Auf Usedom gibt es einen Ort, an dem Wissenschaftler vor fast 80 Jahren an Technologien gearbeitet haben, die die Welt für immer veränderten. Bei einem Besuch im Historisch-Technischen Museum Peenemünde steht man genau an dem Ort, am dem die Geschichte der modernen Raumfahrttechnik entscheidend mitgestaltet worden ist.
Blick in das Jahr 1936
Im Jahr 1936, in der Zeit der Nationalsozialisten, gründen die Machthaber die Heeresversuchsanstalt Peenemünde (HVP) auf Usedom. Sie war eine Entwicklungs- und Versuchsstelle des Heeres, die sich auf die Erforschung und Entwicklung der Rüstungs- und Raketentechnik spezialisierte. Der Standort Peenemünde wurde aufgrund seiner Abgeschiedenheit und Nähe zur Ostsee gewählt, was ideale Bedingungen für Tests bot.
Die damalige Anlage umfasste ein riesiges Areal von etwa 25 km² und wurde zum größten Rüstungszentrum Europas. Bis zu 12.000 Menschen arbeiteten gleichzeitig an der Entwicklung von Raketen und anderen Waffensystemen. Die Leitung der Raketenentwicklung lag bei Wernher von Braun. Das militärische Kommando leitete Walter Dornberger.
1940-1944 erste Raketentests
Am 3. Oktober 1942 gelang in Peenemünde der erste erfolgreiche Testflug der Rakete „Aggregat 4“ (A4), die später als „V2“ bekannt wurde. Dies war die erste Rakete, die den Weltraum erreichte, und ein Meilenstein in der Raketentechnologie.
Neben der V2 wurde auch die „V1“ (Fieseler Fi 103), ein Marschflugkörper, entwickelt. Beide Raketen wurden später von den Nationalsozialisten als „Vergeltungswaffen“ eingesetzt, um Angriffe auf Großbritannien und andere Ziele durchzuführen.
Angriff und Zerstörung (1943–1945)
Am 17. August 1943 führte die britische Royal Air Force einen massiven Luftangriff auf Peenemünde durch (Operation Hydra). Ziel war es, die Raketenproduktion zu stören und die Entwicklung der V-Waffen zu verlangsamen. Der Angriff verursachte erhebliche Schäden und forderte zahlreiche Menschenleben, darunter auch Zwangsarbeiter, die unter unmenschlichen Bedingungen in der Produktion eingesetzt wurden.
Nach dem Angriff wurde ein Großteil der Produktion in unterirdische Anlagen, wie das KZ Mittelbau-Dora bei Nordhausen, verlagert, um sie vor weiteren Bombardierungen zu schützen.
Kriegsende und Nachkriegszeit (1945 und danach)
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Peenemünde von der Roten Armee besetzt. Die sowjetischen Truppen sicherten die verbliebenen technischen Unterlagen und Raketenprototypen.
Viele deutsche Wissenschaftler, darunter Wernher von Braun, wurden jedoch von den Amerikanern im Rahmen der Operation Paperclip in die USA gebracht, wo sie später an der Entwicklung der Raumfahrt arbeiteten.
In der Nachkriegszeit blieb Peenemünde ein Ort von großem Interesse. Während der deutschen Teilung war es eines der größten Rätsel, da unklar war, ob dort weiterhin militärische Forschung betrieben wurde.
Warum man dieses Museum besuchen sollten
Das Historisch-Technische Museum ist einer der spannendsten Orte an der Ostsee, wo man Technikgeschichte hautnah erleben kann. Uns hat aber nicht nur die Technikgeschichte, sondern auch die Geschichte der Menschen und der Region interessiert. Peenemünde ist nicht nur ein Ort, der von Innovation und technischem Fortschritt erzählt. Das Historisch-Technischen Museum Peenemünde regt auch zum Nachdenken an: Die V2-Rakete wurde im Krieg eingesetzt, und ihr Bau ging mit dem Leid vieler Zwangsarbeiter einher. Das Museum schafft es, diese schwierigen Aspekte der Geschichte sensibel zu beleuchten, während es gleichzeitig den Blick in die Zukunft öffnet.
Das Gelände des Historisch-Technischen Museums Peenemünde ist groß und gliedert sich in verschiedene Bereiche. Der Außenbereich zeigt zum Beispiel eine Rakete und auch eine Raketenabschußrampe. Da es recht kalt war, zog es uns allerdings eher in die Gebäude.
Im Alten Kraftwerk besteht die Möglichkeit die ehemaligen Maschinenanlagen zu entdecken. Riesige Schaltpulte mit Knöpfen und Hebeln schienen zu sagen „drück mich, erwecke mich zum Leben“. Ich hätte schon gerne gewußt, wie die Maschinen geklungen haben…
Nicht verpassen sollte man die Fahrt mit dem gläsernen Aufzug. Dieser führt auf das Dach des Alten Kraftwerks. Der Besuch der Aussichtsplattform kostet pro Person 1,-€. Am besten kauft man sein Ticket gleich mit der Eintrittskarte. Es gibt aber auch einen Automaten direkt am Fahrstuhl, falls man spontan den Besuch unternehmen möchte.
Für uns hat sich der Besuch auf der Aussichtsplattform gelohnt. Die Sonne kam zufällig gerade kurz zwischen den Wolken hervor und ließ das Wasser im angrenzenden Hafen glitzern. Von dort oben kann man das Museumsschiff und das Museums U-Boot entdecken. Im Hafen fahren auch in der wärmeren Saison die Ausflugsschiffe ab.
Dauerausstellung
Die Ausstellung zur Geschichte des Ortes befindet sich in einen Nebengebäude, dessen Raumaufteilung eher an Verwaltungs- und Laborräume erinnert. Die Dauerausstellung erstreckt sich über zwei Etagen, im der obersten Etage befand sich bei unserem Besuch eine temporäre Ausstellung. Diese zeigte unter anderem Fotos von Orten auf Usedom, an denen noch heute die Vergangenheit sichtbar wird. Es ist schon erstaunlich, wie viele Bunkeranlagen oder Überreste von Gebäuden zwischen den Bäumen versteckt verfallen.
Die Dauerausstellung erlebte ich sehr zwiegespalten. Wenn ich die rein technische Leistung betrachte, ist es wirklich herausragend, was hier geschaffen worden ist. Peenemünde war der Ort, an dem die Vision vom Menschen im All geboren wurde. Die Rakete, die hier in Peenemünde entwickelt wurde, war die erste Rakete, die den Weltraum erreichte. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von über 5.000 km/h und einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern galt sie als technologische Sensation. Ohne die Entwicklungen in Peenemünde wären die späteren Erfolge der NASA oder der sowjetischen Raumfahrtprogramme kaum denkbar gewesen.
Hier entstand die Zukunftsvision der Raumfahrt. Das kann man auch hervorragend an einigen Exponaten erkennen. Wir haben zum Beispiel einen Comic entdeckt, der die damaligen Zukunftsvisionen zeigt. Davon ist heute nicht alles mehr Zukunftsvision!
Aber leider hat die Technik auch Folgen, die mich während des Rundganges immer wieder einholen. Hier entstanden ja nicht „nur“ Maschinen, die später die Raumfahrt entstehen ließen, sondern auch Maschinen, die im Krieg verwendet wurden und die Grundlage der heutigen Waffentechnik bilden. Das Thema Zwangsarbeit und die Folgen für die Menschen, ohne die die Arbeit damals nicht möglich gewesen wäre, wird in der Ausstellung auch aufgegriffen. Zum Glück betrachtet die Ausstellung auch dieses Thema kritisch.
Auch wenn ich mit einem kleinen Gefühlschaos das Historisch-Technischen Museum Peenemünde verlasse – diese Ausstellung sollte man gesehen haben.
Besucherinformationen
Adresse
Im Kraftwerk
17449 Peenemünde
Anfahrstmöglichkeiten
mit dem Auto
Das Museum ist gut mit dem Auto erreichbar. Es stehen kostenpflichtige Parkmöglichkeiten in der Nähe des Museums zur Verfügung.
mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Der nächstgelegene Bahnhof ist der Bahnhof Peenemünde. Von dort aus können Sie zu Fuß zum Museum gehen.
mit dem Fahrrad
Es gibt Radwege, die zu dem Museum führen.
Öffnungszeiten
Montag – Sonntag: 10 – 18 Uhr
Eintrittspreise
Erwachsene: 12,- €
Besuch der Aussichtsplattform: 1,-€
Barrierefreiheit
Das Museum ist barrierefrei gestaltet, sodass auch Besucher mit eingeschränkter Mobilität die Ausstellungen problemlos besuchen können. Es gibt entsprechende Zugänge und Einrichtungen, die den Besuch für alle Gäste angenehm gestalten.
Gut zu wissen
Das Historisch-Technische Museum Peenemünde ist ein historisches und technologisches Museum, das sich der Geschichte des Peenemünder Heeresversuchsanstalt und des Luftwaffenerprobungsherstellers “Peenemünde-West” widmet. Es konzentriert sich auf die Entwicklung von Raketen und Flugkörpern zwischen 1936 und 1945 .
Peenemünde spielte während des Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle als Standort des Peenemünder Heeresversuchsanstalt. Hier wurde die V-2-Rakete entwickelt, die erste Langstrecken-Lenkwaffe der Welt.
In Peenemünde hat man bahnbrechende Raketentechnologien entwickelt, insbesondere die V-2-Rakete. Zudem wurden hier die V-1 Flugbombe und andere fortschrittliche Militärtechnologien erforscht.
Ja, das Historisch-Technische Museum Peenemünde bietet geführte Touren an. Diese Touren ermöglichen es den Besuchern, die Denkmallandschaft und die historischen Stätten in Peenemünde näher kennenzulernen.
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