Friedhöfe haben eine ganz besondere Anziehungskraft, erzählen sie doch die Geschichte einer Region auf eine ganz andere Weise. Der Nikolaifriedhof in Görlitz stammt aus dem 12. Jahrhundert und es gibt viel zu entdecken.
Erstmals erwähnt wurde der Friedhof, als Nikolaikirchhof, um 1305 im Stadtbuch der Stadt Görlitz. Der Kirchhof lag um den Vorgängerbau der heutigen Nikolaikirche. Mit der Zeit erweiterte man die Fläche und schloss das Gebiet des Pfarrhofes mit ein.
Bis zur Eröffnung des kommunalen Friedhofes der Stadt (1847,) war der Friedhof die Hauptbegräbnissstelle der Stadt. Hier findet man seltene Beispiele der frühneuzeitlichen protestantischen Begräbniskultur mit interessanten Gräbern und Grufthäusern. Auch der Epitaphienbestand aus dem frühen 17. bis Mitte 19. Jahrhunderts ist erstaunlich.
Friedhof in der Reformation
Der Nikolaifriedhof zeigt uns heute den protestantischen Gottesacker, wie er vielerorts während der Reformation entstanden ist. Luther hatte zu dieser Zeit den „feinen, stillen Ort“ gefordert, der der Betrachtung des Todes, des jüngsten Gerichts und der Auferstehung dienen sollte. Das spiegelt sich auch auf vielen er Inschriften wider, die auf die vorübergehende Vergänglichkeit des irdischen Lebens hinweisen. Die Vorstellung wich, dass die Fürbitte eines Heiligen oder das kirchliche Gebet für das Seelenheil des Verstorbenen von Bedeutung war. Auch musste das Begräbnis nicht mehr in unmittelbarer Nähe zur Kirche stattfinden. In der Folge entstanden vornehme Grabanlagen der gut betuchten bürgerlichen Familien in allen Bereichen des Friedhofes. In Görlitz war dieses bevorzugt in dem neueren westlichen Bereich, der erst seit 1624 zum Friedhof gehörte, der Fall.
Spaziergang über den Nikolaifriedhof
Direkt hinter der Nikolaikirche betritt man den an einem Berghang liegenden Friedhof. Ein breiter von Bäumen gesäumter Weg führt den Hang hinauf, rechts und links liegen die Grabfelder. Diese gleichen heute eigentlich mehr einer verwilderten Wiesenlandschaft, die ab und zu von einer erkennbaren Grabstelle unterbrochen wird. Die Natur hat sich dieses Gelände zurückerobert. Bienen schwirren umher, Eichhörnchen springen von Baum zu Baum – eigentlich wirkt der Friedhof schon eher wie ein Park.
Streift man über den Nikolaifriedhof in Görlitz kann man noch über 800 Grabmale und Epitaphien aus dem Zeitraum des frühen 17. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts entdecken. Jedes Grabmal ist stilistisch einmalig und man kann die unterschiedlichen Einflüsse des Barocks, des Rokokos und des Klassizismus erkennen. Etwas „neuere“ Grabmale lassen sich der Romantik und dem Historismus zuordnen.
Guckt man sich das Material der Grabmale an, wird man schlesischen Sandstein und Elbsandstein entdecken. Auch Gusseisen mit aufgesetzten Buchstaben, die ersten Anzeichen industrieller Vorfertigung, wird man finden. Die Inschriften der Steine sind oft nicht nur auf die Namen und Daten der Toten beschränkt. Man findet auch religiöse Texte und viele Bildmotive, die mit den christlichen Tugenden verknüpft sind. Einige der Grabmale sind inzwischen so verwittert oder zugewachsen, dass es schwer fällt die Inschriften zu lesen.
Etwas besonderes sind die 17 noch erhaltenen Grufthäuser auf dem Nikolaifriedhof. Das älteste Haus stammt aus dem Jahr 1618, die meisten sind um 1700 entstanden. Ich habe gelesen, dass das Innere der Grufthäuser oft sehr prachtvoll gestaltet worden ist, allerdings ist ein Blick hinein nicht möglich. Die Grufthäuser sind äußerlich genauso unterschiedlich gestaltet, wie die Grabmale.
Jakob Böhme
Einem Hinweisschild auf dem Friedhof folgend, bin ich zu dem eher schlichteren Grab des wohl berühmtesten Sohns der Stadt gestoßen. Der Theosoph Jacob Böhme (1575-1624) ist auf dem Nikolaifriedhof bestattet worden. Wer in Görlitz unterwegs ist, wird immer wieder auf seine Spuren stoßen.
Drehort für Filme
Der Friedhof ist einer von vielen Drehorten in Görliwood. Ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass diese Kulisse die Filmemacher begeistert. Das richtige Licht, das richtige Skript und die richtigen Schauspieler lassen vom gruseligen Horrordreh bis zum mystischen Ort einmalige Momente entstehen.
Der Nikolaifriedhof ist zum Beispiel in dem deutsch-französischen Film „Frantz“ zu sehen. Auch Szenen aus der Krimireihe „Wolfsland“, die ARD und MDR produzieren, hat man hier gedreht.
Marike
Danke für den guten Bericht! Bei meinem Aufenthalt in Görlitz habe ich demnach definitiv etwas verpasst. Du schreibst einen Aufruf zum Wiederkommen, herzlichen Dank. Grüße, Marike
Susanne Jungbluth
Ich war echt überrascht, wie viel Charme diese Stadt hat. Auch wir werden bestimmt noch einmal hinfahren. Ich habe noch so einiges auf der “Liste”.
LG Susanne