Wer kennt ihn nicht – den Strandkorb. Kaum ein Urlauber an Ost- oder Nordsee hat nicht schon einmal in einem Strandkorb gesessen und er gehört einfach zum Bild der deutschen Küstenlandschaften dazu.
Doch wie kam es zur Erfindung dieses einzigartigen Möbelstücks? Dieser Frage sind wir bei einem Besuch der Strandkorbfabrik in Heringsdorf nachgegangen. Und natürlich haben wir auch einen Blick in die Produktion geworfen.
Die Entstehung des Strandkorbs – Eine Erfolgsgeschichte aus Deutschland
Die Geschichte des Strandkorbs beginnt im 19. Jahrhundert und ist eng mit der Entwicklung des Küstentourismus in Deutschland verknüpft.
Der erste Strandkorb wurde auf sehr praktische Weise geboren: Eine ältere Dame namens Elisabeth von Maltzahn, die an Rheuma litt, wollte die frische Seeluft am Strand genießen und suchte Schutz vor Wind und Sonne. Sie wandte sich 1882 an Wilhelm Bartelmann, einen Korbmacher aus Rostock und bat ihn, ein Möbelstück zu entwickeln, das ihren Bedürfnissen entsprach. Bartelmann entwarf daraufhin einen einzelnen Sitzkorb aus Weidengeflecht, der sie schützen sollte. Dieses erste Modell war funktional und schlicht, legte jedoch den Grundstein für den Strandkorb, wie wir ihn heute kennen.
Zu dieser Zeit boomte der Tourismus an der Ostsee und der erste Strandkorb erregte schnell die Aufmerksamkeit anderer Urlauber. Bartelmann erkannte das Potenzial seiner Erfindung. Schon bald entwickelte er den ursprünglichen Einzelkorb weiter. Er passte ihn an die Bedürfnisse der breiteren Öffentlichkeit an. Es entstanden größere Modelle für zwei Personen, die zusätzlichen Komfort boten. Auch funktionale Ergänzungen wie ausklappbare Fußstützen, eine verstellbare Rückenlehne und Markisen zum Schutz vor Sonne wurden hinzugefügt. Bartelmanns Strandkörbe wurden zunächst aus Weide geflochten, später ergänzte man robustere Materialien wie Holz und Segeltuch, um die Konstruktion widerstandsfähiger gegen die rauen Küstenbedingungen zu machen.
Bartelmanns Erfindung verbreitete sich zunächst an den Stränden der Ostsee. Erst später fand der Strandkorb seinen Weg zu den Urlauber an der Nordsee.
Vermarktung
Elise Bartelmann, die Frau des Korbmachers, spielte eine entscheidende Rolle bei der Vermarktung und Kommerzialisierung der Strandkörbe. Sie eröffnete in Rostock eine Strandkorb-Vermietung, damit Urlauber den Korb nicht kaufen, sondern vor Ort mieten konnten. Diese Idee war ein voller Erfolg und trug dazu bei, den Strandkorb zu einem festen Bestandteil des Küstenurlaubs zu machen.
Im Laufe der Jahre wurde der Strandkorb zu einem Symbol des deutschen Küstentourismus. Besonders in der Nachkriegszeit, als der Tourismus im eigenen Land boomte, wurde der Strandkorb ein unverzichtbares Accessoire für den Urlaub an Nord- und Ostsee.
Besuch der Strandkorbfabrik Heringsdorf
Ein riesiger Strandkorb zeigt uns, dass wir am richtigen Ort angekommen sind. Die Strandkorbfabrik Heringsdorf befindet sich in einem kleinen Gewerbegebiet in der Nähe der Hauptstraße.
Die Strandkorbfabrik Heringsdorf auf der Ostseeinsel Usedom ist eine der traditionsreichsten und bekanntesten Strandkorbhersteller in Deutschland. Sie gilt als eine der ältesten Manufakturen ihrer Art und genießt aufgrund ihrer Handwerkskunst und ihrer individuellen Strandkörbe einen exzellenten Ruf.
Der Showroom ist vollgestellt mit den verschiedensten Strandkörben. Einige sind Ausstellungsmodelle, die zur Anschauung dienen und die man auch kaufen kann. Andere sind etwas älter und zeigen die Entwicklung des Strandkorbs. Sogar ein typischer DDR-Strandkorb ist zu sehen. Dieser bestand nicht aus geflochtenen Einzelteilen, sondern war mit Holzplatten verkleidet. Auch wenn der dadurch sehr kastig und aufgrund der geringen Polsterung sehr ungemütlich wirkt, mir gefällt er!
Auf Anfrage bietet die Strandkorbfabrik Heringsdorf donnerstags Führungen durch den Betrieb an. Diese beginnt im Showroom mit etwas Geschichte und geht dann in die angrenzenden Fertigungshallen.
Wie wird der Strandkorb heute hergestellt?
Der Grundaufbau des Strandkorbs ist seit seiner Erfindung im Jahr 1882 weitgehend unverändert geblieben. Verändert haben sich aber die Fertigungsmethoden und das Material.
Welche Materialien wird verwendet?
Für die Herstellung eines Strandkorbs werden verschiedene Materialien verwendet, die auf Robustheit und Wetterbeständigkeit ausgelegt sind:
- Holz: Der Rahmen des Strandkorbs besteht in der Regel aus imprägniertem Holz, das gegen Feuchtigkeit und Witterungseinflüsse geschützt ist. Es werden zum Beispiel Kiefernhölzer tauchlasiert mit offenporiger Nussbaum-, Pinien- oder Teak-Lasur und Teakholz verwendet.
- Geflecht: Das charakteristische Korbgeflecht wird heute oft aus Kunststoff gefertigt, da es widerstandsfähiger gegen UV-Strahlung, Regen und Salzwasser ist als das ursprünglich verwendete Naturmaterial Weide. Es gibt PVC und PE-Geflechte.
- Stoffe: Für die Polsterung und die Markisen werden hochwertige, wetterfeste Stoffe eingesetzt. Diese sind wasserabweisend, UV-beständig und leicht zu reinigen.
- Metallteile: Schrauben, Beschläge und andere Metallkomponenten werden verzinkt oder aus Edelstahl gefertigt, um Korrosion durch salzhaltige Luft zu verhindern.
- Zusatzelemente: Terrassenrollen, Liegestellung, Drehkranz, verstellbare Fußstützen, Tische, verschiedene Kissen, Seitentaschen in der Strandkorbhaube, Sektkühler, Getränkehalter, Schutzgitter, Abdeckplane
Produktion eines Strandkorbes
Die Produktion eines Strandkorbs erfolgt in Handarbeit. Fachkräfte der verschiedenen Gewerke arbeiten dabei Hand in Hand.
Holzbearbeitung
Der Prozess beginnt in der Holzwerkstatt mit dem Rahmenbau. Die Einzelteile für den Holzrahmen werden zugeschnitten, geschliffen und imprägniert. Das Holz soll wetterfest werden. Die einzelnen Holzteile werden dann zu Einzelteilen zusammengeschraubt. Diese Teile werden später zu dem fertigen Strandkorb zusammengesetzt. Der erste Schritt dauert in der Regel etwa zwei Tage.
Flechten
Im nächsten Fertigungsschritt arbeiten die Korbflechter (heute heißt der Beruf Flechtwerkgestalter) an dem Geflecht des Strandkorbes. Was ich nicht wusste: Seit 2016 steht das Korbflechten als Immaterielles Kulturerbe auf der UNESCO Welterbeliste.
In der Strandkorbfabrik Heringsdorf wird das Geflecht von Hand auf dem Rahmen aufgebracht. Dabei wird das Kunststoffgeflecht in präziser Handarbeit verflochten, um die typische Optik des Strandkorbs zu erzeugen. Dies ist ein zeitintensiver Prozess, der je nach Erfahrung des Handwerkers zwei bis drei Tage oder länger dauern kann.
Das Flechten durfte ich auch ausprobieren. Zum Glück nicht an einem so komplizierten Teil, sondern nur an einem geraden Seitenteil. Das Kunststoffmaterial ist erstaunlich hart und ich finde auch wenig flexibel. Die Korbmacherin hatte ein recht langes Stück Flechtmaterial abgeschnitten und bereits einige Reihen an den Seitenteil gearbeitet. Nachdem sie eine Reihe fertig gestellt und die etwas komplizierte Materialdrehung für die Rückrunde um das Rahmenstück gelegt hatte, durfte ich beginnen. Ein bißchen kam ich mir vor wie im Werkunterricht in der Schule, als ich eine Korblampe geflochten habe. Hoch – runter – hoch – runter … wenn man hier nicht arbeiten würde, sondern für sich alleine flechtet, ist es wunderbar meditativ. Früher mussten die Korbmacher noch im Akkord arbeiten, da kam bestimmt keine meditative Stimmung auf. Das ist heute zum Glück nicht mehr so, obwohl ich das Tempo sehr beachtlich fand.
Schneiderei
Bevor die Einzelteile zusammengesetzt werden beginnt die Arbeit der Schneider und Polsterer. Die Sitz- und Rückenpolster sowie die Markisen fertigt man aus wetterfesten Stoffen an. Diese werden passgenau zugeschnitten und auf den Strandkorb montiert. Die Farbauswahl hat häufig zuvor der Kunde getroffen. Oft personalisieren Firmen ihre Strandkörbe mit speziellen Werbeaufdrucken. Privatkäufer wählen die Farben eher nach Standort und Geschmack aus. Dieser Fertigungsschritt dauert etwa einen Tag.
Endfertigung
Nun können die Einzelteile zu einem Strandkorb zusammengesetzt werden. Moderne Strandkörbe verfügen über zahlreiche Komfortmerkmale wie ausziehbare Fußstützen, verstellbare Rückenlehnen und kleine Klapptische. Diese werden in den letzten Produktionsschritten angebracht. Dieser Schritt kann einen halben bis ganzen Tag in Anspruch nehmen.
Natürlich wird jeder Strandkorb vor der Auslieferung sorgfältig geprüft, um sicherzustellen, dass er den hohen Qualitätsstandards entspricht. Dann steht er im Lager und wartet auf seine Auslieferung.
Zusätzlicher Service
Im Laufe der Nutzungsjahre können an einem Strandkorb natürlich Abnutzungserscheinungen auftreten. In der Strandkorbfabrik Heringsdorf besteht deshalb die Möglichkeit der Aufarbeitung und Reparatur.
Es gibt auch Strandkorbbesitzer, die ihre Standkörbe im Winter in den Lagerräumen einlagern. Sie können dann zum Beispiel die Reinigung des Geflechts und kleinere Ausbesserungsarbeiten in Auftrag geben.
Was für Strandkörbe gibt es?
Zu den Standard-Strandkörben gehören die Ein- und Zweisitzer, Zweisitzer Xl, Zweisitzer XXL, Dreisitzer. Ein Highlight der Strandkorbfabrik Heringsdorf ist die Möglichkeit, maßgeschneiderte Strandkörbe nach den individuellen Wünschen der Kunden anfertigen zu lassen. Kunden können aus einer Vielzahl von Designs, Materialien und Farben wählen, um ihren ganz persönlichen Traum-Strandkorb zu gestalten. Von exklusiven Stoffmustern bis hin zu besonderen Holzarten – hier wird jeder Wunsch berücksichtigt.
Es werden auch Ostsee- und Nordsee-Strandkörbe gefertigt. Was bei mir die Frage aufwarf – da gibt es Unterschiede???? Zum Glück hat man mir der Unterschied gut erklärt.
Unterschiede zwischen dem Ostsee-Strandkorb und dem Nordsee-Strandkorb
An der Ostsee und der Nordsee gibt es Unterschiede in Design und Funktionalität der Strandkörbe. Diese sind auf die jeweiligen geografischen und klimatischen Eigenheiten der Regionen zurückzuführen.
Ostsee-Strandkorb:
- Der Ostsee-Strandkorb hat eine rundlichere und geschwungene Form, die als eleganter und weicher wahrgenommen wird.
- Die geschwungenen Linien verleihen ihm ein harmonisches Aussehen, das gut zur oft ruhigeren Landschaft der Ostsee passt.
- Höhe ca. 160 cm
- Nur als Halblieger möglich.
- Viele Modelle haben zusätzliche Features wie abklappbare Sonnenmarkisen, die den Komfort für Sonnenanbeter erhöhen.
- Ostsee-Strandkörbe werden überwiegend an ruhigen und familienfreundlichen Stränden eingesetzt.
- Sie sind oft in bunten Farben gestaltet, die zur fröhlichen, entspannten Atmosphäre der Ostsee beitragen.
Nordsee-Strandkorb:
- Der Nordsee-Strandkorb hat eine kantigere und geradlinigere Form.
- Höhe ca. 155 cm, als Halblieger (Wangerooge) oder Ganzlieger (Juist oder Sylt XL) erhältlich
- Diese Konstruktion ist robuster und wirkt weniger verspielt. Die Form ist darauf ausgelegt, auch bei stürmischen Böen standzuhalten.
- Der Nordsee-Strandkorb ist für Wind- und Wetterschutz optimiert. Aufgrund des rauen Klimas an der Nordsee bietet er oft stabilere Materialien und eine widerstandsfähigere Bauweise.
- Sie sind häufig in eher natürlichen Farben gehalten, die mit der rauen Landschaft harmonieren.
Adresse:
Fertigung und kleiner Showroom
Waldbühnenweg 3,
17424 Seebad Heringsdorf
Tel: +49 38378-805535 für die Anmeldung zur Führung
Verkauf und Ausstellung
Brunnenstraße 10
17424 Seebad Heringsdorf
Öffnungszeiten:
Montag – Freitag: 10 – 15 Uhr
Der Besuch fand im Rahmen einer Pressereise mit Usedom Tourismus statt.
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