Unter dem Stettiner Hauptbahnbof befindet sich der größte zivile Schutzbunker in Polen. Diesen kann man bei einer Bunkertour in Stettin besichtigen und dabei in eine fast vergessene Zeit eintauchen.
Auf Gleis 1 des Stettiner Hauptbahnhofs entdecken wir einen großen Glaskasten, der den Eingang zu einer Treppen verschließt. Ein Hinweisschild verrät, hier befindet sich der Eingang zu einer Bunkeranlage aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Erbaut wurde der Bunker 1941, ist aber erst seit 2006 für die Bunkertour in Stettin geöffnet.
Schon während wir die Stufen hinab steigen wird es merklich kühler. Hier, tief unter der Erde sind fast konstant 12 Grad, und wer sich länger dort aufhält, sollte sich etwas wärmeres anziehen. Es ist auch sinnvoll, etwas Bargeld in der Tasche zu haben. Zwar besteht die Möglichkeit den Eintritt mit der Karte zu bezahlen, aber die Internetverbindung ist nicht immer so gut, dass der Terminal unter dem Bahnhof funktioniert.
Eine Bunkertour in Stettin ist auch ohne Führung möglich. Es gibt drei gut ausgeschilderte Routen, die jeweils einen Themenschwerpunkt betrachten.
Bunkertour in Stettin
Durch große schwere Stahltore betritt man den Bunker unter dem Bahnhof. Hier haben im Zweiten Weltkrieg bis zu 5000 Menschen auf einer Fläche von etwa 3000 m² Schutz gefunden. Über 5 unterirdische Stockwerke erstreckt sich der Bau, der nach dem Krieg von Polen für kurze Zeit als Atomschutzbunker umfunktioniert worden ist.
Verlaufen kann man sich nicht. Alle Bereiche, die geöffnet sind, sind gut ausgeschildert und die drei Routen durch ihre farblichen Kennzeichnungen gut voneinander getrennt. Der gesamte Ausstellungsbereich ist in Polnisch, Deutsch und Englisch beschrieben. Wer gerne die Informationen in einer anderen Sprache erhalten möchte, sollte an der Kasse nachfragen, dort gibt es einige weitere Übersetzungen zum Ausleihen.
Route: „Zweiter Weltkrieg“
Der Rundgang beginnt mit dem Themenbereich rund um den Zweiten Weltkrieg. Man läuft durch lange Tunnel und kann auf Tafeln etwas über das Festungssysteme von Stettin, die Luftschutzräume und Bunker, die während des Zweiten Weltkriegs in Stettin errichtet wurden, erfahren. Die Gänge haben eine Höhe von 3 Metern und die Länge des größten Korridors beträgt 100 Meter. Es ist schummriges Licht und ich empfinde es als bedrückend hier unterwegs zu sein.
Besonders spannend finde ich den Blick auf das „Leben“ im Luftschutzbunker während der Luftangriffe. Da gab es doch extra Räume, in die die Menschen „sortiert“ wurden. Zunächst musste man am Eingang einen Ausweis vorlegen, um den Bunker überhaupt betreten zu können. Es durften nur Deutsche Bürger (Stettin gehörte damals zu Deutschland) dort Schutz suchen.Dann gab es Räume für Frauen, für Kinder und deren Erziehungsberechtigten und Räume für Männer. Der Raum für die Kinder hatte zum Beispiel als einziger eine Heizung.
An einigen Stellen entdeckt man noch heute an die Wand geschriebene Hinweise und Regeln. Es gibt Tafeln, die das korrekte Tragen von Gasmasken erklären.
Schon diese Darstellungen sind recht bedrückend. Zusätzlich werden weitere Informationen rund um die Kriegszeit sehr eindrucksvoll dargestellt. Man erfährt etwas über die Zwangstransporte der polnischen Bevölkerung in der Kriegszeit, die zum Teil in deutsche Arbeitslager aber auch in Lager nach Sibirien gebracht wurden. Für mich schließt sich hier ein Informationskreis, hatte ich doch gerade in Berlin ein Zwangsarbeiterlager besucht und mich mit diesem Thema beschäftigt.
Ein weiteres Thema, dass sehr eindrucksvoll dargestellt ist, beschäftigt sich mit der Zerstörung Stettins, dem Ende des deutschen Stettins, der Aussiedlung und Ansiedlung der Bevölkerung, den ersten Tagen des polnischen Stettins und den ersten Nachkriegsjahren.
Route: „Kalter Krieg“
Die zweite Route beschäftigt sich inhaltlich mit der Zeit des „Kalten Krieges“. Man läuft nun durch einen anderen Bereich des Bunkers, in dem kleinere Räume und nicht mehr lange Tunnel dominieren.
Hier sieht man recht deutlich, wie die vorhandenen Räume an die neuen Bedürfnisse angepasst worden sind. So hat man Kabinen mit Telefonzellen aufgebaut. Die hier empfangenden Nachrichten hat man dann ins Hauptquartier weiter gereicht.
In einem Raum entdecke ich eine große Karte, die das Bahnhofsgelände zeigt. Hier hat man zusätzlich Informationen zum Bunkersystem dargestellt. Erst jetzt wird mir bewusst, wie groß diese Anlage sein muss.
Bedrückend fand ich die Vorstellung, dass der Luftschutzbunker zu einem Atombunker umgerüstet worden ist. Man kann heute zum Beispiel in einen Raum sehen, in dem Anti-Chemie-Pakete liegen. Bis heute strömen aus diese Pakete ein unangenehmen Geruch heraus, sie hätten im Ernstfall gegen Kontaminierungen helfen sollen.
Route: „Selfie mit PRL – Kommunismus“
Der dritte und letzte Abschnitt der Ausstellung in der Bunkeranlage zeigt bunte und lustig wirkende Elemente, die die Besucher zum Selfie machen animieren sollen. Diesen Bereich der Ausstellung habe ich ehrlich gesagt nur kurz angesehen. Der Bereich passte nach den inhaltlich ernsten und recht nachdenklichen Eindrücken der ersten Routen nicht in meine Stimmung. Andere Besucher waren jedoch mit Begeisterung dabei zu fotografieren.
Filmdrehort im Bunker unter dem Stettiner Hauptbahnhof
1963 dreht man mit Steve McQueen in der Bunkeranlage Szenen für den Film „The great escape“ (Die große Flucht nach Norden). In diesem Film werden die Ereignisse von 1944 dargestellt, die in den Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges tatsächlich passiert sind. Zwei RAF Flieger aus Norwegen organisierten damals eine abenteuerliche Flucht.
Im Stettiner Bunker hat man einige Filmsets am originalen Drehort wieder aufgebaut.
Adresse:
Krzysztofa Kolumba 2,
70-035 Szczecin, Polen
Öffnungszeiten:
täglich: 10-16 Uhr
Eintrittspreise:
Erwachsene: 38,-PLN
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Michael Grimm
Gruselig