Hoch empor ragt sie in der Rostocker Altstadt über die umliegenden Gebäude hinaus, die Marienkirche. Von außen wirkt die Kirche massiv und fast schon wie eine Festung, was würde uns im Inneren erwarten?
In der Marienkirche befindet sich die Astronomische Uhr von Rostock, eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt, die man nicht verpassen solllte.
Informationen zur Kirchengeschichte
Die evangelisch-lutherische Kirche heißt eigentlich St.Marien, wird aber in der Stadt nur Marienkirche genannt. Erstmals 1232 wird sie in einer schriftlichen Aufzeichnung als Pfarrkirche für eine eigenständige Siedlung mit Markt und Rathaus erwähnt.
Ab 1262 kam es zur Vereinigung einiger Siedlungen in der Region. Die Siedlung um die Marienkirche bildete das Zentrum und so wurde die Kirche zur zentralen Rats- und Hauptpfarrkirche Rostocks. Schnell war zu merken, dass der alte Kirchenbau zu klein für die nun größere Gemeinde war. Auch das Bedürfnis, die aufstrebende Hansestadt Rostock mit einer beeindruckenden Hauptkirche zu repräsentieren, konnte das alte Bauwerk nicht befriedigen.
So beschloss man, eine neue Kirche zu erbauen. Von der damaligen frühgotischen dreischiffigen Hallenkirche aus Backstein ist heute nur noch das Sockelgeschoss (mit abschließendem Kleeblattbogen) und die Giebelwand am Westbau erhalten.
Es entstand eine große dreischiffige Basilika mit Umgangschor. Die Bauarbeiten gingen nur sehr langsam voran. Ein Einsturz des mit 31,5 m sehr hohen Langhausgewölbes, Probleme mit dem Bauuntergrund und die damit verbundenen Neuplanungen führten immer wieder zu Verzögerungen. 1290 begannen die Bauarbeiten an der Ostseite der Kirche und die Handwerker arbeiteten sich nach Westen vor. Mitte des 14.Jahrhunderts war die alte Kirche abgetragen, nur den Turm ließ man stehen und erweiterte ihn. Der Bau der Marienkirche war schließlich Mitte des 15. Jahrhunderts abgeschlossen.
Nach der Reformation passte die Gemeinde den Innenraum auf die Optik der protestantischen Kircheninnenräume an. Es soll etwa 40 Altäre in der Marienkirche gegeben haben, von denen heute nur der Rochusaltar und ein Flügel des Marienaltars erhalten sind. Später kalkte man den Innenraum weiß und so verschwanden die Innenraummalereien. Heute sind nach umfangreichen Sanierungsarbeiten einige der Malereien wieder freigelegt worden.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Kirchenbau im Gegensatz zur Rostocker Altstadt nur „geringe“ Schäden und konnte nach dem Krieg notdürftig instand gesetzt werden. Von 1992-2021 sanierte man das Gebäude so, dass es heute eine der eindrucksvollsten Kirchen der Stadt ist und ein Besuch gehört einfach in jedes Stadtbesichtigungsprogramm.
Rundgang um die Marienkirche
Wir waren etwas vor der morgendlichen Öffnung der Kirche vor Ort und so haben wir zunächst die Kirche umrundet und von außen betrachtet.
Beeindruckend erhebt sich der mächtige aus rotem Backstein erbaute Turm über das Kirchenschiff. Als ich nach oben gucke fallen mir Spitzbogenfenster auf, die zugemauert aussehen. Nur eine, von unten recht klein aussehende Öffnung, ist zu erkennen. Nachträglich habe ich erfahren, dass dieses Schalllöcher für die dahinter liegenden Glocken sind.
Das Langhaus und das Querhaus sind mit gelbem Backstein und grün lasierten Ziegeln gemauert worden. Der später erbaute östliche Kapellenkranz besteht aus rotem Backstein. An einer Wand entdecke ich eine Sonnenuhr, die mir aber an diesem wolkigen Tag nicht verriet, wie spät es war.
Besonders schön finde ich den Eingangsbereich an der Südfront. Der Giebel der Schaufront zeigt barocke Figuren der christlichen Tugend aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Rundgang durch das Kirchenschiff
Nachdem die Tür der Kirche sich endlich für die Besucher geöffnet hatte, konnte unsere Kirchenbesichtigung im Inneren weiter gehen.
Die Größe der Marienkirche wird im Kirchenschiff erst so richtig deutlich. Das Querhaus ist fast 73 Meter lang, das Mittelschiff etwa 11 Meter breit und etwas über 31 Meter hoch.
Als erstes fällt mein Blick auf den Hauptaltar. Der Hochaltar aus Holz ist zweigeschossig und wurde 1720/21 von mehreren Berliner Künstlern gestaltet. Das bemalte Hauptfeld stellt die Auferstehung Jesu Christi dar. Besonders schön sind die plastisch dargestellten Figuren in den Farben weiß und gold, die verteilt an dem Altar angebracht sind. Die Spitze des Altars bildet ein großes goldenes Strahlenkreuz mit dem in der Mitte ruhenden Auge Gottes.
Relativ weit vom Altar entfernt, an einem Pfeiler, befindet sich die Kanzel der Marienkirche. Man vermutet, dass diese aufgrund der schlechten Akustik in der Kirche dort angebracht worden ist. Die Renaissance Kanzel ist aus Holz gefertigt und stammt aus dem Jahr 1574. Mir gefällt besonders gut der durch eine wunderschöne Tür verschlossene Aufgang. Der beeindruckende Schalldeckel entstand erst 1723 und ist stilistisch an die Kanzel angepasst worden.
Die Orgel der Marienkirche reicht bis zum Gewölbe der Kirche empor. Direkt daneben befindet sich die Fürstenloge, die im Stil des Rokokos gestaltet worden ist. Über der Loge befndet sich ein Baldachin mit dem Wappen des Hauses Mecklenburg-Schwerin und den Initialien von Christian Ludwig II.. Direkt daneben liegen zwei verglaste Balkone.
Auffällig finde ich die ehemaligen Grüfte, die sich in den Seitenschiffen befinden und mit Schauwänden versehen worden sind. Diese Wände bestehen aus Holz und sind detailreich und aufwändig gestaltet. Einige der Darstellungen, wie zum Beispiel der “Sensenmann” oder das Gerippe finde ich für einen Kirchenraum schon gewöhnungsbedürftig, gefallen mir aber sehr. Drei Grüfte gibt es heute in der Marienkirche zu sehen.
Uns zog es während des Rundganges zu dem eigentlichen Highlight der Kirche, dass sich im Chorumgang befindet.
Astronomische Uhr in der Rostocker Marienkirche
Ich glaube nahezu jeder hat bereits etwas von der Astronomischen Uhr in Prag gehört, die wir wirklich auch sehr beindruckend fanden. Die Astronomische Uhr in Rostock finde ich sehr weniger beeindruckend.
Zwischen zwei Pfeilern hinter dem Hochaltar steht sie nun also, die 11 Meter hohe Astronomische Uhr. Diese verfügt über ein mittelalterlichen Laufwerk aus dem Jahr 1472 und funktioniert noch immer.
Auf den ersten und zugegeben auch auf den zweiten Blick ist die Uhr mehr als verwirrend. Gut, dass man mit Hilfe eines QR Codes eine Erklärung herunterladen kann.
Apostelumgang
Um 12 Uhr muss man unbedingt vor der Uhr in der Marienkirche stehen. Jeden Tag ertönt ein Glockenspiel und der Apostelumgang im oberen Teil der Uhr beginnt. Fünf rot gekleidete Apostel ziehen an Christus vorbei und werden von ihm gesegnet. Der letzte in blau/grün gekleidete Apostel bleibt ohne diesen Segen. Es handelt sich hierbei um Judas, dem die Himmelstür verschlossen bleibt.
Unter dem Apostelumgang befindet sich die eigentliche Astromomische Uhr, die aus zwei großen Ziffernblättern besteht., Diese sind sehr unterschiedlich aufgebaut und geben dem Beobachter auch unterschiedliche Angaben. Jeden Tag müssen 4 Uhrwerke mit der Hand aufgezogen werden, das Kalenderwerk braucht nur einmal in der Woche aufgezogen zu werden.
Hauptuhr
Die quadratische Uhrscheibe ist etwas mehr als 16 m² groß. Besonders auffällig sind die konzentrischen Kreise mit Ziffern und geschnitzten Figuren, die Zeiger und die Scheiben, die alle unterschiedliche Aufgaben haben.
Der äußere Ring der Hauptuhr zeigt eine Skala für eine 2 x 12-Stundenzählung an. Also ist eigentlich „nur“ eine große Uhr mit einem im Uhrzeigersinn drehenden Stundenzeiger.
Wobei „nur“ ist gut. Es ist nicht so einfach die Uhrzeit abzulesen. Der Stundenring zeigt einen gotischen Zahlenring mit zweimal den Zahlen von 1 bis 12. Die Uhr hat nur einen Stunden-, aber keinen Minutenzeiger. Er dreht einmal täglich vollständig im Kreis. Jedes Zeigerende ragt in den Stundenring. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich verstanden habe, wie ich so die Uhrzeit ablesen kann – aber es hat funktioniert!
Im Inneren befindet sich eine wunderschön gestaltete Tierkreis- und eine Monatsbilder-Skala, diese zeigen die astronomischen Angaben der Uhr an. Zusätzlich befinden sich im Zentrum der Uhr zwei sich überlappende Scheiben, die sich entgegen dem Uhrzeigersinn drehen. Ein der Scheiben ist die Sonnenscheibe, die andere die Mondscheibe. Am Rand der Scheiben befinden sich Zeiger, die auf die Tierkreis- und die Monatsbilder-Skala zeigen. Zusätzlich zeigt eine Öffnung auf der Sonnenscheibe die aktuelle Mondphase auf der Mondscheibe an. Wer hier etwas ablesen möchte, sollte sich genauer mit der Anleitung der Uhr beschäftigen. Ich habe es gerade so geschafft die Mondphase zu erkennen.
Kalendarium
Unter der Hauptuhr befindet sich die große Scheibe des Kalendariums. Diese Scheibe kann 133 Jahre genutzt werden, da auf der äußersten Skala 133 Jahreszahlen Platz haben. Seit 2018 wird die fünfte Scheibe verwendet, die nun bis 2150 genutzt werden kann. Die zuvor verwendete Scheibe steht neben der Astronomischen Uhr und so kann man sie etwas genauer betrachten.
An der Seite steht der Kalendermann, der mit seinem Stab auf das aktuelle Datum zeigt. Sehr vereinfacht gesprochen ist es möglich, den Tag, den Monat, Uhrzeit des Sonnenaufgangs, den Tagesheiliger und den Tagesbuchstabe abzulesen.
Ein Fakt am Rande: Es gibt auf dem Kalender keinen 29. Februar. Die Erbauer hielten es für kostengünstiger alle 4 Jahre das Kalenderlaufwerk einmal anzuhalten, als einen teuren und störungsanfälligen Mechanismus zu bauen, der das Schaltjahr berücksichtigt.
Wer genauer wissen möchte, wie was wo abgelesen wird, sollte viel Zeit bei der Besichtigung der Astronomischen Uhr der Marienkirche mitbringen. Ich fand es super spannend, echt kompliziert und wahnsinnig beeindruckend, welche technische Meisterleistung dort geschaffen worden ist.
Kleiner Tipp:
In Münster gibt es auch eine Astronomische Uhr. Wir haben sie bei einem Besuch in der Stadt angesehen und bereits darüber berichtet.
Adresse:
Bei der Marienkirche ,
18055 Rostock
Öffnungszeiten:
Mai bis Oktober
Montag-Samstag: 10 – 17:45 Uhr
Sonntag und Feiertag: 11 – 15Uhr
Eintrittspreis:
Erwachsene 3,- Euro
Sonntags ist der Eintritt frei.
Die Verwendung der Fotos ist mir durch den Kirchenrat genehmigt worden. Vielen Dank!
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