Etwas abseits der touristischen Pfade, in der Neustadt befindet sich einer der beeindruckendsten und bedrückendsten Orte, die ich bisher besucht habe, die Gedenkstätte Bautzner Strasse Dresden, ein ehemaliger „Stasi“-Knast.
Fast hätten wir die unscheinbare Einfahrt verpasst, die uns auf den kleinen Parkplatz der Gedenkstätte Bautzner Strasse führte. Das lag sicherlich nicht nur an der Größe der Einfahrt, sondern auch daran, dass ich mit Gefängnis immer einen von hohen Mauern geschützten Bau verbunden habe und hier auf den ersten Blick ein Wohn- und Bürogebäude zu sehen ist.
Die Gedenkstätte befindet sich auf den Gelände der ehemaligen Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit in Dresden, in der Bautzner Straße 112a.
Das Sowjetische Kellergefängnis
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte der sowjetische Geheimdienst mehrere Gebäude in Dresden als Haftanstalten. Oft nutzen sie vorhandene Gefängnisse, in der Bautzner Straße, in einer alten Papier- und Kartonfabrik, richteten sie in einem Kellergeschoss ein Untersuchungsgefängnis ein. Dieses wurde wahrscheinlich ab 1949 für die Inhaftierung genutzt.
Nicht nur vermeintliche Nazi- und Kriegsverbrecher, sondern auch Systemkritiker hielt man hier gefangen. Viele der Gefangenen verurteilte das Sowjetisches Militärtribunal zum Tode oder schickte sie in ein Gulag, ein Straf- und Arbeitslagern in der Sowjetunion. Andere Gefangene kamen in Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone. Beeindruckende Dokumente und Informationstafeln belegen diese grauenhaften Urteile.
Wir haben diesen Bereich der Gedenkstätte zuerst besucht. Über eine enge Treppe gelangt man in den sogenannten „Fuchsbau“, in den ehemaligen Haftkeller. Metalltüren verbergen karge Zellen. Einige der Zellen sind geöffnet und man kann in dunkle muffige Räume blicken, die zum Teil noch die alten Pritschen beherbergen.
In einer der Zellen mit einer recht breiten Holzpritsche waren 5-7 Personen inhaftiert. Auch in die Waschräume, Toiletten und den Karzer kann man heute schauen. Über eine Treppe erreicht man einen Innenhof, der die einzig Möglichkeit für die Gefangenen war, etwas Tageslicht zu sehen.
In einigen der ehemaligen Zellen befinden sich heute Tafeln, die über das Schicksal einzelner Häftlinge berichten. Den Audioguide, in dem Zeitzeugen über ihre Erinnerungen berichten, haben wir nicht ausgeliehen. Auch ohne diese Berichte zu hören, empfand ich das Kellergefängnis so bedrückend, entwürdigend und erschreckend, dass ich diesen Ort nur zu gerne verlassen habe.
Die Stasi-Bezirksverwaltung und der Stasi-Knast
1953 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit das Gebäude an der Bautzner Straße und ließ ein neues Hafthaus errichten.
Man geht heute davon aus, dass etwa 10.000 DDR-Bürger bis 1989 hier inhaftiert waren. Die überwiegende Anzahl der Inhaftierten waren politische Häftlinge, die zum Beispiel gegen die Verhältnisse in der DDR protestiert hatten, oppositionelles Verhalten zeigten (Spionage/Agententätigkeit, Widerstand/Gewalt gegen Polizei, Kontakt zu westlichen Organisationen) oder Republikflucht versucht hatten.
Es gab auch Zellen für Ausländer. Diese brachte man hier zum Beispiel bei Verdacht auf Spionage unter, oder wenn sie zu Schleusergruppen gehörten. Im Gegensatz zu den Zellen für die DDR Bürger bekamen die Ausländer eine Einzelzelle, die so groß war, wie die Dreierzelle der anderen Gefangenen. Zusätzlich hatte die Zelle ein vergittertes Fenster mit durchsichtigem Glas, damit Tageslicht in der Zelle war. Schlafen durften die „Ausländer“ auf Metallpritschen, die im Gegensatz zu den Holzpritschen gefedert waren.
Die Haftbedingungen waren nicht nur nach heutigen Maßstäben menschenunwürdig. Die Gefangenen mussten strenge Verhöre über sich ergehen lassen und lebten mit einer immensen psychologische Belastung.
Neben der Untersuchungs-Haftanstalt nutzte der Staatsapparat auch Teile des Gebäudes für die Stasi-Bezirksverwaltung.
Das Ende des Stasi-Gefängnisses
Nur vier Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer besetzten Demonstranten das gesamte Gebäude. Ihnen gelang es so, die bereits begonnene Vernichtung zahlreicher Stasi-Akten zu stoppen und das vorhandene Inventar zu sichern. Politische Häftlinge befanden sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Untersuchungsgefängnis. Die Gefängniszellen nutzte man kurz entschlossen zur Lagerung der geretteten Akten und schützte sie so vor der Vernichtung und vor den Zugriffen von Unbefugten.
1990, nach der Wiedervereinigung, zog die Dresdner Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) in das Gebäude. Drei Jahre lang versuchte man nun, die gesicherten Unterlagen der Stasi zu sichten und auszuwerten. Einen Teil des Gebäudes nutzte eine Berufsfachschule und die ehemalige Mensa war eine Diskothek.
1994 stellte man das Hafthaus unter Denkmalschutz und nur drei Jahre später begannen der Trägerverein „Erkenntnis durch Erinnerung“ und die „Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft“ die Gedenkstätte Bautzner Strasse aufzubauen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Besuch im Stasi-Knast
Nachdem wir das Kellergefängnis verlassen hatten, öffneten wir eine Tür und standen in einer mehrstöckigen Untersuchungshaftanstalt. Hier ist noch fast alles so, wie man es 1989 verlassen hat.
Die Zellen befinden sich an den Längsseiten rund um einen kleinen Innenraum. Stellt man sich in die Mitte und guckt nach oben, kann man drei Etagen erkennen, auf denen sich weitere Zellen befinden. Der Rundgang in jeder Etage ist mit Gittern zum Innenbereich abgetrennt.
Über die Etagen verteilt befinden sich 44 Zellen, die alleine oder zu zweit „bewohnt“ wurden. In einige der Zellen kann man durch die geöffnete Tür gucken, bei anderen ist der „Wärterblick“ durch das Guckloch möglich.
Zusätzlich gibt es einige „Funktionszellen“, zum Beispiel den Vernehmungsraum, den Raum zur Erstellung von Fotografien, aber auch Arrestzellen und die Fahrzeugschleuse für die Gefangenentransporter, sind für die Besichtigung geöffnet.
Bei unserem Rundgang kommen wir an der „Schreibzelle“ vorbei. Den Inhaftierten war das Schreiben in der eigenen Zelle untersagt. Einmal in der Woche konnten sie in dieser Zelle, unter Bewachung, Briefe an Verwandte schreiben, die allerdings keine Informationen zu den Haftbedingungen enthalten durften. Bevor diese verschickt wurden, kontrollierte man sie und verschickte nur die regelkonforme Briefe.
Eine weitere Funktionszelle ist der Fotoraum. Direkt nachdem der Untersuchungshäftling im Gefängnis eintraf, erstellte man Fotos von ihm. Dazu behielt er seine Zivilkleidung an und es durfte auch nichts an der Frisur oder dem Bart verändert werden. Man erstellte drei Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Häftling saß dabei auf einem Stuhl, der mit einem Hebel in die richtige Position gebracht wurde. Zusätzlich nahm man die Fingerabdrücke aller Finger ab und notierte charakteristische Körpermerkmale.
Nachdem wir zunächst das Erdgeschoss erkundet hatten, ging es über Treppen in die oberen Stockwerke. Durch feste Gitter kann man nach unten blicken – hier hat der Ausspruch „hinter Gittern“ seine Berechtigung.
Im gesamten Gefängnisbereich kann man auf Tafeln nicht nur über die Funktion der einzelnen Räume etwas erfahren, sondern auch über den Tagesablauf der Gefangenen oder dem Vorgang der Gefangenenaufnahme. Weitere Tafeln berichten über die Schicksale von Inhaftierten.
In der obersten Etage des Zellengebäudes öffneten wir eine Tür und gelangten über ein Treppenhaus in die ehemaligen Räume der Stasi-Bezirksverwaltung Dresden. Diese sind 2014 für die Besucher der Gedenkstätte Bautzner Strasse geöffnet worden.
Die Bezirksverwaltung in Dresden war in 16 Kreisdienststellen und eine Objektdienststelle mit über 30 Diensteinheiten gegliedert. Insgesamt waren etwa 3500 hauptamtliche Mitarbeiter 1989 dort beschäftigt.
Bei einem Rundgang durch die wirklich sehr informative und gut aufgearbeitete Ausstellung gelangt man schließlich auch zu einem Beratungsraum, zum Stasi-Festsaal und zum Büro des letzten Leiters der Bezirksverwaltung. Die Räume sehen aus, als ob gerade jemand nur kurz hinaus gegangen ist – sieht man von der unmodernen Einrichtung einmal ab.
Mich hat der Rundgang durch die Gedenkstätte Bautzner Straße beeindruckt. Ich habe hier einen kleinen uns sehr informativen Einblick in die Geschichte der ehemaligen DDR erhalten, mit dem ich mich bisher viel zu wenig beschäftigt habe.
Adresse:
Gedenkstätte Bautzner Strasse Dresden
Bautzner Strasse 112a
01099 Dresden
Öffnungszeiten:
täglich: 10-18 Uhr
Regelmäßige Schließtage:
- 1. Januar
- Ostersonntag
- 24. bis 26. Dezember
- 31. Dezember
Eintrittspreise:
Erwachsener: 6,00 €
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Am letzten Sonntag im Monat ist der Eintritt kostenfrei!
Öffentliche Führungen:
Montags um 14 Uhr gibt es eine öffentliche Führung für 3€ + Eintrittspreis.
Immer am ersten Sonntag des Monats, 11 Uhr gibt es eine kostenlose Führung (man zahlt nur den Eintrittspreis).
Virtueller Rundgang in der Gedenkstätte Bautzner Strasse
Über diesen Link kann man sich einen virtuellen Rundgang durch das Gebäude ansehen.
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