Crimmitschau liegt ganz in der Nähe von Zwickau und ist eine typische Industriestadt. Hier wurden hauptsächlich Textilien hergestellt und der Beiname „Stadt der 100 Schornsteine“ war viele Jahre mehr als gerechtfertigt.
1901 existierten in Crimmitschau 53 Tuch- und Buksinfabriken, 22 Spinnereien und Zwirnereien und 10 Färbereien. Die Industrie im Ort spiegelte sich auch in der Bevölkerungsstruktur wider. Die fast 7000 Arbeiter lebten in einfachsten Verhältnissen in Arbeitervierteln. Die Fabrikbesitzer lebten zum Beginn der Industrialisierung noch in recht zweckmäßigen Wohnungen und steckte das erarbeitete Geld lieber in die Modernisierung der Fabriken.
Spätestens nach dem Deutsch-Französischen Krieg änderte sich dieses. Die Einnahmen der Fabrikanten wuchsen durch den enormen Bedarf an Textilien und nun wollte man seinen Wohlstand zeigen und in luxuriösen Wohnungen leben. Die Fabrikanten zog es an den Rand der Stadt, vorzugsweise in die Gegend rund um das Pleißetal. Hier lebte man nicht direkt im Talkessel und nicht in der Windrichtung, die häufig vorkam, und wurde so nicht durch die verschmutzte Luft aus den eigenen Fabirken „belästigt“. Die Fabrikbesitzer konnten es sich leisten hier pompöse Villen zu errichten, denn so ist überliefert, um 1912 lebten etwa 20 Millionäre in der Stadt.
Entstehung des Villenviertels in Crimmitschau
Das Villenviertel der Stadt wurde hauptsächlich in der Zeit von 1880 bis 1916 erbaut. Von der Stadt gab es dazu genaue Bauvorschriften. Diese sah zum Beispiel vor, dass am Rande des neu geplanten Viertels villenähnliche Mehrfamilienhäuser und Mietsetagenvillen entstehen sollten. Im Kern des Viertels durften nur freistehende Villen errichtet werden. Diese mussten zwei Stockwerke haben und durften nur von 1-2 Familien bewohnt werden. Das Grundstück musste zur Straßenseite mit einem schmiedeeisernen Zaun auf Natursteinsockeln begrenzt werden und die Gartengestaltung angemessen sein.
Es entstanden in Crimmitschau schwerpunktmäßig drei Villentypen, die diesen Vorschriften entsprachen:
- blockhafte Typ
Diese Villen kennzeichnen sich durch klare und kantige Außenformen des Gebäudes. Die Hauptfront zeigt zur Straßenfront, das Dach ist flach und es gibt ein ausgebautes Dachgeschoss. - Burgtyp
Diese Villen gleichen der deutschen Burg, wie sie im Mittelalter erbaut worden sind. Es gibt angebaute Erker, Verandavorbauten, kleine Türme und Schmuckgiebel. Ein sehr verspielter Bau, der nach außen den Reichtum sehr deutlich machte. - Stadthaustyp
Bei diesem Villentyp handelt es sich meistens um ein Mehrfamilienhaus, dass an einer Hauptstraße liegt. Es ist von außen schlicht gestaltet und hat meistens ein Satteldach.
Die Innengestaltung der Villen war nicht durch Bauvorschriften geregelt und so konnten die Besitzer hier ihren Reichtum und ihre Interessen verwirklichen. So gibt es zum Beispiel eine Villa dessen Besitzer ein Teleskop zur Sternenbeobachtung im Dach einbauen ließ.
Entwicklung des Villenviertels nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Krieg wurden die Fabrikbesitzer enteignet und viele zogen aus Crimmitschau weg oder mussten ihre Häuser aufgeben. Es zogen die unterschiedlichsten „neuen Besitzer“ in die Villen ein, zum Beispiel FDJ, volkseigene Betriebe oder Stadt- und Staatsverwaltung. Nach der politischen und wirtschaftlichen Wende standen die meisten Villen ungenutzt in der Stadt und verfielen nach und nach.
Glücklicher Weise gab und gibt es noch immer begeisterungsfähige Menschen, die diese Häuser kauften, sanierten und restaurierten. Noch erstrahlen nicht alle Häuser vollständig im alten Glanz, aber es werden immer mehr.
Lindenstraße in Crimmitschau
Bei einem Spaziergang entlang der Lindenstraße konnten wir einige wunderschöne Villen von außen sehen. Jeder Bau hatte etwas besonderes und es war fast wie ein Spaziergang durch die Vergangenheit.
Die Villa in der Lindenstraße 18 gehörte einst einer der einflußreichsten Familien der Stadt, dem Tuchfabrikanten Reinhard Kempte. Später zog die Familie Zöffel in das Haus ein. Die Familie ließ die Villa umgestalten und besonders die Deckengestaltung im Engelszimmer muss wunderschön gewesen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen mehrere Familien in die Villa ein und später stand das Haus eine zeitlang ungenutzt in Crimmitschau. 1996 erhielt eine Nachfahrin der Familie das Haus zurück und sanierte es.
Nur wenige Schritte weiter, mit der Hausnummer 20, hatte der Tuchfabrikant Ferdinand Ehrler seine Villa errichtet. Er ließ sie von dem Möbelfabrikanten Oskar Reichenbach prächtig ausstatten.
Das Haus Nummer 23 in der Lindenallee in Crimmitschau ließ der Baumwollgroßhändler Reinhard Strauß von einem Berliner Architekten erbauen. Der Besitzer führte seine Geschäfte weltweit und wollte das in einer Villa gerne verdeutlichen. Er ließ ein ganz besonderes Bleiglasfenster anfertigen, dass den Weg der Baumwolle darstellte.
Villa – Gabelsberger Straße
Wir hatten die Möglichkeit, uns in zwei der vielen Villen etwas genauer umzusehen: im Hotel Villa Vier Jahreszeiten und in der direkt daneben liegenden Villa.
Zunächst ging es in die noch nicht renovierte Villa direkt neben dem Hotel. Die jetzigen Besitzer hatten diese erst vor kurzem erworben und planen, hier eine Erweiterung zu ihrem Hotel entstehen zu lassen. Für uns recht spannend ging es von Raum zu Raum, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass irgendwann hier Gäste einziehen werden. Noch brauchte es etwas Fantasie, aber schon im nicht renovierten Zustand beeindruckten mich die Räume.
Das war allerdings nur ein Vorgeschmack, auf das, was uns in der 1904 erbauten Nachbarvilla erwartete.
Heute ein Hotel, war die Villa früher als „Eskimo-Villa“ in Crimmitschau bekannt. Den Namen hatte das Haus aus mehreren Gründen erhalten. Der Besitzer Bernhard Schönfeld war Textilfabrikant und in seiner Fabrik entstanden sehr dicke und warme Stoffe für Winterkleidung, der sogenannte Eskimo-Mantelstoff. Er gehörte zu den etwas fortschrittlichen Hausbesitzern und hatte, im Gegensatz zu den damals noch verbreiteten Kaminen, in den Zimmern eine Zentralheizung einbauen lassen. Diese schien allerdings nicht richtig zu funktionieren und es soll sehr kalt im Haus gewesen sein. Ob die Besitzer, die auf Bildern immer sehr grimmig und unnahbar aussehen, ihre warme Kleidung im Haus tragen mussten, ist mir allerdings nicht bekannt.
Im Jahr 2000 erwarb der heutige Besitzer das Gebäude und baute es in liebevoller Kleinarbeit wieder auf. Seit 2006 wird es als Hotel genutzt.
Die Villa entstand im Stil des Historismus in Massivbauweise und war mit 1600 m² Nutzfläche eine der größeren Villen in der Stadt. Besonders schön finde ich, dass die Fassadengestaltung wunderschön restauriert ist und man sich so sehr gut vorstellen kann, wie der Bau einst aussah.
Tritt man in das Gebäude, ist es fast so, als würde man ein Museum betreten. Die Innenausstattung des Treppenhauses und des Eingangsbereiches besteht aus wertvollen Materialien, Stuckarbeiten und Dekormalereien. In den Räumen stehen antike Möbel aus der Kaiserzeit, die die Besitzer gesammelt haben.
Im gesamten Haus präsent ist Königin Luise. Schon im Treppenhaus blickt die preußische Königin von einem riesigen Buntglasfenster auf den Besucher herunter. An den Wänden hängen Gemälde mit Luise, es gibt Bücher über Luise und eigentlich gibt es nichts über Luise, was man nicht in der Villa findet. Manchen mag es schon fast zu viel sein, aber den Besitzern gefällt es und ich finde es macht den Charme des Hauses perfekt.
Die Hotelzimmer sind individuell eingerichtet, kein Zimmer gleicht dem anderen und jedes Zimmer ist in sich stimmig. Wer hier übernachtet, wohnt in edel eingerichteten Zimmern – natürlich mit der Königin Luise – und mit Erholungscharakter.
Weitere Informationen findet man auf der Hotelwebseite.
Der Besuch des Hotels fand im Rahmen einer Recherchereise statt.
Hilde Jansen
Danke für die wunderschönen Bilder! Sie sind ein Geschenk für alle, die diesen Stil so lieben.
Herzliche Grüße,
Hilde
Susanne Jungbluth
Es sind wirklich wunderschöne Häuser und Crimmitschau einfach einen Besuch wert.
Sebastian Sachse
Hallo ich bin in der Villa Lindenstraße 26 groß geworden.
Leider fehlt sie hier. Die Villa gehörte der Familie Kürzel.
Vier Familien haben in den 2 Etagen mit 5 Meter hohen Wänden gelebt. Der imposante Turm beinhaltet das Treppenhaus über das man in die 2 Etagen gelangt.
Ich erinnere mich gern an die Zeit zurück, auch wenn es etwas verrückt war in so einem Objekt zu leben.
Susanne Jungbluth
Gibt es vielleicht noch alte Bilder von dem Haus, die ich in den Beitrag einfügen kann? Ich freue mich immer sehr, wenn ich Infos bekommen.
LG Susanne Jungbluth
Martin
Hallo, danke für den tollen Bericht. Auch mal schön zu lesen, was Gäste über meine Heimatstadt zu berichten haben. :)
LG
Susanne Jungbluth
Eine tolle Ecke! Deine Radtouren finde ich auch klasse – ein super Grund noch einmal vorbei zu kommen.
G