Mächtig steht er da, der Felsen von Gibraltar – dass hier ein riesiges Tunnelsystem existiert, lässt sich auf den ersten Blick nicht vermuten. Die Tunnel von Gibraltar sind zum Teil bis heute ein gut gehütetes Geheimnis der Regierung.
Der Felsen von Gibraltar ist eine mächtige Klippe. Er besteht überwiegend aus Kalkstein, zeigt aber auch Einlagerungen aus Karbonat. Dieses Voraussetzungen waren ideal für den Tunnelbau. Dieser begann bereits vor über 200 Jahren und wurde hauptsächlich von der britischen Armee voran getrieben. Die spätere zusätzliche Verwendung von Zement ließen so ein stabiles System entstehen.
Im Laufe der Jahre sind etwa 55 Kilometer Tunnel entstanden. Wenn man bedenkt, dass nur 6,7 km² Fläche dafür existiert, muss das entstandene Tunnelsystem sehr verzweigt und in unterschiedlichen Höhen angelegt worden sein. Zum Vergleich dazu ist das Straßennetz von Gibraltar nur etwa halb so lang wie das Tunnelsystem von Gibraltar.
Die Geschichte der Tunnel beginnt Ende des 18.Jahrhunderts und noch bis 1968 entstanden ständig neue Gänge. Viele Bereiche sind bis heute gesperrt, aber Besuchern ist es heute möglich, zwei sehr unterschiedliche Bereiche zu besichtigen: Great Siege Tunnel und World War II Tunnel.
Beginn des Tunnelbaus 1782
Nachdem 1704 die Briten Gibraltar eingenommen hatten, begannen sie das Gelände zu sichern. Sie schufen über viele Jahre ausgedehnte Verteidigungsanlagen, die hauptsächlich aus Gräben und Schutzmauern bestanden. In weiten Bereichen orientierten sie sich dazu an früheren Verteidigungsanlagen, die noch von den Mauren und Spaniern stammten.
Während der Großen Belagerung begann die Armee 1782 auf Initiative eines Sergeant-Majors den ersten künstlichen Tunnel anzulegen. An der Nordwand des Felsens versuchte man auf diesem Weg eine bestimmte Position zu erreichen, die auf anderem Weg nicht erreicht werden konnte. Dort sollte eine neue Artilleriebatterie installiert werden, um einen blinden Winkel in der Verteidigungslinie zu schließen.
Schon während des Vorantriebes des Tunnels entschlossen die Planer sich, eine Öffnung in die Klippe zu schlagen. Diese sollte der Belüftung dienen und es stellt sich schnell heraus, dass auch aus strategischer Sicht die Öffnung ideal war.
Erst zum Ende der Belagerung erreichten die Tunnelbau den angestrebten Punkt. Sie schufen, da sie ja nun etwas Zeit hatten, eine große Halle in der eine breitere Schussposition möglich wurde – die St. Georg’s Hall.
Die Armee hatte erkannt, dass die Tunnelanlage hervorragende Verteidigungsmöglichkeiten bot und setzte in den nächsten Jahren den Ausbau fort. Bis zum Ende des 18.Jahrhunderts entstanden 1200 Meter Tunnel, die miteinander verbunden waren.
Ein Teil dieses Tunnelsystems kann heute besichtigt werden.
Tunnelbau von 1880-1915
Ende des 19.Jahrhunderts wurde Gibraltar zum Marinestützpunkt. In der Camp Bay entstanden 1880 zwei kurze Tunnel, die den Zugang zu einem Steinbruch ermöglichten. Später folgte der Bau eines Ost-West-Tunnels um die Sandy Bay zu erreichen. Auch dort holte man benötigtes Baumaterial. Zusätzlich schuf die Armee zwei Höhlen unter dem Windmill Hill, die zur Lagerung von Munition genutzt wurden.
Ein weiteres Problem ist die Wasserversorgung Gibraltars, das durch den Bau von unterirdischen Stauseen behoben werden sollte. Das gesammelte Regenwasser transportierte man durch einen Tunnel.
Tunnelbau im Zweiten Weltkrieg
Der Spanische Bürgerkrieg und der Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland führte zur dritten Tunnelbauperiode in Gibraltar. Weitere unterirdische Stauseen sollten die Wasserversorgung gewährleisten. Es entstanden im Felsen Luftschutzbunker und Krankenhäuser.
Insgesamt war zu dieser Zeit das Tunnelsystem auf 11 Kilometer Länge angewachsen und wurde bis Ende 1945 auf 40 Kilometer erweitert. Es war die intensivste Zeit des Tunnelbaus und mehrere Spezialfirmen waren an den Arbeiten beteiligt.
Ziel war es, Unterkünfte für die 16.000 Mann starke Garnison zu schaffen. Zusätzlich benötigte man Platz für Nahrung, Ausrüstung und Munition. Genau betrachtet entstand eine kleine Stadt in den Tunneln von Gibraltar in der die Menschen 16 Monate überleben konnten.
Einen Teil dieser Tunnelanlage stehen heute für Besucher offen.
Tunnel von Gibraltar nach dem Zweiten Weltkrieg
Während des Kalten Krieges baute die britische Armee unvermindert weiter an dem Tunnelsystem. Diese sollten den neusten militärischen Anforderungen stand halten. So schuf man zum Beispiel weitere Verbindungstunnel, Lagerhallen, weitere Stauseen für die Wasserversorgung und verbesserte die Zufahrtsmöglichkeit von der Straße aus.
1967 war der letzte Tunnel fertig gestellt, 1968 löste man die Tunnelbautruppe auf und stellte das Projekt ein. Viele Tunnel sind stillgelegt und müssen nun vor dem Verfall geschützt werden. Der Felsen gleicht fast einen Käse mit vielen Löchern und sollten Tunnel einbrechen, würden weitere Bereich in Mitleidenschaft gezogen werden.
Blick in die Tunnel
Als erstes fiel uns die recht unterschiedliche Gestaltung der Tunnelanlagen auf. Wurden zum Beginn noch die Grabung mit einfachsten Mitteln durchgeführt, verwendete man später gezielt Sprengungen, um voran zu kommen. Die alten Tunnel waren gerade mal so hoch wie die Menschen selber. Später konnten problemlos LKWs durch die Tunnel fahren. Einige der Hallen waren so groß, dass hier die Armee große Mengen an Material und auch mehrere Autos gelagert hat.
Als problematisch erwies sich vor allem die hohe Luftfeuchtigkeit. Diese griff nicht nur das Material an, sondern war auch für die Menschen nicht einfach zu ertragen.
Great Siege Tunnel
Der Weg zum Great Siege Tunnel führt von der Bergstation der Seilbahn immer bergab und ist recht gut ausgeschildert. Er befindet sich im Naturschutzgebiet, dass man nur mit einer gültigen Eintrittskarte betreten kann. Mit dieser ist dann auch der Zugang zur Tunnelanlage möglich.
Wir starten unsere Tunneltour allerdings zunächst vor dem Tunneleingang. Hier befindet sich eine Aussichtsplattform, von der aus man einen wunderbaren Blick auf die Start- und Landebahn des Flughafens hat. Wir blieben eine Weile dort stehen, um den Start einer Maschine zu verfolgen. In dieser Zeit hielten einige Touranbieter dort, ließen die Gäste zum Fotografieren aussteigen und fuhren schnell weiter. Ein Besuch in den Tunneln war zur Enttäuschung einiger Besucher nicht eingeplant.
Nachdem das Flugzeug gestartet war, ging es für uns in den Felsen von Gibraltar, in die Tunnel von Gibraltar!
Der Gang, der hauptsächlich mit Vorschlaghämmern, Brechstangen und Schießpulver herausgearbeitet worden ist, verläuft leicht abwärts. Er ist nicht sehr hoch und auch nicht besonders breit. Die Arbeiten sollen anfangs sehr langsam voran gegangen sein. 13 Männer brauchten 5 Wochen für 25 Meter Tunnel. Erst als man horizontale Lüftungsschächte baute, konnten auch Bagger eingesetzt werden.
Diese Luftschächte eigneten sich zusätzlich hervorragend als Schießscharten für Geschütze. Nach 277 Metern erreichte man das eigentliche Ziel. Die hier entstandene St. Georg’s Hall kann man heute besichtigen.
In diesem, wie auch in anderen Tunnelabschnitten befindet sich heute eine Ausstellung. Auf Stellwänden erfährt man etwas über den Bau, die Verteidigungsmaßnahmen und die Geschichte Gibraltars. Oft stehen Puppen in historischer Kleidung dort, die eine Szene aus der Nutzungszeit darstellen.
Die Wege durch das Tunnelsystem sind heute gut ausgeleuchtet und eben gepflastert. Etwas erstaunt war ich, dass durchgängig Marschmusik ertönte. Vielleicht dient sie ja als Ablenkung, damit man nicht dem Gefühl erliegt unter Felsmassen gefangen zu sein.
Mich haben die Tunnel beeindruckt, aber mich dort länger aufhalten, hätte ich dann doch nicht gewollt.
Tunnel World War II
Folgt man den Straßen auf dem Felsen weiter bergab, kommt man schließlich zum Eingang der Tunnel von Gibraltar, die im Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Auch diese befinden sich im Naturschutzgebiet und dürfen nur mit dem entsprechenden Eintrittsticket betreten werden.
Hier muss man zusätzlich auch noch einen Schutzhelm für die eigene Sicherheit aufsetzen. Diese liegen in großen Kisten direkt am Eingang und stehen kostenfrei zur Verfügung.
Die Tunnelwände sind hier ganz anders, viel glatter und vor allem viel höher. Die Wege sind breit, sogar LKWs können hier problemlos fahren. Große Hallen, die früher als Lagerflächen / Parkplätze dienten grenzen an die Wege. Einige Bereiche sind so groß, dass hier Wellblechütten standen, in denen haben die Soldaten gewohnt und gearbeitet .
Auch wenn das Tunnelnetz recht groß ist, kann man nur einen recht kleinen Teil besichtigen. Die Wege sind gut ausgeschildert, hell beleuchtet und gepflastert. Auch hier findet man Informationstafeln, die mir aber nicht so ausführlich erschienen, wie in dem älteren Tunnelsystem.
Die Vorstellung, dass hier Menschen notfalls ein Jahr hätten leben können, fand ich sehr bedrückend. Auch wenn wesentlich mehr Platz vorhanden war, für 16.000 Personen wäre es doch sehr eng gewesen. Ich war jedenfalls froh, als wir aus der feuchten und kühleren Höhle zurück in die warme Sonne treten konnten.
Besucherinformationen
Adresse:
Naturschutzgebiet, Upper Rock
Gibraltar
Öffnungszeiten Great Siege Tunnel und WWII Tunnel
Montag – Samstag:
9 -18 Uhr
Eintrittspreis
In der Naturschutzgebühr enthalten. Diese kostet £ 12.
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