Wir stehen in Nürnberg an der Kaiserburg. Blickt man von dort hinunter nach Nürnberg, kann man es gar nicht übersehen, das ehemalige Reichsparteitagsgelände. Ein Gelände voller deutscher Geschichte, die man nicht vergessen sollte.
Groß und unübersehbar zeigt sich der Monumentalbau aus der Vergangenheit im Stadtbild und es sich lassen schon aus der Ferne die ungeheuren Ausmaße erahnen.
Wir haben diesen geschichtsträchigen Ort besucht und das Reichsparteitagsgelände zu Fuß erkundet. Vorab hatten wir uns von der Internetseite des Reichsparteitagsgeländes einen Geländeplan heruntergeladen, um die interessantesten Stationen bei dem Spaziergang nicht zu übersehen. Vor Ort stellten wir fest, dass sehr gut aufbereitete Informationstafeln nicht nur Informationen zu den einzelnen Punkten lieferten, sondern auch einen guten Überblick mit Hilfe einer Geländekarte gaben.
Gestartet sind wir vor dem Dokumentationszentrum und sind zunächst am Dutzendteich entlang zum Innenhof der Kongresshalle gelaufen.
Innenhof der Kongresshalle
Durch einen relativ unscheinbaren Durchgang gelangt man in den Innenhof der Kongresshalle. Und dann steht man in einem gigantisch Hof, der an der breitesten Stelle etwa 240 Meter misst und etwa 200 Meter tief ist. Die Ausmaße sind wirklich beeindruckend und man fühlt sich klein und unscheinbar, wenn man hier fast alleine steht.
Die Kongresshalle war geplant als Monumentalbau, der 50.000 Menschen während der Tagungen der NSDAP Platz bieten sollte. Der Bau wäre nahezu doppelt so groß wie das Kolosseum in Rom geworden und als Besonderheit war eine 70 Meter hohe freitragende Dachkonstruktion über der Haupthalle geplant.
Bis 1939 wurde ein U-förmiger Rohbau von 39 Meter Höhe errichtet. Der größte Teil des Baus ist aus Ziegelsteinen gemauert, die Fassade mit Granitplatten verkleidet. Im Krieg stellte man die Bauarbeiten ein.
Nach dem Krieg stellte sich die Frage, was mit der Bauruine geschehen sollte. Viele Ideen gemacht und auch wieder verworfen.
Heute wird ein Teil des Geländes von dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, den Nürnberger Symphonikern und als Lagerräume genutzt. Im Innenhof finden zum Teil Konzerte statt.
Große Straße im Reichsparteitagsgelände
Der Architekt Albert Speer plante die Große Straße als zentrale Achse. Sie sollte 60 Meter breit und 2 km lang werden (fertig gestellt sind nur 1,5 km) und die optische Verbindung zwischen der mittelalterlichen Kaiserburg und der neuen Anlage des Reichsparteitagsgeländes bilden. Insgesamt verlegten die Bauarbeiter 60.000 Granitplatten in zwei verschiedenen Farben als “Straßenbelag”. Damit sollte den marschierenden Truppen eine Hilfe gegeben werden, die Ausrichtung beim Marschieren einzuhalten. Zusätzlich entspricht die Kantenlänge der Steine etwa 2 preußischen Stechschritten und galt als weiteres Hilfsmittel für die Soldaten.
1939 war ein Großteil der Straße fertig gestellt, da aber keine weiteren Reichsparteitage statt fanden, ist die Große Straße nie als Paradestraße genutzt worden.
Die US-Armee nutzte nach dem Kriegsende die Große Straße als provisorischen Flugplatz. Seit 1968 dient sie als Parkplatz bei Veranstaltungen. Nach Vorgaben des Denkmalschutzes wurde die Große Straße 1991-1095 restauriert. Viele Granitplatten sind ausgebessert, leider aber auch ein Drittel der Anlage betoniert.
Ich fühlte mich auf der Großen Straße etwas an den Vorplatz des Berliner Olympiastadions erinnert. Auch hier liegen Platten im ähnlichen Design, der Platz ist nur nicht so lang. Die Ausmaße der Großen Straße in Nürnberg sind beeindruckend, vor allem, wenn man wirklich vor der riesigen leeren Fläche steht.
Grundstein Deutsche Station und Silbersee
An dem Informationsschild “Grundstein Deutsches Stadion” angekommen – und wo ist er, der Grundstein des Deutschen Stadions?
Direkt daneben ein einsamer Granitstein mit Holzabdeckung – der Grundstein? Auf jeden Fall war er nicht beschriftet oder gekennzeichnet, es gab aber auch keinen anderen Stein…
Das Informationsschild verriet uns, dass das Deutsche Stadion die größte Arena der Welt werden sollte. Hier sollten 400.000 (in Worten vierhunderttausend) Zuschauer Platz finden. Die Planung für das Stadion hatte auch Albert Speer durchgeführt. Er hatte sich das griechische Panathinaiko-Stadion mit seiner Hufeisenform als Vorbild genommen. Nach seinem Entwurf sollte das Stadion nur einige Nummern größer und gigantischer entstehen.
Der Grundstein wurde am 09.09.1937 gelegt, aber mehr als eine Baugrube ist nie gebaut worden. Als im zweiten Weltkrieg die Bauarbeiten stoppten, begann sich die Baugrube langsam mit Wasser zu füllen. Es entstand der heutige Silbersee.
Leider haben die Nürnberger nicht viel von dem optisch schönen See. Direkt neben dem See ist nach dem Krieg der Silberbuck aus dem Schutt der Stadt aufgeschüttet worden. Dieser Schutt ist mit gefährlichen Mineralien durchsetzt, die mit dem ablaufenden Wasser in den See gelangen. Der gesamte See ist mit giftigem Schwefelwasserstoff durchsetzt. Ab und zu sieht man es an der Oberfläche sogar blubbern. Aber spazieren gehen kann man an dem See trotzdem!
Dutzendteich in Reichsparteitagsgelände
Der Dutzendteich war ursprünglich ein Wasserspeicher, später entwickelte er sich zu einem beliebten Ausflugsziel.
1906 wurde zur Bayrischen Landesaustellung ein Leuchtturm errichtet, der zahlreiche Besucher anzog. Für den Bau der Kongresshalle hat man den Leutchturm und auch die existierende Badeanlage abgerissen. Ein Teil des Sees hat man sogar trocken gelegt.
Heute lädt das Gelände zum Tretboot fahren und zu schönen Spaziergängen am Ufer ein. Von dem Ufer aus hat man einen tollen Blick auf das Kongresszentrum.
Uns hat der Biergarten direkt am Bootsverleih magisch angezogen. Wunderschöne schattige Plätzchen und ein leckeres Bier haben uns hier den Sonntag genießen lassen.
Zeppelintribüne und Zeppelinfeld
Das Gelände in der Nähe des Dutzendteiches bekam nach einer Luftschifflandung des Grafen Zeppelin im Jahr 1909 zu dem Namen Zeppelinwiese.
Das unbefestigte Zeppelinfeld war 1933/34 das Aufmarschgelände der Nationalsozialisten. Die Zuschauer saßen zunächst auf Holztribünen.
Albert Speer entwarf das Konzept für die Neugestaltung der Gesamtanlage des Zeppelinfeldes. Von 1935 bis 1937 entstand die Zeppelintribüne mit der gegenüber liegenden Wallanlage und den 34 Türmen.
Für die Zeppelintribüne stand der Pergamonaltar Speer als Vorbild zur Verfügung. Die Wallanlage ist auf die Tribüne ausgerichtet, die Zuschauerwälle sind aber deutlich niedriger gehalten. In den kleinen Türmen befanden sich die Toilettenanlagen. Bis zu 200.000 Menschen konnten an den nationalsozialistischen Veranstaltungen auf einer Innenfläche von 312m x 285m hier teilnehmen.
Im Inneren der Zeppelintribüne entstand eine 335 m2 große Halle mit etwa 8 m Raumhöhe. Marmorverkleidete Wände und goldschimmernde Mosaike an der Decke ließen den Saal sehr prunkvoll wirken. Über Treppen konnten von hier die Ehrentribünen erreichen.
Nach dem Krieg nutze die US Armee das Gelände bis 1955 zunächst als Sport- und Paradeplatz. Das große Hakenkreuz auf der Tribüne sprengten die Amerikaner weg, um so das Ende des Nationalsozialismus zu bekräftigen.
Seit 1947 findet hier das jährliche Norisring-Rennen statt, eine bedeutende Motorsportveranstaltung. Zusätzlich finden auch Rock- und Popgruppen hier eine geeignete Veranstaltungsfläche.
Das gesamte Gelände ist sehr umstritten, da die Stadt Nürnberg hier mit großen Summen für den Erhalt aufkommen muss. Schon 1967 mussten Teile der Tribüne abgetragen werden, um die Sicherheit des Gesamtkomplexes gewährleisten zu können. Trotz aller Bemühungen reichen die Mittel nicht aus. Das Gelände verfällt zusehend. Die Tribüne ist so marode, dass sie zwischenzeitlich komplett gesperrt war. Nun wird mühsam und in kleinen Abschnitten versucht, sie zu sanieren. Die Eingangshalle wurde 1984 restauriert und ist lange Zeit als Ausstellungsraum genutzt worden.
Was für ein Gelände! Die Ausmaße des Zeppelinfeldes sind riesig. Wir hatten das Glück und konnten auf die Zeppelintribüne gehen. Von dort auf das Zeppelinfeld zu gucken ist beeindruckend. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Nationalsozialisten Aufmärsche hier die Zuschauer wirklich beeindruckt haben, wenn das gesamte Feld voller Menschen war und zusätzlich die Lichteffekte (waren auf einer Schautafel zu sehen) das Ganze in eine unwirkliche Atmosphäre getaucht haben.
Ich werde bestimmt zu einem Konzert oder einen der Norisrennen noch einmal herkommen. Das ist bestimmt eine irre Stimmung auf dem Gelände.
Ehrenhalle im Luitpoldhain
Unsere letzte Station des Rundganges war der Luitpoldhain.
1906 wurde der Luitpoldhain für die Bayrische Landesausstellung angelegt. Die Stadt Nürnberg errichtete hier nach dem Ersten Weltkrieg eine Ehrenhalle für die gefallenden Soldaten. Es entstand eine Arkardenhalle mit einem rechteckigen Hof, der von einer Sockelreihe mit Flammenschalen begrenzt ist.
Auch dieses Parkgelände wurde von den Nationalsozialisten umgestaltet. 1933 wurde das Gelände befestigt und Tribünen für 50.000 Zuschauer errichtet. Hier wurden von nun an die Aufmärsche der NS-Verbände durchgeführt, an denen bis zu 150.000 Menschen teilnahmen. Eine Ehrentribüne wurde gegenüber der Ehrenhalle errichtet. Die Ehrenhalle wurde in die Inszenierung der Nationalsozialisten einbezogen
Nach dem Krieg wurde das Gelände wieder in einen wirklich wunderschönen Park umgewandelt. Die Ehrenhalle ist heute Gedenkstätte für die Gefallenden der beiden Weltkriege und der Nationalsozialisten Gewaltherrschaft.
Bei unserem Besuch spielten Kinder auf der Wiese und die Menschen genossen den Sonntag. Ein wirklich schöner Abschluss eines Rundganges, der geschichtlich und optisch so viel zu bieten hatte. Ich brauche sicherlich gedanklich noch eine Weile das alles zu verarbeiten.
Adresse:
Dokumentationszentrum Ehemaliges Reichsparteitagsgelände
Bayernstraße 110,
90478 Nürnberg
Öffnungszeiten Außengelände Reichsparteitagsgelände:
durchgängig geöffnet
Öffnungszeiten Dokumentationszentrum:
Montag-Freitag: 9-18 Uhr
Samstag/ Sonntag: 10 – 18 Uhr
Eintrittspreise:
Erwachsene: 5,-
Ermäßigt: 3,-€
Das Reichsparteitagsgelände ist kostenfrei zu besichtigen.
Daniela
Liebe Susanne,
also ich wusste zwar, dass es dieses Gelände in Nürnberg gibt. Freunde von mir wohnen dort und haben schon berichtet. Allerdings wusste ich auch nicht, dass es so riesig ist.
Das werde ich mir mal für den nächsten Nürnberg Besuch merken. Danke für den ausführlichen Bericht.
LG Daniela
AlexS
Liebe Susanne,
ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht wusste, dass so viel Relikte aus den NS-Zeiten in Nürnberg noch heute zu sehen sind. In Erinnerung geblieben sind mir diese Gebäude und Flächen nur aus alten Propagandafilmen. Irgendwie bin ich immer davon ausgegangen, dass alles zerstört wurde. Die Zeppelinfelder würde ich gerne mal sehen.
Liebe Grüße
Alex
Simone
Liebe Susanne,
Ich hatte ja keine Ahnung, dass es dieses Gelände gibt…krasse Dimensionen, aber eben auch Teil unserer Geschichte. Schade um den Silbersee. Der schaut echt idyllisch aus, ein Bad darin wäre bestimmt nett…
Vg Simone
Mario
Hallo Susanne,
die Ausmaße sind schon gigantisch und ich finde es auch immer extrem spannend solche Überbleibsel aus früheren Zeiten zu erkunden und darüber zu lesen.
Gruss Mario
Susanne Jungbluth
Geschichte ist manchmal echt spannend! Ich liebe es auch nach einer Besichtigung nachzulesen…