Die sicherlich beste Aussicht von einem der vielen Türme in Görlitz kann man vom Rathausturm genießen. Der Aufstieg lohnt sich und gehört einfach bei einem Besuch in der Stadt dazu.
Rathaus von Görlitz
Die Stadt Görlitz erhielt 1303 das Magdeburger Stadtrecht. Das war der Startschuss für die Planung zum Bau eines repräsentativen Verwaltungsgebäudes. Innerhalb der Stadt war der Baugrund jedoch rar und so entschloss man sich, am Untermarkt ein bestehendes Gebäude zu kaufen und auf einen Neubau zu verzichten.
Am Untermarkt 6 befindet sich auch heute noch der älteste Teil des Rathauses, das zuvor als Wohnhaus eines böhmischen Dienstmannes genutzt wurde. Es folgten mehrere Umbauten und im 16. Jahrhundert stockte man das Gebäude auf. Ab 1870 begannen die Arbeiten zur Schaffung einer einheitlichen Fassade.
Der Rathausturm
1378 findet man eine Erwähnung zum Türmchen am Rathaus. Die Höhe des Turms muss den Görlitzern allerdings nicht ausgereicht haben. Von 1511 bis 1516 erhöhte man den Turm um 60 Meter. Dabei stand der Gedanke an den guten Ausblick über die Stadt natürlich im Vordergrund. Allerdings nicht für Turmbesucher, sondern für den Schutz der Stadt. Im Turm lebten viele Jahre Turmwächter mit ihren Familien, die nach Gefahren Ausschau halten mussten.
Man baute den Turm achteckig und umgab ihn im obersten Stockwerk mit einer Brüstung. Nachdem 1742 ein Blitzeinschlag Zerstörungen am Turm anrichtete, baute man ihn der heutigen Form auf. Zur Marktseite brachte man im Zuge des Neuaufbaus zwei Uhren an.
Über Uhren und brüllende Löwen am Rathausturm
Als ich die beiden übereinander liegenden Uhren am Rathausturm betrachtet habe, fiel mir zuerst die obere Mondphasenuhr auf. Eine wirklich wunderschöne Uhr, die den Lunarkalender abbildet. Der äußere Ring der Uhr zeigt 24 Stunden, der mittlere Ring zeigt die Mondphasen und der innere Ring den Kalendertag an. Aufgrund der Kalenderumstellung funktioniert der innere Ring heute nicht mehr, aber die Mondphasen werden nach wie vor angezeigt.
Die zweite Uhr hat zwölf Ziffern. Den Mittelpunkt der Uhr bildet ein Kopf. Der Legende nach handelt es sich um den Kopf eines Stadtwächters. Dieser hatte den Stadtbrand verschlafen und soll lebendig im Turm eingemauert worden sein. Die Figur öffnet und schließt die orangen Augen im Minutentakt. Die Farbe der Augen sollen den Stadtbrand widerspiegeln und der sich offene Mund das Erstaunen / Entsetzten verdeutlichen, das der Turmwächter beim Entdecken des Brandes spürte.
Oberhalb der beiden Uhren befindet sich der goldene böhmische Löwe. Leider kann man ihn vom Untermarkt nicht vollständig sehen. Im Mittelalter soll dieser Löwe um Mitternacht durch ein mechanisches Prinzip mit Hilfe eines Orgelwerkes kräftig gebrüllt haben. So wollte man Diebe verscheuchen.
Viele Jahre war der Löwe stumm, die Mechanik war defekt und die Reparatur nicht so einfach. Heute brüllt der Löwe dank einer neuen Mechanik wieder. Allerdings nur noch dann, wenn gerade eine Turmführung stattfindet und der Guide die Mechanik bedient.
Turmaufstieg
Der Rathausturm wird regelmäßig für Führungen geöffnet. Man muss sich nicht anmelden, allerdings ist die Teilnehmeranzahl begrenzt. Treffpunkt ist die 1527 erbaute Rathaustreppe, die auch gerne als Hochzeitstreppe bezeichnet wird. Auf der geschwungenen Treppen lassen sich heute gerne die Brautpaare fotografieren.
Eigentlich führte die Treppe in den Gerichtsflügel des Rathauses. Seitlich neben der Treppe hängt die Verkündungskanzel auf einem Säulenpaar. Die Verzierung der Kanzel ist ungewöhnlich. Man erkennt Eva im Sündenfall und Putten, die das Geländer als Rutsche benutzen. 1591 ergänzte man die Statue der Justitia. Auch sie ist sehr ungewöhnlich, die sonst übliche Augenbinde fehlt bei dieser Darstellung. Ob man damit die Rechtssprechung in Görlitz kritisierte?
Wir sind bei der Führung die Stufen hinauf gestiegen und damit begann die Zählung der Stufen, die an der Turmspitze bei 191 enden sollte.
Die Tür zum Rathaus öffnet sich und wir gingen zunächst durch einem kleinen Eingangsbereich von dort geht es die nächsten Stufen hinaus. Durch ein Fenster kann man einen Blick in einen wunderschönen Innenhof werfen.
Hinter einer Tür betraten wir den Dachstuhl des Hauses. Dieser Dachboden wurde zu DDR Zeiten als Schießstand genutzt. Von dort führte uns der Weg hier weiter zur Turmspitze.
Es gibt einige kurze Stopps während des Turmaufstieg, die nicht nur zum Luft holen dienen. Man bekommt in dieser Zeit viele interessante Informationen zu Turmwächtern, Uhren, Glocken und natürlich den Turmlöwen. Dieser ließ sein unnachahmliches Brüllen auch für uns ertönen, während wir etwas über den Mechanismus erfahren haben.
Dann betraten wir den kleinen Rundgang des Turms. Und wirklich, von dort oben hat man eine hervorragende Aussicht über die Stadt. Bei klarer Sicht soll man bis zur Schneekoppe im Riesengebirge und zu den Lausitzer Bergen gucken können. Bei unserem Besuch war die Sicht nicht ganz so gut, aber die Landeskrone konnte man sehr gut erkennen. Ja und der Blick über den Obermarkt und den Untermarkt und die vielen wunderschönen Häuser von Görlitz ist wirklich gut. Von dort oben hat man einen guten Überblick über die Stadt und wir hatten das Glück, dass uns auch noch jede Menge Tipps für einen Stadtrundgang gegeben worden sind.
Görlitzer Drehorte
Die wunderschöne Rathaustreppe ist natürlich auch den Filmschaffenden nicht verborgen geblieben. Hier sind Szenen aus „Gevatter Tod“ und „Der Zauberlehrling“ gedreht worden.
Den Rathausturm kann man in Quentin Tarantinos Meisterwerk „Inglourious Basterds” sehen. In einer Szene schoss man einen Widerstandskämpfer in einer italienischen Kleinstadt von einem Turm. Das war der Rathausturm in Görlitz.
Adresse:
Untermarkt 6
Führungszeiten:
März – Dezember:
Mittwoch – Sonntag: 11-18 Uhr immer zur vollen Stunde
Eintrittspreise:
Erwachsene: 4,-€
Es werden Ermäßigungen angeboten.
Bettina Vehlow
Sehr geehrte Damen und Herren ,
ab wann im März kann man denn den Rathausturm besichtigen und wo bekomme ich Eintrittskarten? Vielen Dank.
Liebe Grüße Bettina Vehlow
Susanne Jungbluth
Hallo!
Leider kann ich Ihnen nicht mit dem genauen Startdatum weiterhelfen. Wir sind nicht die Organisatioren der Turmführung. Die Karten sind in der Görlitz-Information erhältlich. Tel. +49 (0) 3581 – 4757 0 Dort weiß man sicherlich mehr.