Eins der wohl beeindruckendsten Gebäude in Regensburg ist das Alte Rathaus am Rathausplatz. Hier kann man mit einer Führung auf Entdeckungsreise gehen und etwas über die Geschichte der Regensburger Reichstage erfahren.
Regensburg benötigte 1245 ein Rathaus, als die Stadt eine freie Reichsstadt wurde. Nun war es der Stadt erlaubt, einen Bürgermeister und einen Rat zu haben. So entstand Mitte des 13.Jahrhunderts der älteste heute noch erhaltene Gebäudeteil des Rathauses.
Der 55 Meter hohe Ratsturm und die Anbauten wurden in der Nähe des ehemaligen Römerkastells errichtet. Ein Bogen im Erdgeschoss des Turms führt zum Rathaushof.
Das zweigeschossige Ratssaalgebäude errichtete man 1320-1330, ursprünglich stand es frei neben dem Rathausgebäude, erst nachträglich schaffte man eine Verbindung zwischen den Bauwerken. Im Zuge dieser Arbeiten entstand auch der vorgesetzte Portalbau mit Treppenhaus und Vorhalle zum Reichssaal. Dieser Eingang scheint etwas größer geworden zu sein, als zunächst geplant. Guckt man genauer hin, wird man entdecken, dass ein Fenster des Reichssaals zugebaut worden ist. Zählt man im Saal die Fenster, fällt eine Vierergruppierung der Fenster auf, nur an einer Stelle sind es drei Fenster. Das Fenster Nummer 4 ist durch die neu errichtete Wand zugebaut worden.
Ein Erker ziert die Fensterfront des Reichssaals. Hier zeigte sich der Kaiser bei seiner Anwesenheit während der Reichstage dem Volk und ließ sich huldigen.
Kleine Geschichten zum Alten Rathaus
Das Stadtwappen von Regensburg zeigt zwei gekreuzte silberne Schlüssel auf einem roten Schild. Guckt man sich die Fassade am Alten Rathaus an, wird man hier sieben Mal das Wappen entdecken. Es gibt keinen Ort in der Altstadt, in der das Wappen öfter zu sehen ist.
Am Eingang des Rathauses stehen zwei Statuen. Mit verschränkten Armen, Streithammer in der Hand, Stein werfend und grimmig guckend sollen sie den Schutz der Stadt versinnbildlichen. Besonders schön sind die Namen, die die beiden Figuren erhalten haben: Schutz und Trutz!
Reichstage in Regensburg
Bereits unter Karl dem Großen trafen sich der Kaiser und die Fürsten zu Reichsversammlungen. Zunächst fand dieser noch an unterschiedlichen Orten statt. Auch Regensburg war 16 Mal Tagungsort.
Von 1594 an fanden die Reichstage nur noch in Regensburg statt, allerdings waren dieses zeitlich begrenzte Treffen.
1663 wurde erneut ein Reichstag in Regensburg einberufen. Zunächst verhandelte man über die gewünschte Unterstützung, die Kaiser Leopold I. gegen die Türken erbeten hatte. Nachdem der Kaiser die Stadt wieder verlassen hatte, wollten die Gesandten der Fürsten nur noch die restlichen Geschäfte abwickeln und dann ebenso Regensburg verlassen. Die Arbeiten nahmen aber kein Ende und der Reichstag konnte nicht aufgelöst werden. Es entstand eher unbeabsichtigt der Immerwährende Reichstag, der 143 Jahre lang im Reichssaal und den angrenzenden Beratungsräumen tagte.
Rückblickend lässt sich sagen, dass es das erste deutsche Parlament (nicht demokatisch gewählt) war, dass in Regensburg getagt hat.
Zeit nach den Reichstagen
Nachdem das Heilige Römische Reich nicht mehr existierte, war der Reichssaal viele Jahre lang ungenutzt. Ab 1806 nutzte man den Saal als Lagerraum. Später mahnte man an, dass dieser historische Raum „verkommen“ würde und warf der Stadt Regensburg fehlendes Verantwortungsbewußtsein mit historischem Gut vor.
Regensburg beschloss daraufhin den Saal zu renovieren. Die Finanzierung erfolgte durch eine Lotterie und 1910 waren die Bauarbeiten abgeschlossen.
Reichstagsmuseum
Die Führung durch das Rathaus führt durch die Räume des Reichstagsmuseums, den historischen Räumen, in denen der Immerwährende Reichstag stattgefunden hat.
Zunächst betritt man das Kurfürstenkollegium. Hier tagt bis 1663 der Innere Rat der Reichsstadt Regensburg, während der Reichstags nutzten die Kurfürsten den Raum. Diese waren zum Beispiel für die Wahl des Kaisers zuständig. Zu Zeit des Immerwährenden Reichstages stand der Raum ausschließlich dem Kurfürstenkollegium zur Verfügung. Die Zahl der Mitglieder schwankte zwischen sieben bis zehn Mitgliedern.
Mir hat besonders die große Uhr aus dem Jahr 1624 gefallen. Diese verfügt nur über einen Stundenzeiger. Die Minuten musste man schätze. Das alte Uhrwerk ist noch vorhanden und muss täglich aufgezogen werden.
Durch eine Tür gelangt man in ein Nebenzimmer, das sich im Turm des Alten Rathauses befindet. Hier fanden ab 1664 die geheimen Beratung der Kurfürsten statt. Die Wände sind mit Eiche und ungarischer Esche getäfelt. Es gibt in die Wand eingelassene Wandschränke, die zur Aufbewahrung von Dokumenten genutzt worden sind.
Hier soll angeblich auch ein Tisch gestanden haben, der eine grüne Tischplatte/Decke hatte. An diesem Tisch wurde getagt und verhandelt und manchmal auch entschieden. Ob daher der Spruch „am Grünen Tisch entschieden“ stammt? Man weiß es nicht genau.
Durch eine Vorhalle gelangen wir in den Reichssaal.
Reichssaal im Alten Rathaus
Der Reichssaal ist der wohl beeindruckendste Raum im Verlauf der Führung.
Der Saal ist 8 Meter hoch. Eine wunderschöne erhaltene Holzdecke mit Dekorationsmalereien überspannt ohne Stützen den Saal. Es ist eine Holzdecke aus dem 15.Jahrhundert, auf der man in der Deckenmitte die Figur des heiligen Petrus entdecken kann. Auffällig sind die wunderschönen Leuchter an der Decke, die mir sehr bekannt vorkamen. Es handelt sich um Nachbildungen der Leuchter aus dem Lübecker Rathaus, die ich bei einem Besuch im Lübecker Rathaus schon bewundert habe.
Ursprünglich diente der Raum als Tanz- und Festsaal für die Bürger der Stadt Regensburg (1320 – 1330).
Hier trafen sich während des Reichstages die drei Reichsstände (Kurfürsten, Fürsten, Reichsstädte) unter anderem zur Abstimmung neuer Gesetze und Verordnungen. Dabei saßen sie in einer ganz bestimmten Anordnung, die sich an ihrem Stand orientierte. Heute steht nicht mehr die Originalbestuhlung im Saal, aber durch eine gelungene „Nachstellung“ erfährt man sehr genau, wer damals wo gesessen hat. Dieses wird zum Beispiel durch unterschiedliche Sitzhöhen und die unterschiedlichen Sitze sehr deutlich.
Fragstatt – die Folterkammer im Alten Rathaus
Weiter ging es in die Fragstatt. In diesem Raum wurden Verhöre unter Folter durchgeführt. In Regensburg kann man noch original erhaltene Geräte am Originalschauplatz sehen
Im ersten Raum stehen Geräte, wie sie zum Strafvollzug in der Öffentlichkeit eingesetzt wurden. Am sogenannten Pranger stehend waren die Beschuldigten dem Spott der Öffentlichkeit ausgesetzt. Besonders interessant fand ich die sogenannte Doppelgeige. Hier wurden streitsüchtige Frauen eingeschlossen und mussten sich Auge in Auge gegenüber stehen. Da flogen bestimmt ganz schön die verbalen Wortfetzen hin und her.
In der eigentlichen Fragstatt führte man ab 1532 die „peinliche Befragung“ (schmerzhafte Befragung) durch. Der Ablauf war durch die erste deutsche Strafprozeßordnung (Constitutio Criminalis Carolina“) geregelt. Danach war die Verurteilung des Angeklagten erst nach einem Geständnis möglich. Nur bei ausreichenden Indizien und mindestens zwei Augenzeugen konnte man auf das Geständnis verzichten. Hinter einer Wand saßen die „Fragenden“, gefielen Ihnen die Antworten auf ihre Fragen nicht, wurden die Beschuldigten gefoltert. Einige der alten Folterwerkzeuge stehen dort noch immer. Es waren wirklich grausame Geräte.
Ein weiterer Raum, der während der Führung besichtigt werden kann, sind einige der Gefängniszellen. Eine davon ist eher ein Loch im Boden (Lochgefängnis), die beiden anderen kleine Verschläge, in denen man sich nur in gebückter Haltung bewegen konnte (Blockkeuchen).
Uns hat die Besichtigung mit dem sehr guten Tourguide wirklich gefallen. Ich habe mein Wissen rund um die Geschichte Deutschlands erweitert und die besuchten Räume waren sehr beeindruckend.
Adresse:
Rathausplatz 4
93047 Regensburg
Ticketverkauf:
Tourist Information
Altes Rathaus, Rathausplatz 4
93047 Regensburg
Die genauen Zeiten der Führung und die Verfügbarkeit von Eintrittskarten sollten dort erfragt werden.
Eintrittspreise:
Erwachsene: 7,50€
Die Führung dauert etwa 60 Minuten. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt!
Offenlegung: Die Führung durch das Alte Rathaus von Regensburg gehörte zu dem Programm unserer Bloggerreise in Regensburg. Der Bericht ist unabhängig zu diesem Besuch entstanden und entspricht ausschließlich unseren Eindrücken.
Schreibe einen Kommentar