabrikgebäudes mit einer Führung möglich. Dabei wird die Arbeit an verschiedene Maschinen demonstriert und so die Produktion von Ketten und Modeschmuck erklärt.
Herstellung von Ketten
Unser Rundgang im Industriedenkmal Jakob Bengel beginnt im Kettenmaschinensaal, der seit 1932 die Produktionsfläche mit einem Anbau vergrößerte. Hier stehen etwa 50 Maschinen, die während der Produktion von nur drei Arbeitern bedient worden sind. Diese Maschinen entwickelte Jakob Bengel in Zusammenarbeit mit einem Berliner Nähmaschinenhersteller. Es gab bis zu diesem Zeitpunkt keine Maschine auf dem Markt, die seinen Bedürfnissen entsprach und Ketten herstellen konnte.
Eine der Maschinen haben wir uns etwas genauer angesehen und konnten so den Prozess der maschinellen Kettenherstellung beobachten. Als die Maschine lief, war mein erster Gedanke – was muss das für ein Lärm gewesen sein, als 50 Maschinen gleichzeitig arbeiteten. Schon eine Maschine ist so laut, dass man sich nur schwer verständigen kann.
Eigentlich ein recht einfacher Prozess, bei dem ein spiralförmig gebogener Draht an der Windung abgeschnitten, dann etwas verdreht und in ein Kettenglied eingehängt wird. Nachdem das nun neue Kettenglied verschlossen ist, beginnt der Prozess von vorne. Mich beeindruckt es ungemein, wie dieser Prozess maschinell umgesetzt wurde, was für eine Erfindung!
Wie der Modeschmuck entstand
Bei unserem Rundgang durch das Industriedenkmal Jakob Bengel erfahren wir auch, wie hier Modeschmuck hergestellt worden ist.
Zunächst stellte der Stahlgraveur mit Hammer und Meißel ein Muster des Schmuckstücks her. Dieses hat man dann zu einen Negativabdruck („Gesenk“) verarbeitet. In der Fabrik gibt es noch unzählige dieser Negativabdrücke, die heute einen hervorragenden Einblick in die Muster und Designs der damaligen Zeit bieten.
Mit Hilfe des Gesenks haben die Arbeiter das Material in einer riesigen Maschine mit enormen Gewichten geprägt. An einer weiteren Station erfolgte dann die Feinarbeit, bis das Schmuckstück fertig gestellt war.
Wir konnten den Prozess vor Ort sehr gut bei der Prägung des „Bengel“, einer Erinnerungsmünze, die man im Museumsshop erwerben kann, verfolgen.
Sehr spannend fand ich auch die Ziseliermaschine. Ziselieren ist eine bestimmte Form der Metallbearbeitung, bei der Linien und reliefplastische Formen entstehen. Mit Hilfe der Maschine im Industriedenkmal Jakob Bengel und nach einer weiteren gekonnten Biegung des Drahts war ein wunderschöner Armreif entstanden.
Museumsshop
Nach dem eindrucksvollen Rundgang kann der Besucher im Museumsshop Schmuckstücke im Originaldesign der Firma Jakob Bengel erwerben. Diese werden nach Vorlagen aus den Musterbüchern der Firma und mit den gerade besichtigten Werkzeugen gefertigt. Die Schmuckstücke gibt es in einer limitierten Auflage mit einem Zertifikat der Jakob Bengel Stiftung zu kaufen.
Adresse:
Wilhelmstraße 42a
55743 Idar-Oberstein
Öffnungszeiten:
15. März – 15. November
Dienstag – Sonntag: 10– 17 Uhr
16. November – 14. März
Sonderöffnung und Führung sind auf Anfrage möglich.
geschlossen:
23. Dezember – 02. Januar, Faschingsdienstag
Führungen:
Der Besuch der historischen Fabrik ist nur im Rahmen einer etwa einstündigen Führung möglich.
Eintrittspreise:
Erwachsene: 9,-€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Der Besuch im Industriedenkmal Jakob Bengel fand im Rahmen einer Pressereise in das EdelSteinLand statt.
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