Es glitzert und blinkt im Keller der Alten Synagoge in Erfurt. Hier liegt der berühmte Erfurter Schatz, der aus Silber und gotische Goldschmiedestücke besteht, die einst der jüdischen Bevölkerung der Stadt gehörten.
Die Jüdische Gemeinde in Erfurt war eine der größten und bedeuteten im Heiligen Römischen Reich, deren Entwicklung bereits im Hochmittelalter begann. Das jüdisches Erbe in Erfurt zählt heute zu den wichtigsten Kulturgütern der Stadt.
Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Erfurt
Die jüdische Gemeinde gründete sich in Erfurt im Mittelalter. Die Juden siedelten nicht, wie in vielen anderen Städten in abgeschlossenen Vierteln, sondern lebten mitten in der Stadt. Ab Anfang des 13. Jahrhunderts hatte sich eine große jüdische Gemeinde entwickelt. Es gab eine Synagoge, eine Mikva und einen Friedhof, die Juden zahlten ihre Steuern an den Mainzer Erzbischof und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit.
1349, in der Zeit der Pest, kam es zur ersten Judenverfolgung in der Stadt. Die Stadtbevölkerung warf den Juden vor, die städtischen Brunnen vergiftet zu haben und so an dem Ausbruch der Pest schuldig zu sein. Bei einer groß angelegten Verfolgung der jüdischen Bevölkerung tötete man fast die gesamte Gemeinde oder vertrieben die Familien. Die Gemeinde löste sich auf.
Wenige Jahre später, 1354, ließen sich zwei jüdische Familien in Erfurt nieder und gründeten die zweite jüdische Gemeinde der Stadt. Diese entwickelte sich zeitweise zu einer der Größten im deutschsprachigen Raum. Das Zusammenleben von Juden und Christen in Erfurt regelte die Stadt in mehreren Verordnungen. Diese enthielt zum Beispiel eine Kleiderordnung und die Vorgaben für die Steuerzahlungen.
In den 1430er Jahren begann sich die wirtschaftliche Situation im Land zu verschlechtern. Auch die jüdische Gemeinde blieb davon nicht verschont und es setzte eine Abwanderung der Familien ein. Als dann 1453 der Rat der Stadt ankündigte, den Schutz der Juden nicht mehr zu gewährleisten, verließen auch die letzten Familien die Stadt.
Über viel Jahrhunderte lebten nun keine jüdische Familie mehr in der Stadt. Erst als Erfurt von 1806 bis 1813 von den Franzosen besetzt war und später der preußischen Regierung unterstand, durften sie sich wieder dort ansiedeln.
Nach 1933 wurden viele Juden in Erfurt aus ihren Berufen verdrängt und ihr Besitz „arisiert“. Einige verließen die Stadt rechtzeitig, viele andere jüdische Bewohner deportierte der NS-Staat von 1940-43 in verschiedene Konzentrationslager.
Seit der Beendigung des Zweiten Weltkriegs gibt es in Erfurt wieder eine jüdische Gemeinde.
Jüdisches Erbe in Erfurt entdecken
Bei einem Stadtrundgang konnte ich einige der bis heute im Stadtbild erhaltenen Spuren der jüdischen Geschichte der Stadt entdecken.
Kleine Synagoge
Hinter dem Erfurter Rathaus liegt ein unscheinbares Gebäude. 1840 nutzte die jüdische Gemeinde dieses Gebäude als Synagoge. Heute bezeichnet man diese als Kleine Synagoge.
Schon in der Zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde in Erfurt so gewachsen, dass das vorhandene Gotteshaus zu klein geworden war. Es entstand eine neue größere Synagoge am Kartäuserring.
Die Kleine Synagoge verkaufte die Stadt an einen Kaufmann. Der neue Besitzer nutze sie als Destille und Lager.
1918 kaufte die Stadt das Gebäude zurück und wandelte es in ein Wohnhaus um. Das erwies sich als gute Idee, denn so konnte das Gebäude die Zeit des Nationalsozialismus unbeschadet überstehen.
In den 1980er Jahren wuchs das Interesse am jüdisches Erbe in Erfurt. Bauforscher fanden bei Sanierungsarbeiten die Mikwe, den Toraschrein und die Frauenempore. Der Schrein und ein Türblatt waren unter Wandverbretterungen und Zimmerdecken verborgen. Hinter einem tragenden Balken fand man eine vollständig erhaltene hebräische Inschrift (“Wisse, vor wem Du stehst”). Die Mikwe in der Kleinen Synagoge war verfüllt und konnte nur aufgrund von alten Bauakten entdeckt werden. 1994 haben Arbeiter die aus Sandstein gemauerte Mikwe freigelegt. Sieben Stufen führen zum Becken hinab. Das Becken hat ein Fassungsvermögen von etwa 520 Litern und ist knapp 1,45 tief.
1992 stellte man die Kleine Synagoge unter Denkmalschutz. Heute beherbergt das Gebäude ein jüdisch-deutschen Begegnungszentrum, das sich mit dem jüdisches Erbe in Erfurt beschäftigt und darüber informiert.
Mikwe – das Ritualbad
Die Mikwe ist ein wichtiger Bestandteil des jüdischen Lebens. Hauptsächlich Frauen nutzen dieses für ihre traditionelle Reinigung nach der Berührung mit Toten, Blut oder anderen nach religiösem Glauben unreinen Dingen.
In eine Mikwe fließt ständig frisches Wasser. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum sich in Erfurt eine Mikwe in unmittelbarer Nähe zur Gera befindet.
Man weiß heute, dass die Geschichte dieser Mikwe bis in das 13. Jahrhundert zurück reicht. In Schriftquellen kann man nachlesen, dass die jüdische Gemeinde für das Bad und für das Grundstück Abgaben zahlen musste. Anfangs gingen diese an den Bischof, später an die Stadt.
Von dem ersten Ritualbad ist heute nur noch eine Mauer erhalten. An diese hat die Gemeinde später den neuen Bau angebaut, der fast vollständig bis heute erhalten geblieben ist.
Die Mikwe gehört zum jüdisches Erbe in Erfurt. Bis heute fließt hier Wasser durch das Becken.
Alte Synagoge
Die Alte Synagoge ist einer der interessantesten Orte des jüdischen Erbes in Erfurt. Das Gebäude wird als Museum genutzt, in dem man nicht nur den Erfurter Schatz, sondern auch Informationen rund um die jüdische Gemeinde der Stadt erfährt.
Die ältesten Mauerteile des Gotteshauses stammen aus dem späten 11. Jahrhundert und lassen sich im unteren Bereich der Westwand nachweisen. Ende des 12. Jahrhunderts baute die Gemeinde die Synagoge um. Auch hier sind Spuren an der Westfassade zu entdecken. Ein Zwillingsfenster stammt aus dieser Zeit.
Eine weitere Umbauphase lässt sich um 1270 datieren. In dieser Zeit entstanden zum Beispiel die fünf Lanzettfenster und eine große Fensterrosette. Im Inneren des Gebäudes bildete ein hoher Raum mit einem hölzernen Tonnengewölbe den zentralen Versammlungsort. Heute kann man aus dieser Bauphase noch ein umlaufenden Lichtergesims erkennen, auf dem Öllampen oder Kerzen für die Beleuchtung der Synagoge aufgestellt wurden.
1349 kam es in Erfurt zu einem verheerenden Pogrom, bei dem die Synagoge schwer beschädigt und die jüdische Gemeinde aus der Stadt vertrieben wurde. Die Stadt übernahm das Gebäude und verkaufte es an einen Händler. Nachdem das Gebäude profaniert war, baute dieser das Gotteshaus zu einem Lagerhaus um. Bei diesen Baumaßnahmen schuf er unter anderem zwei Tordurchfahrten für Pferdefuhrwerke. Dabei kam es auch zur Zerstörung des Toraschreins.
Über 500 Jahre war die Synagoge nun ein Lagerhaus. Im späten 19. Jahrhundert nutzte man dann das Gebäude als Tanzsaal im Obergeschoss und gastronomischer Betrieb. Den Tanzsaal stattete der Betreiber mit Stuckfiguren und einer farbig bemalten umlaufenden Empore aus. Diese ist bis heute erhalten und macht den Raum zu etwas ganz besonderem.
Alle Umbauten der vergangenen Zeit machten es fast unmöglich, die Synagoge noch als Gotteshaus zu erkennen und so vergaß man fast die ursprüngliche Funktion des Gebäudes. Ende der 1980er Jahre dokumentierte ein Institut für Denkmalpflege die Bausubstanz und brachte die ursprüngliche Funktion zurück in das Gedächtnis der Menschen. Nach zähen Verhandlungen mit dem Besitzer konnte die Stadt das Gebäude zurück kaufen und sanieren. Dabei ist es hervorragend gelungen, die unterschiedlichen Nutzungen weiterhin sichtbar werden zu lassen. Heute ist die Synagoge ein interessantes Museums zur Kultur und Geschichte der jüdischen Gemeinde Erfurts im Mittelalter.
Ein besonderes Highlight des Museums ist der Erfurter Schatz, der im Keller des Gebäudes ausgestellt wird. Hierbei handelt es sich um über 3000 Silbermünzen, 14 silberne Barren und über 700 gotische Goldschmiedestücke, die höchstwahrscheinlich während des Pogroms von 1349 vergraben worden sind.
Der Besuch fand im Rahmen einer Pressereise mit der Thüringer Tourismus GmbH statt.
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