Die Tuchfabrik Pfau liegt in der sächsischen Textilstadt Crimmitschau in der Nähe von Zwickau. Hier kann man von der Spinnerei bis zur Weberei die Textilherstellung kennenlernen.
Crimmitschau war über viele Jahre eine erfolgreiche Textilstadt. Neben Tuchfabriken und Spinnereien prägen bis heute Arbeiterviertel und Fabrikantenvillen das Stadtbild. Die Tuchfabrik Pfau hat über viele Jahre das Leben in der Stadt nachhaltig beeinflusst. Heute ist die Fabrik ein Industriedenkmal und Museum, das wir bei einer Führung erkunden konnten.
Geschichte der Tuchfabrik Pfau
Friedrich Pfau gründete 1859 in Crimmitschau eine Handweberei. Schon bald benötigte man mehr Kapazitäten und so entstand ein neues viergeschossiges Fabrikgebäude mit Kesselhaus und Schornstein. So erreichte man es, dass alle Produktionsschritte in der Streichgarnherstellung und -verarbeitung in einer Fabrik stattfinden konnten.
1899 kam es zu einem Brand und ein großer Teil der Fabrik wurde zerstört. Friedrich Pfau übergab den Betrieb an seine Söhne Otto und Adolph, die nun unter dem Namen „Geb. Pfau“ den Betrieb wieder aufbauten. Es entstand auch die Fabrikantenvilla, in die Otto Pfau zog, und ein repräsentatives Verwaltungsgebäude. Die benachbarte Spinnerei und Färberei kaufte man 1916 dazu und verdoppelte so die Produktionsfläche.
In der Zeit der Weltkriege produzierte die Tuchfabrik Militärtuche. Die Auftragslage ermöglichte im Zweiten Weltkrieg sogar die Anschaffung neuer Maschinen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion für die Leistung von Reparationszahlungen an die Sowjetunion verwendet. Ab 1947 konnte dann auch wieder für den heimischen Bedarf produziert werden. Man fertigte zu diesem Zeitpunkt Tuche für die Herren- und Damenoberbekleidung, Mantel- und Anzugstoffe und Kostüm- und Rockstoffe.
Ab 1957, unter staatlicher Beteiligung und später ab 1972 als volkseigener Betrieb der DDR, fertigte man fast nur noch Tuche für das westliche Ausland an. Die sieben Crimmitschauer Textilfabriken fasste man zum VEB Volltuchwerke Crimmitschau zusammen.
Die politischen und wirtschaftlichen Wende und veraltete Produktionsanlagen führten 1990 zur Produktionseinstellung und Schließung der Fabrik. 200 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit.
Ein Museum entsteht
Nach der Einstellung der Produktion stellte man das gesamte Gelände inklusive der Maschinen unter Denkmalschutz. So konnte der Abriss und die Verschrottung der Maschinen glücklicher Weise verhindert werden.
Ein Förderverein gründete sich und die Stadt erwarb das Gelände. 1996 begann man mit den ersten Sanierungsarbeiten und wenig später trat man dem neuen Zweckverband Sächsisches Industriemuseum bei.
Teile des Museums hat man im Zuge der Sächsischen Landesausstellung 2020 modernisiert und präsentierte den Schauplatz „Textil“. Heute kann man an geführten Rundgängen teilnehmen.
Kleiner interessanter Fakt am Rande:
Wenn man den Eingangsbereich des Museums betritt fallen die vielen neuen Schließfächer sofort ins Auge. Etwas erstaunt war ich über die Nummerierung der Fächer. Die Zahlenreihenfolge ergibt auf den ersten Blick wenig Sinn. Auf den zweiten Blick und mit geöffneter Schließfachtür wird es dann aber schnell klar. Es handelt sich um Jahreszahlen! In den Schließfächern erfährt man passend zu der Jahreszahl etwas über die Geschichte der Region und der Tuchfabrik Pfau.
Rundgang durch die Tuchfabrik Pfau
Gleich um es vorweg zu nehmen, ich fand es noch nie so spannend alte Maschinen zu sehen. Das lag mit Sicherheit daran, dass ich zwar keine Ahnung von der Tuchherstellung habe, hier aber ein echter Spezialist die Führung leitet. Durch die Tuchfabrik Pfau führen ehemalige Beschäftigte. Unserem Guide, er hatte 36 Jahre für die Firma gearbeitet, hat man die Begeisterung für seinen Beruf angesehen und er konnte hervorragend einen Einblick in den Produktionsablauf und sein ehemaliges Tätigkeitsfeld geben.
Wer hier auf einen Rundgang geht, erlebt die Herstellung von der Rohwolle bis zum fertigen Tuch. Dabei bekommt man jeden einzelne Schritt erklärt und zum Teil sogar die Maschinen in voller Funktion gezeigt, um einen Vorgang zu demonstrieren.
Krempeln
Der erste Bereich des Museums, den wir betreten konnten, ist auch der erste Verarbeitungsschritt der angelieferten Rohware. Die gekauften Fasern werden in riesigen Maschinen, den sogenannten Krempelwölfen, gerissen und gezerrt. Diesen Prozess bezeichnet man als wolfen.
Ziel des Vorgangs ist es, recht vereinfacht ausgedrückt, die großen Faserberge zu kleinen Faserflocken zu verarbeiten und das Ausrichten der Fasern dieser Flocken. Der Prozess wird mehrfach wiederholt und schließlich entsteht eine Art Fliesstoff. Dieser wird dann, in einer anderen Maschine zu einem runden Band geformt, das sogenannte Vorgarn.
In der Tuchfabrik Pfau stehen mehrere dieser Maschinen, die mit riesigen Walzen versehen sind. Schon hier konnte man erahnen, was noch auf uns zukommen würde. Die Maschinen sind wirklich beeindruckend.
Spinnen
Das Vorgarn wird nun in mehreren Schritten in Spinnsäalen weiter verarbeitet.
Auch hier stehen unzählige Maschinen, die alle damit beschäftigt waren, durch verziehen und verdrehen ein festes Garn/einen festen Faden herzustellen. Ein kleiner Film zeigt, wie Arbeiterinnen damit beschäftigt waren, leere Papphülsen aufzustecken, die dann den Faden aufwickelten. Der Lärmpegel, der in dem Raum herrschte, war schon beachtlich.
Das Verdrehen des Fadens oder auch Zwirnen ist der letzte Schritt, bevor das fertige Garn nun auf große Rollen umgespult wird.
Eine dieser Maschinen stellte man bei unserer Führung an. Das Verdrehen des Fadens ging so schnell, dass das bloße Auge beim Betrachten nicht hinterher kommt.
Weben
Bevor der Stoff nun weben kann, stellt man die Kettfäden her. Das sind die Fäden, die in einem Webstuhl in Längsrichtung eingespannt werden. Diese Fäden müssen nicht nur so lang sein, wie der Stoff später lang sein soll, sie müssen bei gemusterten Stoffen auch farblich sortiert werden. Was für eine irre Maschine, die man dafür verwendet hat. Das Aufstecken der farbigen Fäden erfolgte per Hand nach einer Mustervorlagen. Wenn sich da mal eine Fehler einschlich, war der ganze Stoff später Ausschussware.
In einer weiteren riesigen Halle stehen die Webstühle. Nicht solche Webstühle, an den man gemütlich sitzt und das Webschiffchen den Faden zieht. Hier stehen 30 große Maschinen an denen an einem zwölfstündigen Arbeitstag die Arbeiter standen. Eine dieser Maschinen hat man für uns angestellt und sofort ertönt ein ohrenbetäubender Lärm in der Halle. Mit 114 Dezibel rattern die Webstühle und ich bin froh, dass wir nur eine „Kostprobe“ des Lärms ertragen müssen. Kein Wunder, dass es bei diesem Arbeitsplatz zu Gehörproblemen gekommen ist. Beeindruckend mit welcher Geschwindigkeit die Webschiffchen durch die Kettfäden geschossen werden. Das geht so schnell, dass man es mit bloßem Auge kaum verfolgen kann.
Die Maschinen waren auch in der Lage Muster zu weben. Natürlich nicht mit Hilfe moderner Computertechnik. Hier arbeitete man mit Lochkarten, die die Reihenfolge der Webgarnnutzung angaben.
In einigen der Webstühlen hängen angefangene Tuche. Einige haben wirklich schöne Muster und ich kann mir sehr gut vorstellen, was man daraus genäht hat.
Endverarbeitungsprozesse
Die fertigen Stoffe werden anschließend je nach Stoffart in unterschiedlichen Maschinen gewalkt. Bei dieser Art der Stoffveredelung kommt es zu einer Verfilzung der Fasern.
Jetzt können sie je nach Bedarf in der Färberei noch umgefärbt werden. Auch diesen Bereich kann man in der Tuchfabrik Pfau besichtigen.
Vor dem Versand wäscht und trocknet man die Stoffe noch. Dann rollt man die Stoffe auf oder legt sie in Ballen zusammen und an den Kunden verschickt.
Mit diesem Prozess endet auch die Führung durch die Tuchfabrik Pfau.
Sonderausstellung in der Tuchfabrik Pfau: Textil? Zukunft!
Wer vor oder nach der Führung noch Lust auf mehr Informationen rund um das Thema Tuch hat kann noch eine Sonderausstellung besuchen. Sie befindet sich im ersten Stockwerk der ehemaligen Spinnerei. Hier wird ein Blick auf die Gegenwart und die Zukunft der Textilindustrie geworfen.
Es werden die unterschiedlichsten Stoffe aus verschiedensten Fasern und die Verwendungszwecke vorgestellt. Dabei wird nicht nur ein Blick auf Funktionskleidung oder Berufskleidung, sondern auch auf innovative Produkte hingewiesen. Der Blick auf das Thema Nachhaltigkeit wird dabei nicht vergessen.
Natürlich wird auch über Berufe und Berufsaussichten berichtet. Denn wie in so vielen spezialisierten Berufen fehlt es auch hier an Nahwuchs.
Adresse:
Leipziger Straße 125
Eingang Sahntalstraße
08451 Crimmitschau
Öffnungszeiten:
Freitag – Sonntag, Feiertag: 10-17 Uhr
Führung mit Voranmeldung 14 Uhr
Eintrittspreise:
Erwachsene: 5,-€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Offenlegung: Der Besuch der Tuchfabrik Pfau war Bestandteil einer Recherechereise in das Zeitsprungland. Der Beitrag ist unabhängig zu dem Besuch entstanden.
Ulrich Wolf
Ich habe noch keine zutreffendere und liebevollere Beschreibung unseres Museums Tuchfabrik Gebr. Pfau gelesen. Ein herzliches Dankeschön an die Autoren, auch im Namen des Fördervereins.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Wolf
Susanne Jungbluth
Vielen Dank! Es war eine so erlebnisreiche Zeit, ich habe viel gelernt und den Besuch genossen.
Lieben Gruß, Susanne Jungbluth