Genau diese Frage stellte ich mir, als ich davon hörte, dass wir eine Dhow Factory im Oman besuchen wollten.
Die erste Verwirrung beginnt für mich schon mit dem Namen. Ist es Dau oder Dhau? Im englischen heißt es auf jeden Fall Dhow. Welchen Artikel verwendet man – der, die oder das?
Ja und was ist es nun?
Dhows sind traditionelle arabische Holzschiffe, die seit Jahrhunderten auf den Gewässern des Persischen Golfs, des Roten Meers und des Indischen Ozeans verkehren. Sie wurden und werden vor allem für Fischfang, Handel und Perlentauchen eingesetzt.
Es wird damit nicht ein einzelner Schiffstyp bezeichnet, sondern eine Gruppe von etwa 60 verschiedenen Schiffstypen, die natürlich alle auch einen eigenen Namen haben. Es gibt es in verschiedenen Schiffsgrößen, die von kleinen einmastigen Schiffen bis zu großen Transportschiffen reichen. Je nach Schiffsgröße hat ein Dhow ein- bis drei Masten und große trapezförmige Segel.
Typische Merkmale von Dhows
Dhows zeichnen sich durch folgende charakteristische Merkmale aus:
- Holzbauweise: Sie werden traditionell aus Holz gebaut, meistens aus Teakholz oder Akazienholzstämmen.
- Charakteristischer gekurvter Rumpf: Dhows haben einen typischen gebogenen Rumpf ohne Kiel.
- Großes Trennsegel: Das große Trennsegel ist das Hauptantriebsmittel.
- Verzierungen: Die Schiffe sind oft kunstvoll mit Schnitzereien und Bemalung verziert. Jedes Schiff ist individuell gestaltet und ist somit einmalig.
Herkunft und Geschichte
Die Ursprünge der Dhows reichen bis in die Antike zurück. Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. befuhren die alten Sumerer Schiffe ähnlichen Bautyps im Persischen Golf. Im 1. Jahrtausend v. Chr. entwickelten die Phönizier, gefolgt von den Griechen und Römern, Hochseeschiffe für den Indischen Ozean, die den heutigen Dhows ähnelten. Mit der Ausbreitung des Islams ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. gewannen die arabischen Dhows für Handel und Reisetätigkeiten an Bedeutung. Städte wie Basra, Siraf und Sohar wurden zu wichtigen Knotenpunkten der Seefahrt. Die Dhow-Tradition festigte sich entlang der Handelsrouten von Ostafrika über den Persischen Golf bis nach Indien, Südostasien und China.
Der Oman als Zentrum des Dhow-Baus
Der Oman nahm dabei eine herausragende Stellung ein. Die Stadt Sur entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Zentren des Dhow-Schiffbaus. Die omanischen Schiffbauer perfektionierten den Bau der frachttragenden Baggalas und der schnellen Ghanjah-Dhows für Krieg und Handel. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebte der Dhow-Handel im Oman unter den Herrschern der Al Bu Said-Dynastie seine Blütezeit. Die Omanis kontrollierten Teile des Seehandels im Indischen Ozean und errichteten Handelsniederlassungen von Ostafrika bis nach Indien.
Niedergang und Wiederbelebung
Mit der Einführung von Dampfschiffen und Industrieschiffen im 19. Jahrhundert verloren Dhows zunehmend an Bedeutung für den Überseehandel. Doch im Oman hielt man an der traditionellen Bauweise fest. In den 1970ern erlebte der Dhow-Bau eine Renaissance, als die Regierung Programme zur Erhaltung dieses maritimen Kulturerbes auflegte. Bis heute werden in Sur Dhows in reiner Handwerkskunst gebaut. Der Oman ist einer der letzten Orte weltweit, an dem diese jahrtausendealte Schiffbautradition noch gepflegt wird.
Dhow Factory in Sur
In Sur halten wir vor einem unscheinbaren Gebäudekomplex. Hinter dem Tor befindet sich die letzte Dhow Werft im Oman. Es handelt sich um eine private Werft.
Hier werden die traditionellen Holzboote noch so gebaut, wie es früher üblich war. Die alten Arbeitsmethoden sind von Generation zu Generation weiter gegeben worden und haben sich trotz moderner Werkzeuge kaum verändert. Heute nutzt man zwar modernere Sägen, um die Bretter zuzusägen. Aber zum Beispiel die Verbindungen der einzelnen Bretter erfolgt noch immer ohne Metallnägel. Einfach ist das nicht. Die Teak- oder Akazienholzstämme aus Indien, die man zum Bau verwendet, sind nicht einfach zu bearbeiten. Dafür ist das Holz sehr stabil und verspricht bei sachgerechter Handhabung eine lange Lebensdauer für die Schiffe.
Wer die Dhow Factory im Oman besucht, kann dabei zusehen, wie langsam, Stück für Stück ein neues Schiff entsteht. Auf großen Holzgerüsten stehen bei unserem Besuch zwei Schiffsrohbauten. Den Ausgangspunkt für den Rumpf bildet das kräftige Kielholz, um das herum die Schiffsbauer die Beplankung horizontal ausgerichten. In winzigen Schritten nehmen die geschnittenen Schiffsplanken allmählich die charakteristische gekurvte Form einer Dhow an. Je nach Schiffsgröße kann dieser Arbeitsschritt 3 bis 6 Monate dauern.
Ist der Rumpf fertig gestellt, folgt die Gestaltung des Inneren. Heute stattet man die Dhow natürlich nicht mehr im traditionellen Stil aus. Die Auftraggeber zahlen bis zu 400.000 Euro für ein Schiff und erwarten dafür moderne Annehmlichkeiten wie luxuriöse Kabinen mit Klimaanlage und leistungsstarke Motoren. Die Schiffe werden nach der Fertigstellung häufig für touristische Zwecke, wie zum Beispiel Segeltörns eingesetzt.
Noch immer wird von den Käufern aber Wert auf die traditionellen Schnitzereien gelegt, die das Schiff unverwechselbar machen.
Museum
Es gibt auf dem Gelände auch ein kleines Museum zu entdecken. Als wir durch die Tür in den Raum treten bin ich sehr überrascht. Hier steht ein Dhow mitten im Raum und man darf sogar an Bord steigen. Ich bin begeistert. So kann ich mir den Schiffstypen in Ruhe angucken und sogar einen Blick in eine Art traditionell ausgestattete Kajüte werfen. An diesem Dhow entdecke ich dann auch die kunstvollen Schnitzereien, die die Schiffe so einmalig machen.
Rund um das Schiff befinden sich Ausstellungstafeln und Ausstellungskästen. Hier werden zum Beispiel Handwerksgeräte gezeigt, die für den Bau eines Dhows benötigt werden. Es gibt Informationen über den Schiffstypen und die Verbreitung, Knotenkunde,… halt alles rund um die Geschichte und Entstehung der Dhows.
Der Ausstellungsraum ist modern und die Exponate werden sehr gut präsentiert. Ich fand es sehr spannend und finde, dass es der krönende Abschluss des Besuches war.
Besucherinformationen
Adresse:
Dhow Factory
Sur, Oman
Öffnungszeiten
täglich 8-17.30 Uhr
Eintrittspreise
2-3,5 Rial
Der Besuch in der Dhow Factoty war ein Programmpunkt während der Fahrt mit Zahara Tours.
Schreibe einen Kommentar