In der Region Groningen, direkt am Oldambtmeer, liegt in dem kleinen Ort Oostwolde eine Genever Brennerei. Hier kann man Tastings von Groninger Genever inklusive einer kleiner Erklärungstour buchen.
Mit dem Fahrrad ging es von unserer Ferienwohnung in etwa 15 Minuten bis zur Brennerei. Hätten wir nicht die Adresse gehabt, wäre ich bestimmt vorbei gefahren, denn von der Straße aus habe ich nur auf ein Wohnhaus und eine Scheune gesehen. Den Hinweis auf die Brennerei habe ich erst auf den zweiten Blick entdeckt.
Es gibt vor Ort ausreichend Parkplätze für Auto und Fahrrad. Während wir die Leihräder anschlossen, entdeckte ich einen alten Lada direkt vor der Eingangstür. Was macht so ein Auto mitten in den Niederlande? Diese Frage sollte sich später klären.
Durch eine kleine Tür ging es für uns zunächst in den Hofladen der Genever Brennerei. In den Regalen stehen Steingutflaschen. Auf den ersten Blick erkenne ich 3 verschiedene Angebote und bin zugegeben etwas verwirrt als ich mir die Etiketten auf den Flaschen ansehen. Diese Art der Bilder erinnert mich doch sehr an so einige Wandgestaltungen, die ich in/an ehemaligen DDR-Gebäuden gesehen habe. Passt eigentlich gut zum Lada vor der Tür – aber warum? Auch diese Frage sollte sich später klären.
In der Genever Brennerei
Für uns ging es zunächst eine Stück weiter in die Scheune. Dort ist mit viel Liebe zum Detail ein kleiner Marktplatz mit umgebenden „Häusern“ und sogar eine Kirche entstanden. In einem Haus befindet sich eine nachgebaute Kneipe, in einem anderen die Brennerei. Auf dem Marktplatz kann man gemütlich an Tischen zusammen stehen (bei Veranstaltungen/Gruppenbuchungen gibt es zusätzlich Sitzgelegenheiten) und bei geöffneter hinteren großen Tür blickt man auf den Hof und die Felder.
Als erstes ging es um die Frage was ist Genever und wie wird er produziert. Dazu besuchten wir die kleine Brennerei und man erklärte uns recht ausführlich den Prozess.
Was ist Genever?
Genever, auch bekannt als Jenever, ist ein traditioneller Wacholderschnaps niederländischer und belgischer Herkunft. Der Schnaps hat mindestens 35% Alkoholgehalt und wird gerne als Vorläufer des Gin bezeichnet. Er stammt ursprünglich aus den Niederlanden, wird aber geographisch geschützt auch in Belgien hergestellt. Sollte der Schnaps in anderen Regionen entstehen, wird er als Wacholderschnaps deklariert. Genever wird gerne in Cocktails verwendet. Mit der zunehmenden Beliebtheit von Gin ging der Marktanteil zurück.
Die Herstellung dieses einzigartigen Getränks hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert und folgt einem sorgfältigen Prozess, der sowohl traditionelle als auch moderne Techniken umfasst.
Herstellung von Genever
Die Herstellung von Genever beginnt mit der Auswahl der Rohstoffe. Typischerweise werden Gersten- oder Roggenmalz verwendet, manchmal auch Mais und gemälzte Gerste. Das Mälzen, ein spezialisierter Vorgang, findet heutzutage in Mälzereien statt, um die Qualität des Malzes gewährleisten zu können. In der Groninger Genever Stokerij wird hauptsächlich Roggen aus der Region Westerwolde verwendet.
Der nächste Schritt ist die Herstellung des sogenannten Malzweins (Moutwijn, Maltwine). Hierbei wird aus den ausgewählten Getreidesorten eine Maische hergestellt. Die Maische wird im Anschluss fermentiert und anschließend destilliert. Die Destillation führt man oft bis zu drei oder vier Mal durch, um einen feinen, malzigen Spiritus zu erzeugen. In der Groninger Genever Stokerij dauert dieser Prozess mindestens drei Tage, um dem Alkohol nach jedem Durchgang etwas Pause zu gönnen. Das intensiviert später den Geschmack.
Ein Teil des Spiritus destilliert der Brenner erneut, diesmal jedoch mit einer Mischung aus aromatischen Zutaten wie Wacholder, Kümmel, Anis und Koriander. Den Wacholder bezieht die Brennerei aus der niederländischen Region Drenthe. Diese so angereicherte Spirituose vermischt man dann mit einem neutralen Getreidespiritus, um die gewünschte Geschmacksbalance zu erreichen.
Im Anschluss muss der Schnaps noch reifen. Dazu kommt er in Lagertanks oder Fässern. Liegt er im Fass, erhält er zusätzlich einen leicht holzigen Geschmack. Sollte das Fass zuvor zum Beispiel zur Lagerung von Wein genutzt worden sein, kann sich auch dieser Geschmack widerspiegeln.
Die Reifung kann mehrere Monate bis Jahre dauern. Wenn das gewünschte Endprodukt erreicht ist, kann man den Genever in Flaschen abgefüllen.
Die verschiedenen Sorten von Genever
Wer Genever kaufen möchte, wird oft mit den Begriffen „Old Genever“ und „Young Genever“ konfrontiert. Dieses sind Bezeichnungen, an denen man die unterschiedlichen Sorten erkennen kann.
Young Genever (Jonge Jenever)
Dieses ist die Bezeichnung für die jüngere Sorte Genever, die mit viel Neutralalkohol vermischt ist. Ein solcher Genever darf höchstens noch 15 Prozent Malzwein enthalten und nicht mehr als 10 Gramm Zucker pro Liter. Jonge Genever trinkt man am besten gekühlt.
Geschmacklich liegt dieser Schnaps näher an Wodka.
Old Genever (Oude Jenever)
Der Old Genever bezeichnet den klassischen Genever. Der Gesetzgeber hat allerdings bestimmt, dass das Label jeder Genever tragen darf, der mindestens 15 Prozent Malzwein in der Mischung hat und nicht mehr als 20 Gramm Zucker pro Liter enthält. Oude Genever genießt man bei Raumtemperatur, da er so sein volles Aroma entfaltet.
Der Old Genever ist geschmacklich eher dem Whisky näher als dem Wodka.
Corn Wine Genever (Korenwjin)
Wenigstens 51 Prozent Malzweine müssen in die Flasche sein, damit sich ein Genever dieses Label geben darf. Oft wird er noch in Eichenfässern gelagert.
Tasting in der Groninger Genever Stokerij
Nachdem wir nun wissen, wie Genever hergestellt und getrunken wird, war es höchste Zeit ihn auch zu probieren. Traditionell serviert man Genever in einem tulpenförmigen Glas.
Wie bei einer Weinprobe schwenke ich zunächst die klare Flüssigkeit im Glas, um dann zuerst den Geruch zu genießen. Der Genever riecht würzig, nicht süß und erinnert sofort an einen Kräuterschnaps.
Der erste Schluck überrascht. Im Mund eröffnet sich eine würziger Geschmack, man merkt den hohen Alkoholgehalt. Aber es brennt nicht, so wie man es häufig hat, bis in den Magen. Der Alkohol entfaltet sich nur oberhalb des Rachen und fließt angenehm die Speiseröhre hinab. Ich mag es!
Ein Schluck Fladderak
Ich hatte das Glas noch nicht ganz geleert, als wir man uns die zweite Spezialität aus Groningen präsentierte. Eine Steingutflasche mit einem Inhalt der sich Fladderak Likeur nennt stand auf Tisch. Der Likör wird nur in dieser Region hergestellt.
Fladderak wird hauptsächlich aus Zitronen produziert, was ihm eine frische und volle Geschmacksnote verleiht. Oft vergleichen die Gäste den Likör mit Limoncello, einem italienischen Zitronenlikör. Ein Hauch von Kardamom sorgt allerdings für eine zusätzliche geschmackliche Überraschung und unterscheidet ihn vom Limoncello. Im Gegensatz zum Genever ist der Fladderak süß, aber nicht weniger alkoholhaltig. Er schmeckte wirklich sehr nach Limoncello und erinnerte mich sofort an Urlaub in Italien. Sehr lecker und durch die Süße verführerisch. Da merkt man erst zu spät, wie viel Alkohol man getrunken hat.
Bessen Likeur als Abschluss
Den Abschluss unseres Tastings in der Groninger Genever Stokerij bildete die Verkostung des Bessen Likeurs, einem traditionellen Likör, der in der Region Oldambt hergestellt wird. Der Begriff “Bessen” ist das niederländische Wort für Beeren, was ja schon vermuten lässt, dass in dem Likör Beeren (hier sind es Brombeeren)verarbeitet sind. Diese werden mit dem Genever verarbeitet und ergeben einen nicht zu süßen, fruchtigen Likör. Bessen Likeur kann pur genossen werden, oft als Digestif nach dem Essen. Er eignet sich auch hervorragend als Zutat in Cocktails, wo seine fruchtigen Noten andere Aromen ergänzen können.
Mein Highlight des Tastings war eindeutig der Genever, was sicherlich auch daran liegt, dass ich nicht ganz so gerne süßen Liköre trinke und eher den Schnaps bevorzuge.
Die letzte Frage zum Schluss
Blieb noch zu klären, warum steht ein Lada vor der Tür und warum sehen die Etiketten der Flaschen so nach Kommunistischen Zeichnungen aus?
Für diese Antwort müssen wir einen Blick in die Geschichte der Graanrepubliek, in der die Groninger Genever Stokerij liegt werden.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Region Oldambt zu einer der wohlhabendsten Regionen der Niederlande, bekannt als das „Getreideparadies“ oder die Kornkammer Europas. Der landwirtschaftliche Erfolg führte jedoch zu einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Die Region war von Herrenbauern regiert, und das Getreide brachte ihnen großen Reichtum. Gleichzeitig lebten viele Landarbeiter in Armut, was zu sozialen Spannungen führte. Die sozialen Ungleichheiten führten dazu, dass die Arbeiterschaft ihre Stimme erhob. Sozialistische Anführer wie Domela Nieuwenhuis wurden um die vorletzte Jahrhundertwende zu lokalen Helden im Oldambt. Winschoten und die umliegenden Orte wurden zu einer Hochburg des Sozialismus und später des Kommunismus in den Niederlanden. Diese politische Bewegung fand besonders im Reiderland starken Rückhalt, was dazu führte, dass die Region bis heute eine Hochburg der niederländischen Kommunisten geblieben ist.
Mit diesem geschichtlichen Hintergrund macht der Lada vor der Haustür Sinn und auch die Gestaltung der Flaschen bildet einen direkten Bezug auf die Vergangenheit.
Gut zu wissen
Es ist für Gruppen und mindestens 7 Personen möglich Führungen und Tastings individuell zu buchen. Die Preise variieren je nach Länge und Anzahl der verköstigten Getränke.
Für Einzelpersonen besteht die Möglichkeit nach Voranmeldung am Samstag zwischen 15 und 17 Uhr ein Tasting zu buchen. Nutzen sie diesen Link für die Buchung
Es wird zum Genever Tasting ein Snack angeboten. Für die Vorbereitung benötigt man etwas Zeit.
Ja, es ist möglich die Erklärungen und das Tasting in deutsch oder englisch zu erhalten.
Adresse
Kromme-Elleboog 22,
9682 XH Oostwold, Niederlande
Webseite Groninger Genever Stokerij
Der Besuch der Groninger Genever Stokerij war ein Programmpunkt während einer Recherchereise durch die Region Groningen.
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