Früher kannte jeder die Erfurter Brunnenkresse. Heute gibt es noch einen einzigen professionellen Brunnenkresseanbauer in der ehemaligen Brunnenkressehauptstadt Deutschlands. Beliebt ist die Pflanze aber bis heute.
Die Erfurter Brunnenkresse und ihr Anbau steht auf der Thüringer Liste des immateriellen Kulturerbe nach den Bestimmungen der UNESCO. Nach der Definition der UNESCO zählen dazu zum Beispiel erhaltenswerte Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen. Die Brunnenkresse aus Erfurt erfüllt diese Bedingungen.
Was ist Brunnenkresse?
Die Brunnenkresse ist eine Sumpf- oder Wasserpflanze, die als Küchenkraut oder Gemüse verwendet wird.
Ursprünglich wuchs die Pflanze in Eurasien, Nordafrika und Makaronesien. Ihre Blütezeit beginnt im Mai und dauert je nach Witterung bis in den Juli. Die Früchte reifen vom September bis Oktober. Die Schoten sind Windstreuer und ihr Samen verteilt sich auch in dem er im Gefieder von Wasservögeln haften bleibt. So ist er im Laufe der Jahre verbreitet worden und heute kann man die Brunnenkresse weltweit entdecken.
Besonders gut wächst die Pflanze in nährstoffreichen fließenden Gewässern. Dort bevorzugt sie sonnige bis halbschattige Standorte.
Geerntet wird die Brunnenkresse von September bis April.
Wie kam die Brunnenkresse nach Erfurt?
Die Brunnenkresse war bereits bei den „alten Griechen und Römern“ ein bekanntes Nahrungsmittel. Zu dieser Zeit sammelten die Menschen die Pflanze allerdings noch an ihren natürlichen Wuchsstandorten. Die Kultivierung erfolgte erst später.
Im 17. Jahrhundert war das Gebiet zwischen Erfurt und Hochheim eine Auenlandschaft, die im Frühjahr regelmäßig überschwemmt wurde. Übers Jahr versorgten drei Quellen die Gegend mit Wasser. Die Brunnenkresse wucherte wild und üppig.
So richtig einig sind die Historiker sich nicht, wann und wer in Deutschland die ersten Kulturen angelegt hat. Belegt ist, dass Nicolaus Meißner um 1650 Kulturen angelegt hat. Christian Reichart entwickelte etwa zur gleichen Zeit im Raum Erfurt das bis heute verwendete Anbausystem der Klingen (Wassergraben). Er war Pionier und Förderer des erwerbsmäßigen Gartenbaus in Erfurt und begründete auch Erfurts Ruf als Blumenstadt. In seinem Gartenteich wuchs die Brunnenkresse von selbst und er schaffte es, für den Wildwuchs eine kontrollierte Anbauform zu entwickeln.
Im 18. Jahrhundert war die Brunnenkresse eine echte Erfurter Spezialität. Angeblich soll sogar Napoleon I. auf einer Geschäftsreise in Erfurt das Wintergemüse gegessen haben. Er war so begeistert, dass er sofort zwei Gärtner aus Erfurt nach Frankreich kommen ließ, die dann für ihn Brunnenkresse anbauten.
Seit dem 18.Jahrhundert wird im Kressepark Erfurt die Pflanze angebaut. Von 1929 bis 1932 lag der größte Teil des Anbaus in den Händen von 5 Familienbetrieben, die das bestehende Anbausystem immer weiter verbesserten. Das Gemüse konnte durch die Produktionssteigerung in viele Städte und Länder geliefert werden.
Heute gibt es in Erfurt nur noch eine kleine Anbaufläche, die die Familie Fischer bewirtschaftet.
Besuch der Erfurter Brunnenkresse Klinge
Die Erfurter Brunnenkresse ist heute die einzige erhaltene aktive Klinge in Erfurt. In einem kleinen Raum, in dem man auch Brunnenkresse und Brunnenkresseprodukte erwerben kann, befindet sich ein kleines Museum. Hier hängen Bilder auf denen man nicht nur Informationen über die Pflanze, sondern auch die Geschichte der Familie Fischer erfährt. Trifft man dann noch auf Ralf Fischer und er beginnt zu erzählen, wird die Geschichte lebendig und kaum merklich verfliegt die Zeit.
Über schwankende Bretter über die Klingen
Bei meinem Besuch in Erfurt waren eigentlich optimale Bedingungen für den Wachstum der Brunnenkresse: 10-12 Grad, gute Wasserversorgung von unten und leider auch gute Wasserversorgung von oben. Einem matschigen Weg folgend kamen wir an einem mit einem Schutznetz (gegen die Vögel, die auch Brunnenkresse mögen) überspannten Bereich an. Hier befinden sich der wassergefüllte Graben, die sogenannten Klinge, in dem die Brunnenkresse wächst. Seitlich des Grabens liegen aufgeschüttete Wälle, die die Pflanzen vor kalten Winden schützen sollen.
Die Klinge ist nur etwa 40 bis 60 Zentimeter tief und das Wasser fließt langsam hindurch. Mit Hilfe eines Zu- und Ablaufs kann die Fließgeschwindigkeit geregelt und im Sommer das Becken trocken gelegt werden. Dann erfolgt die Aussaat. Beginnt die Pflanze zu keimen erhöht man den Wasserspiegel, damit die Pflanze wachsen kann.
Über lange Holzbretter erreicht man die einzelnen kleinen Felder. Diese werden nacheinander abgeerntet, so dass immer Bereiche in Ruhe nachwachsen können. Ja und genau über diese nassen, leicht rutschigen und wackeligen Bretter ging es zu einem der Felder zum Ernten.
Auf dem Brett kniend werden dann die Pflanzentriebe etwa in einer Länge von 12-15 Zentimetern mit einem scharfen Messer abgeschnitten und in einen im Wasser schwimmenden Korb gelegt. Ist dieser voll, weiß Ralf Fischer, dass er etwa 2 Kilogramm geerntet hat.
Wie wird Brunnenkresse verarbeitet?
Die Brunnenkresse schmeckt frisch, leicht scharf und hat mich etwas an den Geschmack von Radieschen erinnert. Aufgrund des hohen Vitamin Gehaltes ist die Pflanze im Winter ein wichtiger Nährstofflieferant.
Besonders gerne verwenden Köche die Brunnenkresse in Salaten und Suppen. Die Pflanze kann nur im frischen Zustand verzehrt werden. Getrocknet schmeckt sie nicht mehr. In Folie eingepackt und im Kühlschrank gelagert, kann man sie eine Woche aufbewahren. Bei Zimmertemperatur sollte man die Erfurter Brunnenkresse möglichst nach einem Tag verzehren.
Brunnenkresse als Medizin?
Die Pflanze gilt als alte Heilpflanze, die appetitanregend, stoffwechselfördernd, harn- und wehentreibend ist. Gerne empfehlen Naturheilkundler sie zur Entschlackung von Leber, Lunge und Magen.
Adresse:
Erfurter Brunnenkresse Fischer
Hochheimer Straße 23
99094 Erfurt
Der Besuch fand im Rahmen einer Pressereise nach Thüringen statt.
Helma Grimm
Ein sehr interessanter Artikel
Brunnenkresse wurde in unserer Familie nach dem Krieg als Lieferant für die lebenswichtigen Vitamine eingesetzt.