Neben der Architektur sagt nichts so viel über eine Stadt oder Land aus, wie ein Friedhof. Hier blickt man auf die Geschichte, die Kultur, den Glauben – ja fast ein wenig in die Seele von Menschen. Wir genießen die Ruhe auf Friedhöfen und waren deshalb begeistert, zusammen mit Gudrun von “Reisebloggerin” den Zentralfriedhof in Wien entdecken zu können.
Entstehungsgeschichte Zentralfriedhof in Wien
Wie in vielen europäischen Städten machte sich der Bevölkerungswachstum Mitte des 19.Jahrhunderts auch in Wien bemerkbar. Die bisherigen Friedhöfe kamen an ihre Kapazitätsgrenze und so beschloss der Wiener Gemeinderat 1863 die Errichtung eines Zentralfriedhofes. Dieser sollte außerhalb der Stadt liegen und so groß geplant sein, dass er möglichst auf unbestimmte Zeit nutzbar sein würde. Die Entscheidung fiel auf ein Grundstück in Kaiserebersdorf und zwei Grundstücke in Simmering. 1870 begann man mit der Planung zur Gestaltung des Friedhofes.
Bei der Entstehung des Friedhofes spielte der Wiener Erlass, dass zukünftig die Zuständigkeit der Begräbnisstätten bei der Stadt liegen sollte, eine entscheidende Rolle. Es konnte ein interkonfessioneller Friedhof entsehen. Einzelne Glaubensrichtungen bekamen bestimmte Areale zugewiesen, es sollte aber auch freie Flächen zur Verfügung gestellt werden, auf denen jeder unabhängig seine Glaubens begraben werden konnte.

Am 1.11.1874 weihte man den Zentralfriedhof in Wien mit der Beerdigung des Jakob Zelzers ein. Diese Grab existiert bis heute auf dem Friedhof.
Ende des 19.Jahrhunderts wurde in Wien die Nachfrage nach Feuerbestattungen immer größer. 1922 eröffnete man die Feuerhalle Simmering.
Der ungeliebte Friedhof
Anfangs war der Zentralfriedhof bei der Wiener Bevölkerung nicht sehr beliebt. Das Gelände war zunächst noch sehr vegetationsarm und wirkte trostlos. Auch die zusätzlichen Einrichtungen konnte man nur langsam fertiggestellen, es glich anfangs an vielen Orten eher einer Baustelle, als einem Friedhof.
Ein weiteres Problem stellte die schlechte Anbindung des Geländes mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dar. Es gab keine direkte Verbindung mit der Bahn und die Besucher des Friedhofes waren oft stundenlang unterwegs.
Besonders schwierig erwies sich der Transport der Leichen. Die Simmeringer Hauptstraße war die Zubringerstraße zum Friedhof. Hier fuhren anfangs die Pferdewagen mit den Särgen entlang und bei mehren als 100 Toten in der Woche waren oft mehr Leichenwagen aus Personentransporte unterwegs. Erst viel später setzte man elektrifizierte Straßenbahnen mit speziellen Leichenwagen ein.

Der Friedhof heute
Heute befinden sich etwa 330.000 Grabstellen und etwa 3 Millionen Verstorbene auf dem Wiener Friedhof. Mit 2,5 km² Fläche ist er einer der größten Friedhofsanlagen in Europa. Die Anlage ist so groß, dass ein Bus halbstündig das Gelände befährt und an 19 Haltestellen hält. Gegen eine Gebühr dürfen auch PKWs das weitläufige Straßennetz befahren.
Auf einer Informationstafel entdecke ich sogar eine 5 Kilometer Laufstrecke, die auf den Friedhofswegen ausgeschildert sein soll. Joggen auf dem Friedhof, es nennt sich Silent Run, auf diese Idee bin ich bisher nicht gekommen.
Besonders bei Beerdigungen von bekannten Persönlichkeiten oder Staatsbegräbnissen kommen sehr viele Besucher nach Simmering. Die Gräber findet man in Präsidentengruft und den Ehrengräbernfeldern der Anlage.
Obwohl ein großer Bereich des Geländes noch immer interkonfessionell genutzt wird und damit jeder Glaubensrichtung offen steht, gibt es zusätzliche Bereiche die bestimmten Konfessionen zugeordnet sind. Neben den katholischen, evangelischen und jüdischen Bereichen findet man auch buddhistisch, islamisch, orthodox und mormonische Bereiche.
Unterwegs auf dem Zentralfriedhof in Wien
Wir fahren mit der Straßenbahn 71 bis zum Eingangstor 2 des Zentralfriedhofes. Als wir durch den Eingang gehen bin ich erst einmal sprachlos. Was für eine riesige Anlage erstreckt sich da vor uns. Es gibt einen Informationspunkt, ein Café, Parkplätze für E-Bikes und Pferdekutschen. Aber natürlich befinden sich auch hier schon typische Bauten, die zu einem Friedhof dazu gehören, die Aufbahrungshallen.

Wir laufen den breiten Hauptweg entlang, der schon fast an ein Allee erinnert. Rechts und links des Weges liegen einzelne durchnummeriere Grabfelder. Die Grabfelder kann man mit Hilfe eines Planes zum Beispiel einer bestimmten Glaubensrichtung zuordnen, wobei der größte Teil interkonfessionell genutzt wird. Der Plan verrät dem Besucher zusätzlich, ob und in welchem Feld eine bekannte Persönlichkeit begraben liegt.

Unser Weg geht an den Alten Arkadengängen (1879-1881) vorbei. Der Ziegelbau im Neo-Renaissance-Stil hat 36 Arkadengruften, in denen überwiegend Familien des Bürgertums der Ringstrassenzeit aufgebahrt sind. Der Bau ist damals ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert worden und gehörte zu den Bauwerken, die als erstes fertiggestellt waren.
Noch bevor wir die große Friedhofskirche erreichen, biegen wir nach links ab und schlendern an einigen Ehrengräbern vorbei. Hier findet man Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen. Einige haben recht ausgefallene Grabsteine. Ich habe auf jeden Fall bisher auf keinem Friedhof eine rosa „Wurst“ gesehen, so wie auf der Grabstelle (Parzelle 33 G) von Franz West (österreichischer Künstler, Schwerpunkt dreidimensionales Gestalten).

Wenige Meter weiter befindet sich das Grab von Udo Jürgens, einem meiner Lieblingskünstler aus Kindertagen. Unvergessen für mich der „Tom und Jerry“ Titelsong und natürlich meine Reisebloggerhyme überhaupt „Ich war noch niemals in New York….“

Friedhofskirche
Die Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus wird eigentlich nur Dr.-Karl-Lueger- Gedächniskirche (nach dem 1910 verstorbenen Wiener Bürgermeister) genannt und ist unser nächste Stopp beim Rundgang über das Friedhofsgelände.

Schon von außen finde ich den Jugendstilbau wunderschön. Er dominiert durch seine Größe und die helle Farbe das Gelände und bildet einen markanten gut sichtbaren Orientierungspunkt.
Wir betreten den Bau und werden von einer wunderbaren Stille empfangen. Durch die wunderschönen Glasfenster scheinen einige wenige Sonnenstrahlen. Schaut man nach oben scheint es, als würde man unter dem Himmel stehen. Eine riesige blaue Kuppel überspannt den Raum und lenkt sinnbildlich meinen Blick fast magisch in den Himmel.

Über eine Treppe gelangen wir in die Räume unterhalb der Kirche. Durch ein Glas im Kirchenboden scheint hier indirekt das Licht hinein. Unter dem Hauptaltar liegt die imposante Gruft von Karl Lueger. Hier unten ist es im wahrsten Sinne des Worte totenstill und ich fühle mich von der Atmosphäre etwas bedrückt. Gut, dass wir uns hier nicht allzu lange aufhalten und die Treppe zurück zum Friedhof nehmen.

Jüdische Friedhofsbereich
Wir gehen weiter und gelangen in den alten jüdischen Friedhofsbereich. Hier sieht es so aus, wie ich es von einigen jüdischen Friedhöfen bereits kenne. Die Gräber verwildern, Grabsteine sind umgefallen und nur wenige Grabstätten wirken gepflegt. Ich mag das sehr, es wirkt verwunschen und eigentlich bin ich froh, dass es nicht dunkel und nebelig ist. Hier wäre der ideale Filmdrehort.

Ja und dann erleben wir den Friedhof als Naturraum. Nicht nur Eichhörnchen huschen hier von Baum zu Baum. Auf dem Zentralfriedhof in Wien leben auch Rehe. Plötzlich stehen sie hier im unübersichtlichen Bereich des Friedhofs zwischen den Grabsteinen und grasen. Neugierig gucken sie zwar hoch, scheinen aber genau zu wissen, dass ihnen nichts passieren kann. Vorsichtig laufen wir weiter, damit die Tiere in Ruhe fressen können.

Ich könnte noch stundenlang auf dem riesigen Gelände umherstreifen, noch haben wir nicht alle Ecken entdeckt. Wir werden bestimmt wiederkommen und uns weiter auf Entdeckungsreise begeben, aber nun lockt das Bestattungsmuseum.
Geführte Tour über den Zentralfriedhof
Wer lieber eine geführte Tour auf dem Friedhof unternehmen möchte, hat die Möglichkeit bei GetYourGuide eine Tour zu buchen. Bei dem Rundgang erfährt man viel über die Friedhofsgeschichte und bekommt die interessantesten Gräber gezeigt.
Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhofes
Am Haupteingang befindet sich das Bestattungsmuseum im Untergeschoss der Aufbahrungshalle 2. Im ersten Moment vielleicht ein merkwürdiger Gedanke ein Museum zum Thema Bestattungen zu eröffnen. Aber ist das nicht ein Thema, was wirklich jeden betrifft und mit dem jeder sich irgendwann in seinem Leben einmal auseinander setzt. So wirklich gewußt habe ich nicht, was mich erwarten würde, aber ehrlich gesagt, das Museum hat mich überrascht und ich kann den Besuch wirklich nur empfehlen. Ich gebe zu, die Wiener Bevölkerung hat schon ein besonderes Verhältnis zum Thema Tod. Kennt ihr den Begriff „Die schöne Leich“? Damit ist nicht nur ein aufwändiges Begräbnis gemeint, es ist inzwischen eine Lebenseinstellung. Der Tod ist unvermeidbar, also kann man ihn auch feiern! Und genau das kann man auch in dem Museum erfahren.
Man betritt einen dunklen etwa 300 qm großen Raum und kann gut 250 Ausstellungsstücke und jede Menge Bildmaterial entdecken. Die dunkle Atmosphäre machte für mich den Besuch zunächst etwas bedrückend, es war auch sehr ruhig im Raum, unwillkürlich flüstert man, wenn man durch die Ausstellung streift. Aber die Bedrückung hat sich schnell in eine gewisse Faszination gewandelt, die ich beim Lesen der Informationstexte bemerke.

Was kann man entdecken?
Ich habe hauptsächlich Särge und Urnen erwartet. Diese gibt es natürlich auch zu sehen, aber eigentlich weniger als ich erwartet habe.
Man kann zum Beispiel Trauerkleidung aus unterschiedlichen Epochen, Traueranzeigen, zeitgeschichtliche Dokumente wie Rechnungen und Filmausschnitte von großen Begräbnissen in Wien sehen.
Aber auch skurrile Ausstellungsstücke entdeckt man. So gab es zum Beispiel ein Gerät, dass dem vielleicht doch nicht Toten und versehentlich lebendig begraben Menschen die Möglichkeit geben sollte, sich bemerkbar zu machen.
Ich fand die Ausstellung sehr interessant und abwechslungsreich. Man sollte sich Zeit nehmen, in Ruhe die Texte lesen – es gibt viel zu erfahren.
Wenn man dann zum Abschluss durch den Museumsshop (ja auch ein Bestattungsmuseum kann einen Shop haben) geht, kann man sehr gut den oft speziellen Humor erkennen, mit dem hier mit dem Thema Tod umgegangen wird. Mir gefällt diese unverkrampfte Art das Thema zu betrachten sehr – ist das Wichtigste am Leben nicht der Humor und nicht die Angst vor dem Tod?
Adresse:
Infopoint Zentralfriedhof in Wien
Haupteingang Tor 2
Simmeringer Hauptstraße 234
1110 Wien
Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof
Tor 2 (Haupteingang)
Untergeschoß der Aufbahrungshalle 2
Simmeringer Hauptstraße 234
1110 Wien
Mehr Informationen auf der Webseite des Bestattungsmuseum: www.bestattungsmuseum.at
Anfahrt:
Straßenbahnen 6, 71
Bus 373, 572, 71 A
Öffnungszeiten Friedhof:

3. November – Ende Februar:
8 – 17 Uhr
März, 1. Oktober – 2. November:
7 – 18 Uhr
April bis September:
7 – 19 Uhr
Mai bis August:
Donnerstag bis 20 Uhr
Die Nebentore werden aus organisatorischen Gründen bis zu einer Stunde später geöffnet und geschlossen.
Sollten Sie bei einem Besuch irrtümlich eingeschlossen werden, verständigen Sie die Polizei (Notruf: 133 oder 112). Diese besitzt den Schlüssel zu den Haupttoren.
Öffnungszeiten Bestattungsmuseum:
Montag -Freitag: 9 – 16.30 Uhr,
1. März – 2. November: zusätzlich Samstag 10 – 17.30 Uhr
Eintrittspreise:
Friedhof: kostenfrei
Bestattungsmuseum:
Erwachsene: 6,€-
Es werden Ermäßigungen angeboten.
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