Für mich einer der Höhepunkte unseres Wien Aufenthaltes – die Spanische Hofreitschule. Der Reitsport gehört seit Jahren zu unserem Familienleben dazu und so war ich sehr gespannt, was uns erwarten würde.
Wie kommt eine Spanische Hofreitschule nach Wien?
Ferdinand I. wuchs in Spanien auf. Als er 1521 nach Wien kam, ließ er an der Wiener Burg Stallungen errichten, in die er seine prachtvollen spanischen Pferde stellte. Die Pferde bildete man für das Militär aus. Vor allem Spanier beauftragte Ferdinand I. mit dieser Aufgabe.
Auf Dauer war es jedoch eine zu kostspielige Angelegenheit, ständig Pferde aus Spanien nach Wien zu transportieren. So entschloss man sich zur Gründung von eigenen Gestüten.
Im 16.Jahrhundert gab es zwei Gestüte, die sich mit der Pferdezucht für den Wiener Hof beschäftigten. Aus sechs verschiedenen Rassen wählte man einige Hengste aus und züchtete den Lipizzaner. Benannt wurden die Pferde nach dem Gestüt Lipica, dem damaligen Hauptgestüt der Habsburger.
Seit 2005 wird die Zucht der Lipizzaner auf einem Gestüt am Heldenberg in Niederösterreich betrieben. Hier stehen auf 550 ha Weideland Stuten, Fohlen und Junghengste zusammen. Auch die „Rentner“ unter den Pferden der Spanischen Hofreitschule finden hier nach getaner Arbeit ihre Ruhe. Etwa 300 Pferde leben auf dem Gestüt.
1565 findet man erste Erwähnungen, die sich mit der Errichtung eines Reitplatzes in Wien beschäftigt. Man geht heute davon aus, dass dieses die Anfänge der Spanischen Hofreitschule waren.
Es war schließlich Kaiser Karl VI., der 1729 – 1735 die Winterreithalle in Wien errichten ließ. Es entstand ein großer lichtdurchfluteter Saal. Über der Reithalle erstreckt sich ein 15 Meter hoher Dachstuhl. Eine extra eingezogene Zwischendecke aus mit Stuck verziertem Holz lässt die Halle allerdings wesentlich flacher erscheinen. Die Reithalle soll die erste geschlossene Reithalle Europas gewesen sein. Ursprünglich war der Besuch und die Nutzung nur dem Adel vorbehalten und sollte dem jungen Adligen die Reitkunst näher bringen.
Später öffnete man die Halle auch für Maskenfeste, Hofbälle und Reiterspiele.
Heute können beinahe täglich etwa 1000 Zuschauer der Arbeit mit den Pferden zugucken. Ich bin auf jeden Fall beeindruckt von der Größe und der wunderschönen Optik der Reithalle.
Direkt neben der Winterreithalle befindet sich der Sommerreitplatz.. Bei gutem Wetter werden die Pferde auch hier geritten. Zusätzlich hat man eine überdachte Freiführanlage um den Sommerreitplatz gebaut, in der die Tiere ganzjährig bewegt werden (jedes Pferd 40-50 Minuten täglich). Bevor diese Anlage existierte, liefen die Pferdepfleger stundenlang im Kreis, um den Pferde genügend Bewegung zu ermöglichen.
Welche Pferde werden in der Spanischen Hofreitschule geritten?
Die Spanische Hofreitschule bildet ausschließlich Lipizzaner aus.
Der Lipizzaner ist ein Schimmel. Als Fohlen kommen sie mit dunklem Fell zur Welt und schimmeln in der Regel bis zum 6-10 Lebensjahr aus.
Von Körperbau ist das Pferd etwa mittelgroß und wirkt sehr kompakt. Das Stockmaß liegt bei 155-165 cm.
Der Lipizzaner hat viel Temperament und kann bis ins hohe Alter unter dem Sattel gehen. Die Tiere sind sehr lernwillig, verfügen über große mentale und körperlicher Stärke. Sie eignen sich hervorragend zur Dressur.
In der Spanischen Hofreitschule werden ausschließlich Hengste geritten. Die Ausbildung der Tiere beginnt etwa mit 4 Jahren. Dabei wird genau beobachtet, welche speziellen Qualitäten das einzelne Tier hat. Nicht jedes Pferd eignet sich für spezielle Sprünge oder Dressuraufgaben. Es gibt Spezialisten, die bereits auf der Weide im Jugendalter erste Anlagen zeigen. Insgesamt gibt es etwa 120 Trainingshengste.
Wie wird man Reiter in der Hofreitschule?
Als Mutter einer reitenden Tochter hatte ich die Vorstellung, dass man nur Reiter und Reiterin der Hofreitschule werde kann, wenn man schon jahrelang in den höchsten Dressurklassen reitet. Doch weit gefehlt. Das ist keine Voraussetzung, um als Reiter hier arbeiten zu können.
Wer gerne eine Ausbildung zum Bereiter an der Hofreitschule machen möchte, braucht nur Reitgrundkenntnisse. Viel wichtiger ist, man muss 16-25 Jahre alt und etwa 172 cm groß sein. Ob Reiter oder Reiterin ist seit 2008 vollkommen egal, allerdings ist die Ausbildung in deutsch und der Bewerber sollte gute Sprachkenntnisse haben.
2-5 Lehrlinge arbeiten in der Regel in der Hofreitschule, etwa 20 % von ihnen schaffen es am Ende auch, in den Aufführungen mitreiten zu können. Alle anderen schließen ihre Ausbildung nach 3 Jahren als Pferdewirt ab.
Aber der Reihe nach. Ein Eleve steht in der Hofreitschule am Beginn seiner Ausbildung. Neben der Arbeit im Stall, lernt er auch die Arbeit mit und am Pferd. Hat er diesen Bereich erfolgreich abgeschlossen und darf weiter an der Hofreitschule bleiben, wird er Bereiter-Anwärter. In diesem Stadium der Ausbildung erhält man den ersten eigenen Junghengst und bildet diesen aus. Je nach Pferd kann das einige Jahre dauern, denn das Tier soll es bis in die Schulquadrille schaffen und dort erfolgreich mitgehen können.
Nun erreicht der Reiter die nächste Phase der Ausbildung. Er wird Bereiter und bildet mehrere Pferde gleichzeitig aus. Etwa 14 voll ausgebildete Bereiter arbeiten in der Hofreitschule. Jeder von ihnen trainiert 5-8 Pferde. Bis zu ihrer Pensionierung bekommen sie alle 2-3 Jahre neue Tiere dazu und trainieren täglich mit ihnen. Nur die qualifiziertesten Bereiter werden in ihrer Dienstzeit zum Oberbereiter befördert und arbeiten dann mit 8-9 Pferden. Sie sind für die komplette Ausbildung von Tieren und Menschen verantwortlich und sollen die Tradition der Spanischen Hofreitschule bewahren.
Besuch der Morgenarbeit
Menschen über Menschen stehen bereits um 9:30 Uhr vor dem Einlass und warten darauf, in die Winterreithalle gelassen zu werden. So viele Besucher hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Also reihen wir uns in das internationale Publikum ein und betreten die große Reithalle. Es gibt einige Sitzplätze, aber wie sich zeigt, reichen diese bei weitem nicht aus. In den zwei Stunden, die die Morgenarbeit dauert, kommen immer neue Besucher in die Reithalle. Andere verlassen das Gebäude wieder, nachdem sie eine Weile die wunderschönen Pferde beobachtet haben. Ich habe das Gefühl, dass Pferdeliebhaber und Menschen, die etwas Reit- und Dressurkenntnisse haben eher die vielen Feinheiten entdecken, die bei der täglichen Arbeit mit den Pferden gezeigt wird.
Unterrichtet werden 4 Gruppen jeweils 30 Minuten. Jeder Pferdegruppe ist individuell nach Ausbildungsstand zusammengesetzt und so unterscheidet sich die Arbeit mit dem Tier deutlich.
Die Reiter und Reiterinnen kommen mit den Lipizzanern in die Winterreithalle. Sie tragen die Empire-Uniform, so wie es bereits seit 200 Jahren traditionell üblich ist. Die Uniform besteht aus einer weißen Hirschlederreithose, einem hochgeschlossenen braunen Reitfrack, einem Zweispitz, Stiefeln, weißen Lederhandschuhen und Schwanenhalssporen. Traditionell verwenden die Reiter, nur wenn es für die Arbeit wichtig ist, eine Birkengerte. Diese Gerte wird im Januar von einer Birke abgeschnitten und einige Tage ins Wasser gelegt, um sie besser haltbar zu machen.
Bevor die Arbeit mit dem Pferd beginnt ziehen die Reiter zunächst ihren Hut vor den Bild Kaiser Karl VI., dem Erbauer der Winterreithalle.
Mir macht es viel Spaß, den Pferden und ihren Reitern zuzusehen. Nach einer kurzen Erwärmung arbeitet jedes Paar an unterschiedliche Schwerpunkten. Von der Arbeit an den Übergängen von Schritt-Trab-Galopp, Schulter herein, Kopf- und Genickstellungsarbeit, versammelter Trab und Galopp, 3er-Galoppwechsel, erste Piaffen Ansätze – man kann viele unterschiedliche Ausbildungsstände entdecken. Ich finde es spannend zuzugucken und vieles zu entdecken, was ich im Laufe einiger Jahre auf der Reitbahn bei unserer Tochter auch gesehen habe.
Was nur selten während der Morgenarbeit gezeigt wird, sind die berühmten Sprünge, auf die viele im Publikum bestimmt gewartet haben. Aber Levade, Kapriole und Courbette sind anspruchsvolle und anstrengende Sprünge, die nicht jedes Pferd beherrscht. Um die Tiere nicht zu überfordern, werden diese Sprünge nur unregelmäßig in der Morgenarbeit trainiert.
Nach etwa 20 Minuten intensiver Arbeit beginnt der Reiter mit der Abkühlphase des Pferdes. Am langen Zügel geht das Pferd in die Dehnung, läuft Schritt und erhält das traditionelle Zuckerstück zur Belohnung nach getaner Arbeit. Am Halfter verlassen die Tiere dann mit den Pferdepflegern die Reitbahn und kehren zurück in ihre Boxen.
Geführter Rundgang
Eine Stunde nach der Morgenarbeit dürfen wir an dem geführten Rundgang teilnehmen. Zunächst geht es noch einmal in die Reithalle. Dort erfahren wir viel über die Geschichte der Spanischen Hofreitschule und die Pferdezucht.
Es stehen etwa 70 Hengste in den Stallungen direkt in Wien. Alle 8-10 Wochen kommt es dann zum großen „Pferdetausch“. Die Tiere aus der Stadt kommen in das Trainingszentrum nach Heldenberg und können dort in Paddockboxen ihren Auslauf genießen. Im Gegenzug dazu werden andere Tiere nach Wien in den Stadtstall gebracht. So hat über das Jahr betrachtet jeder Hengst etwa ein halbes Jahr Aufenthalt in der Stadt und ein halbes Jahr Aufenthalt auf dem Land.
Im Sommer gibt es kein Programm direkt in Wien, die Pferde verbringen alle ihren Urlaub auf dem Land. Während im Winter 5 Wochen keine Aufführungen stattfinden, ziehen Stuten und Jungtiere in den Stadtstall ein.
Dann geht es endlich in den Stadtstall, der durch eine Straße von der Winterreithalle getrennt ist. Es ist gerade Fütterungszeit und auch hier ist es so, wie ich es aus dem Reitstall kenne. Einige Pferde können es nicht erwarten, ihr Fressen zu bekommen.
Das Renaissance-Gebäude der Stallungen stammt aus der Zeit 1565-69. Es gibt 72 moderne Boxen für die Hengste. 16 Boxen liegen so, dass die Pferde rausgucken können und da die Plätze begehrt sind, wird bei der Belegung rotiert.
Über den Ställen liegen 2 Galerien mit Räumen, die heute zum großen Teil Büroräume sind.
Zuerst betreten wir die Sattelkammer. Ich habe noch nie eine so ordentliche Sattelkammer gesehen. Hier hängt alles gut sortiert und ordentlich geputzt.
Jedes Pferd besitzt 2 Sättel. Ein Sattel, der nur bei Aufführungen geritten wird. Es ist ein maßangefertigter Barocksattel mit tiefem Sitz, der speziell auf Reiter und Pferd angepasst ist. Zusätzlich verfügt jedes Pferd über drei Trensen. Die Trensen, die während der Aufführung verwendet werden hängen gut geschützt in Glaskästen.
Als nächstes betreten wir die Stallgasse. Als erstes fallen mir die Namen der Pferde auf. Jedes Pferd hat einen Doppelnamen. Der erste Name steht für die Blutlinie des Vaters, der zweite Name ist der Name der Mutter. Zeugen zwei Pferde gemeinsam mehrere Fohlen, erhalten diese dann zusätzlich Nummern an ihrem Namen. Jedes Jahr kommen etwas 40-50 Fohlen auf dem Gestüt zur Welt. Nicht alle Pferde werden behalten, etwa 6-8 Stuten werden pro Jahr für die Zucht und 10 Hengste für die Dressur und Zucht aufgezogen. Die übrigen Pferde verkauft man.
Lipizzaner sind bekanntlich Schimmel und so bin ich verwundert, als in einer Box ein braunes Pferd steht. Wir erfahren, dass es zur Zeit 3 nicht ausgeschimmelte Lipizzaner im Gestüt gibt. Diese gelten als Glücksbringer und es steht immer einer von ihnen mit den anderen Pferden gemeinsam im Stall. Der Hengst hat die gleichen Rechte, wie seine Mitbewohner. Er wird auch in der Show mitgeritten und genauso trainiert.
Ich wäre gerne noch etwas länger durch die Stallgasse gestreift und hätte die Pferde beobachtet. Aber ich kann es gut verstehen, dass das nicht nur die dort arbeitenden Menschen sondern auch die Pferde stören würde. Auf jeden Fall war es für jemanden, der Pferde mag sehr interessant.
Ich bin nach unserem Besuch der Morgenarbeit und des Stalls der Spanischen Hofreitschule sehr glücklich und voller schöner Eindrücke weiter durch Wien gestreift. Nun werde ich davon träumen, einmal das Lipizzanerzentrum am Heldenberg besuchen zu können und die Tiere auf der Weide zu entdecken.
Adresse:
Michaelerplatz 1,
1010 Wien, Österreich
Anfahrt:
Straßenbahn:
1, 2, D: Haltestelle Kärtner Ring Oper oder Haltestelle Burgring
62: Haltestelle Kärntner Ring Oper
U-Bahn:
U1: Station Stephansplatz
U3: Station Herrengasse
U2, U4: Station Karlsplatz
Autobus:
1A: Haltestelle Herrengasse
2A: Haltestelle Michaelerplatz
3A: Haltestelle Habsburgergasse
Öffnungszeiten:
Besucherzentrum am Michaelerplatz
Montag – Sonntag: 9 – 16 Uhr
Freitags, wenn Abendvorführung: 9 – 19 Uhr
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Kaufe die Eintrittskarte für die Morgenarbeit vorab und erlebe eine tolle Zeit in der Spanischen Hofreitschule in Wien.
Eintrittspreise:
Morgenarbeit
Erwachsene 16,-€
Geführter Rundgang:
Erwachsene 20,-€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Der Besuch der Morgenarbeit und der geführte Stallrundgang in der Spanischen Hofreitschule war für uns freundlicherweise kostenfrei. Vielen Dank! Der Bericht entspricht unseren Eindrücken und ist unabhängig hierzu entstanden.
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