Die Zittauer Fastentücher gehören zu den bekanntesten kirchlichen Kulturschätzen der Oberlausitz. Man kann sie sich im Kulturhistorischen Museum und der Kreuzkirche der Stadt Zittau anschauen.
Ich konnte bis zu meinem Besuch in Zittau mit dem Begriff Fastentuch nicht wirklich etwas verbinden. Bei meiner Recherche vorab fand ich eine recht verständliche Erklärung des Begriffs.
Was ist ein Fastentuch?
Das Fastentuch ist auch unter den Begriffen Hungertuch, Palmtuch oder Passionstuch bekannt. In katholischen und evangelischen Kirchen verhüllt es während der Fastenzeit die bildliche Darstellung Jesu. Meistens ist das Tuch so groß, dass das Kruzifix verhüllt ist. Es gibt aber auch Fastentücher, die so groß sind, dass sie den Chorraum verhängen.
So wird die Gemeinde optisch vom Altar getrennt, bekommt aber akustisch noch die Liturgie mit. Es soll so neben der körperliche Buße während der Fastenzeit auch ein geistlicher Verzicht folgen.
Besuch im Kulturhistorische Museum in Zittau
Das Kulturhistorische Museum befindet sich in einem ehemaligen Franziskanerkloster. Mit dem Tod des letzten Mönches endete auch die Zeit des Klosters. Anschließend nutzte man das Gebäude als Bibliothek und Armenhaus für Witwen.
1709 zog die Kunst- und Wunderkammer der Zittauer Ratsbibliothek dafür einen eigenen repräsentativen Ausstellungssaal im so genannten Heffterbau am ehemaligen Franziskanerkloster.
Wunderkammer
Über eine Treppe gelangt man in die sogenannte Wunderkammer des Museums. Diese ging aus der ersten öffentlichen Bücher- und Raritätensammlung der Oberlausitz hervor.
1564 legte die Schenkung einer zylindrischen Säulchensonnenuhr den Grundstein für die recht umfangreiche Sammlung. Fortan fanden wissenschaftliche Instrumente, Kunstwerke, Naturalien und Kuriositäten ihren Weg in die Sammlung. Heute umfasst die Sammlung über 40.000 Objekte.
Für heutige Betrachter wird das ein oder andere Ausstellungsstück nicht den Stellenwert und das „Wundersame“ mehr haben, wie es früher empfunden worden ist. Mir gefällt es aber durch den wunderschönen Raum zu streifen und die Exponate zu betrachten.
Ein kleiner Tipp: Einen Blick zur Raumdecke darf man auf keinen Fall verpassen. In jeder Ecke ist das Bild einer der vier Wissenschaften abgebildet. Die Mitte zeigt ein Bild, wie die Büchse der Pandora geöffnet wird.
Zurück im Erdgeschoss gelangt man in die Klosterkirche.
Epitaphienschatz
In der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters kann man heute eine beeindruckende Ausstellung verschiedener Epitaphien sehen.
Ein Epitaph ist eine Gedenktafel. Diese gedenkt einem Verstorbenen oder auch einer Familie und wurde in Kirchen aufgehängt. Meistens findet man sie an Wänden oder Pfeilern in der Kirche. Dafür wählte man zumeist an einem Ort aus, an dem die Nachwelt sich des Verstorbenen erinnern soll. Diese Platten sind künstlerisch ausgestaltet, oft neben Schriften auch mit Bildern versehen. Sie drücken den Wunsch nach dem Tod in Gottes Reich zu gelangen und eines Tages wieder aufzuerstehen aus.
In Zittau kann man viele gut restaurierte Epitaphien sehen. Vom 16.- 18. Jahrhundert ließen nicht nur reiche Kaufleute, sondern auch einfache Handwerker diese Gedenktafeln fertigen und in den Zittauer Kirchen aufhängen. Es sollen fast 160 Epitaphien in den verschiedensten Größen und Ausarbeitungen existiert haben. Etwa 80 davon sind in unterschiedlichem Zustand erhalten und in der Klosterkirchen und in der Kreuzkirche ausgestellt.
Kleines Zittauer Fastentuch im Kulturhistorische Museum in Zittau
Ich betreten einen leicht abgedunkelten Raum, in dem das Kleine Zittauer Fastentuch hängt. Das Leinentuch ist 3,40 Meter x 4,15 Meter groß und stammt aus dem Jahr 1573. Wer es gemalt hat, ist bis heute nicht bekannt. Man weiß aber, dass es sich um das einzige Fastentuch handelt, dass von einer evangelischen Gemeine in Auftrag gegeben wurde. Es gilt als Beleg für die tolerante Glaubensspaltung in der Oberlausitz. Das Kleine Fastentuch hat bis 1684 in der Fastenzeit den Hochaltar der Johanniskirche in Zwickau verhüllt.
Ich bin beeindruckt von dem Kleinen Fastentuch. Das Motiv zeigt die Kreuzigung Christi und ist mit vielen kleinen und großen Details wunderbar gestaltet. Ich kann gut verstehen, dass man hier viel Zeit verbringen kann, um die Details wirklich in Ruhe zu entdecken.
Um das Große Zittauer Fastentuch sehen zu können steht ein Standortwechsel an. Wenige Meter vom Museum entfernt befindet sich die Kirche zum Heiligen Kreuz von Zittau.
Kirche zum Heiligen Kreuz Zittau
Die Kirche zum Heiligen Kreuz in Zittau ist eine wunderschöne gotische Kirche. Sie soll der größte Einstützraum in Deutschland sein. Hier hängt das große Zittauer Fastentuch.
Durch einen Besuchereingang mit Kassenraum und Museumsshop betritt man das Gelände der Kirche. Der Weg führt zunächst über den Friedhof der Kirche und schon hier sollte man sich etwas Zeit nehmen, um die zum Teil wirklich außergewöhnlichen Grabmäler und Grüften zu betrachten. Ein Teil stammt aus dem 18. Jahrhundert und die künstlerische Ausgestaltung ist wirklich bemerkenswert.
Vom Friedhof aus betritt man die aus verputzten Bruchsteinen errichtete Kreuzkirche. Der Kirchenraum ist nahezu quadratisch und wird von einem Sterngewölbe abgeschlossen. Es verlaufen Emporen an drei Wänden, die zum Teil mit Epitaphien verdeckt sind.
Aber kaum ein Besucher wird in dieser, als Museum genutzten Kirche, auf die Architektur achten. Der Blick fällt automatisch auf das Große Zittauer Fastentuch. Dieses hängt hinter einer schützenden Glaswand vor dem Altarraum.
Großes Zittauer Fastentuch
Das Große Zittauer Fastentuch ist 1472 in Zittau gefertigt worden und ist mit etwa 56 m² (8,20 x 6,80 Meter) das einzige erhaltene Fastentuch des „Feldertyps“ in Deutschland. Es ist aus 6 senkrechten Bahnen zusammengenäht und soll das drittgrößte erhaltene Fastentuch sein.
Auf 90 Feldern in 10 Reihen kann man biblische Szenen von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht sehen. Aber dazu später mehr.
Der Gewürz- und Getreidehändler Jacob Gürtler stiftete das Zittauer Fastentuch und fast 200 Jahre trennte es in der Johanniskirche den Altarraum von der Gemeinde ab. Danach ist der Verbleib des Tuches für fast 100 Jahre ungeklärt.
1840 fand man es dann in der Zittauer Ratsbibliothek wieder. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs lagerte man es nach Oybin aus. 1945 nutzten sowjetische Soldaten das Tuch für einen Saunabau im Wald. Dort ließen sie es zurück und erst einige Jahre später fand man es stark beschädigt wieder. 1994/95 restaurierte man das Tuch und seit 1999 hängt es in der Kirche zum Heiligen Kreuz in einer Glasvitrine. Leider konnte die Restauration nicht alle Bilder wieder vollständig sichtbar machen, aber es ist schon erstaunlich, wie gut das Fastentuch erhalten ist.
Beschreibung des Fastentuchs
Die kleinen Bilder auf dem Zittauer Fastentuch werden von einem umlaufenden Rahmen mit Blättern, Blüten, Tieren und Wappen umgeben. Der Stifter (mit Waage, Ladentisch, Getreidesäcken) und 5 „biblische Schriftsteller“ sind zu sehen. In den Ecken befinden sich die Symbole der vier Evangelisten (Adler, Engel, Löwe, Stier). Oben in der Mitte steht Moses mit einem Schriftband.
Die kleinen Bilder sind chronologisch geordnet und man kann sie wie in einem Buch von links nach recht und von oben nach unten lesen:
Alte Testament:
- 5 Bilder zur Erschaffung der Welt
- 9 Bilder zum Thema erste Menschen
- 6 Bilder Noahs Arche und Babels Turm
- 7 Bilder Abraham und Isaak
- 5 Bilder Jakob und Esau
- 4 Bilder Josef, Jakobs Sohn
- 9 Bilder Mose und die Israeliten in der Wüste
Neue Testament:
- 5 Bilder zur Annen- und Marienlegende
- 9 Bilder Geburt und Kindheit Jesu
- 6 Bilder das Menschliche und Göttliche Leben Jesu
- 4 Bilder Jesu Einzug und Wirken in Jerusalem
- 8 Bilder Stationen des Leidensweges
- 6 Bilder Sterben und Tod Jesu
- 6 Bilder Auferstehung und Ausgießung des Heiligen Geistes
- 1 Bild Wiederkunft Christi und die Neue Welt
Jedes der Bilder sind mit einem mittelhochdeutschen Text versehen, der aus 45 Versen mit Endreim besteht. Sehr auffällig ist, dass in den Textzeilen viele Abkürzungen verwendet werden, die es recht schwer machen ihn zu lesen.
Die Bilder selber erzählen jedes eine Geschichte für sich. Aus künstlerischer Sicht betrachtet sind die Motive eher schlicht und einfach gehalten. Einige der Bilder beschreiben recht unbekannte Szenen und schaut man genauer hin, kann man sogar einige historische Details erkennen.
Kleines Suchspiel: Es gibt zwei Bilder, bei denen die chronologische Reihenfolge vertauscht sind. Zum Glück hat der Künstler es bemerkt und diese markiert. Viel Spaß beim Suchen!
Mich hat das Große Fastentuch sehr beeindruckt. Mal abgesehen von der Große und der Geschichte rund um das Tuch, fand ich die Bilder sehr berührend. Wenn man die Geschichten aus der Bibel mit diesen Bildern verknüpfen kann (was mir zugegebener Maßen bei nicht allen Bildern möglich ist), ist es fast wie ein Bilderbuch zu betrachten. Mir musste keiner das Bild erklären, die Bilder sprachen für sich.
Die Zittauer Fastentücher kann man bei einer Wanderung auf der Via Sacra besuchen. Zittau eignet sich ideal für einen Zwischenstopp.
Adresse Museum:
Klosterstraße 3,
02763 Zittau
Öffnungszeiten Museum
April bis Oktober: Montag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
November bis März: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
24.12. und 25.12. geschlossen
Öffnungszeiten Kirche
April bis Oktober: Montag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
November bis März: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
24.12. und 25.12. geschlossen
Eintrittspreise:
Großes Zittauer Fastentuch im Museum Kirche zum Hl. Kreuz, Kreuzfriedhof, Epitaphien
Erwachsene: 5,-€
Kleines Zittauer Fastentuch, Kulturhistorisches Museum Franziskanerkloster & Klosterkirche mit dem großen Zittauer Epitaphienschatz
Erwachsene: 5,-€
Kombikarte
Erwachsen: 8,-€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Offenlegung: Der Besuch in Zittau war Bestandteil einer Pressereise in die Oberlausitz. Der Beitrag hierzu ist unabhängig zur Reise entstanden und entspricht meiner Meinung.
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