Die Nachkriegsgeschichte Deutschlands ist stark verbunden mit der Durchführung der Nürnberger Prozesse, die im Saal 600 im Justizpalast stattgefunden haben. Hier kann man eine informative und gut ausgearbeitete Ausstellung, die Memorium Nürnberger Prozesse, zu diesem Thema besuchen.
Der Justizpalast von Nürnberg befindet sich im Stadtteil Bärenschanze und ist das größte Justizgebäude Bayerns. Es entstand bereits zwischen 1909 und 1916 und die Baukosten mit über 7 Millionen Mark waren bereits zu dieser Zeit recht stattlich.
Entstanden ist ein dreiteiliger Gebäudekomplex im Stil der Neo-Renaissance. Der Hauptbau mit seinen drei Lichthöfen ist über Verbindungsbrücken im ersten Stock mit dem West- und Ostbau verbunden. Erstaunlich ist die große Nutzungsfläche von etwa 65.000 m², die trotzdem bereits nach wenigen Jahrzehnten an ihre Nutzungsgrenze gekommen war.
Im Gebäude hatte man für diese Zeit eine recht moderne Ausstattung. So gab es zum Beispiel Personenaufzüge und sechs Spezialaufzüge, die für den Gefangenentransport vorgesehen waren.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude nur wenig zerstört und so bezog bereits im Juli 1945 die US-Armee den Justizpalast. Alle noch dort vorhandenen Einrichtungen mussten das Gebäude innerhalb weniger Tage räumen.
Nürnberger Prozesse
Vom 20.11.1945 – 1.10.1946 fanden im Sitzungssaal 600 dann die ersten Nürnberger Prozesse statt. Weitere folgten bis 1949. Man hatte diesen Standort gewählt, da es sich um einen der größten nicht zerstörten Orte handelte, der für den Prozess die logistischen Möglichkeiten anbot, die benötigt wurden. So gab es etwa 530 Büros, 80 verschiedene Verhandlungssäle und zusätzlich bot die Stadt und das nahe Umland ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten für alle Beteiligten.
Der Justizpalast schließt direkt an die Justizanstalt von Nürnberg an. Hier befinden sich die historischen Nürnberger Zellengefängnisse, in denen während des Prozesses die Angeklagten und zahlreiche hochrangige Zeugen inhaftiert waren. Eine unterirdische Verbindung zwischen den Zellen und dem Gerichtsgebäude und ein heute nicht mehr erhaltener oberirdischer Verbindungsgang aus Holz ermöglichte einen guten und sicheren Transport der Gefangenen.
Am 20.11.1945 begannen dann die Prozesse vor dem Internationalen Militärgerichtshof gegen die Hauptkriegsverbrecher des Terrorregimes der Nationalsozialisten. Angeklagt wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren 24 führende Vertreter und acht Organisationen. Die Richter und Ankläger stellten die vier Alliierten Mächte (USA, Großbritannien, Frankreich, UdSSR).
Im Zuge der Prozesse sicherte und dokumentierte man zu einem frühen Zeitpunkt die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland und schaffte so eine bis heute genutzte Forschungsgrundlage.
Saal 600
Die Nürnberger Prozesse fanden in dem größten Gerichtssaal in Nordbayern statt. Bis 1924 tagte dort noch ein Geschworenengericht.
Zuvor mussten jedoch einige Umbauarbeiten erfolgen. So entfernte man die Rückwand des Saals und baute eine Zuschauertribüne ein. Es wurden zusätzliche Türen eingebaut und, um gut ausgeleuchtete Filmaufnahmen anfertigen zu können, baute man Neonbeleuchtung im Saal ein.
Betritt man heute den Saal 600 im zweite Stock des Gebäudes, fallen zuerst die beiden wunderschönen marmoren Richtertüren hinter dem großen Richtertisch und die Holzdecke auf. Über den Türen befinden sich die Waage und Gesetzestafeln mit den 10 Geboten als Symbole der Gerechtigkeit und das Stundenglas mit Flügeln und Stern als Symbol der Zeit.
An der fensterlosen Raumseite liegt das Hauptportal. Dieses empfinde ich als noch beeindruckender, auch wenn man es vom Besucherraum nur seitlich und nicht in voller Größe sehen kann. Hier kann man zum Beispiel dargestellt durch den Sündenfall von Adam und Eva den ersten Gebotsverstoß des Menschen sehen.
Nachnutzung
Nach den Prozessen stellte man bis 1961 den ursprünglichen Zustand des Saals wieder her. Dabei baute man auch die Röhrenbeleuchtung ab und installierte unauffällige Deckenfluter und Kristalllüster. Auch die Bestuhlung modernisierte man.
Bis 1969 räumten die US-Streitkräfte nach und nach das Gebäude, es wurde instand gesetzt und so dem damaligen Standard angepasst. So konnte die Justiz wieder dort einziehen. Inzwischen hat man einige Bereiche ausgelagert und das Gebäude wird vom Oberlandesgericht genutzt.
Der Saal 600 wurde weiter für Gerichtsprozesse genutzt. Seit 2017 wird der Justizpalast durch ein modernes Justizgebäude ergänzt. Der Saal 600 wird immer weniger für Verhandlungszwecke benötigt und kann regelmäßig besichtigt werden.
Memorium Nürnberger Prozesse
Das Memorium Nürnberger Prozesse befindet sich im 3.Stock des Gebäudes und möchte an dieser historischen Stelle über das Thema der Nürnberger Prozesse informieren. Dazu hat man eine umfassende Ausstellung eröffnet, die sich mit der Vorgeschichte, dem Verlauf und den Folgen der Prozesse beschäftigt. Zusätzlich kann man auch den Saal 600 besichtigen.
Für einen Besuch in der Dauerausstellung sollte man sich Zeit nehmen. Wer gerne mit einem Audioguide unterwegs ist, wird dort viele interessante Informationen, wie zum Beispiel historische Tonaufnahmen, rund um den Prozess hören. Aber auch ohne Audioguide ist die Ausstellung abwechslungsreich gestaltet. Neben großen Schautafeln mit gut aufgearbeiteten Informationen kann man auch Filmdokumentationen sehen, die einen guten Eindruck vom Prozessverlauf bieten.
Die Ausstellung gliedert sich in drei Bereiche:
- Vorgeschichte, Beteiligte und Verlauf
- juristische Verfolgung inklusive Nachverfolgungsprozesse
- „Erbe“ des Strafgerichtshofes mit der Entstehung des Internationalen Strafgerichtshofes in den Haag
Wer in der Ausstellung Gegenstände aus der Verhandlung sucht, wird diese kaum finden. Man hat bewußt darauf verzichtet und möchte die Geschichte möglichst sachlich aufarbeiten. „Der Gegenstand“ für die Besichtigung ist der Saal 600. In der Ausstellung befindet sich zum Beispiel „nur“ ein Stück der Anklagebank und eine Kiste in der Dokumente transportiert worden sind.
Sehr interessant fand ich die Auflistung der Strafmaße für die Angeklagten. Dabei fiel mir dann auch wieder ein, dass der verurteilte Kriegsverbrecher Hess bis zu seinem Tod in Berlin-Spandau, als einziger Insasse in einem von den Alliierten bewachten Gefängnis, inhaftiert war, an dem ich über viele Jahre täglich vorbei gefahren bin.
Ich fand die Ausstellung und den Saal 600 sehr interessant. Ein Besuch, der sich für mich sehr gelohnt hat.
Lust auf eine Virtuelle Tour?
Anschrift
Memorium Nürnberger Prozesse
Bärenschanzstraße 72
90429 Nürnberg
Öffnungszeiten
bis 31. Oktober
Mittwoch – Freitag: 9-18 Uhr
Samstag, Sonntag: 10-18 Uhr
Montag: 9-18 Uhr
Dienstag geschlossen
1. November bis 31. März
Mittwoch – Montag: 10-18 Uhr
Dienstag geschlossen
Sonderöffnungszeiten
Es gibt zusätzliche Sonderöffnungszeiten und Schließzeiten, die am besten auf der Webseite des Memorium Nürnberger Prozesse nachgelesen werden können.
Eintrittspreise:
Erwachsene: 6,-€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Der Besuch im Memorium Nürnberger Prozesse fand im Rahmen einer Pressereise mit Frankentourismus nach Nürnberg statt.
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