Stellt euch einen Ort vor, der schon seit Jahrhunderten besteht und eine Mischung aus zwei total verschiedenen Baustilen hat. Das ist Mariánská Týnice in der Tschechischen Republik!
Mariánská Týnice liegt in der Region Plzeň (Pilsen) im Westen der Tschechischen Republik, etwa 35 km nordöstlich von Pilsen entfernt.
Gründung und Frühgeschichte
Die Geschichte von Mariánská Týnice reicht zurück bis ins Mittelalter. Ursprünglich stand an diesem Ort eine gotische Kirche, die der Jungfrau Maria gewidmet war. Im Laufe der Zeit wurde dieser Ort zu einem bedeutenden Wallfahrtsort, an den viele Gläubige kamen, um ihre Verehrung der Jungfrau Maria auszudrücken.
Ein besonderer Baumeister
Das heutige Aussehen von Mariánská Týnice ist stark von der Barockzeit geprägt. Hier kommt Jan Blažej Santini-Aichel ins Spiel, ein super talentierter Baumeister! Er mixte den alten gotischen Kirchenstil mit dem neuen Barockstil. Es entstand der sogenannten Barockgotik-Stil in Böhmen.
Im Auftrag von Abt Evžen Tyttl von Kladruby wurde Santini mit dem Bau einer neuen Wallfahrtskirche und einem angrenzenden Kloster beauftragt. Am ursprünglichen mittelalterlichen Gebäude wurde ein Kreuzgang angefügt. 1699 entstand hier eine Propstei. Die Kirche der Verkündigung der Jungfrau Maria wurde errichtet. Überall in diesem Komplex findet man Santinis charakteristische Handschrift: geschwungene Linien, aufwendige Fassadendetails und innovative Strukturelemente.
Nach dem Barock und bis heute
Das gesamte Bauprojekt wurde nie vollendet. Aufgrund von finanziellen Problemen des Klosters im späten 18. Jahrhundert und seiner Schließung durch Josef II. im Jahr 1785 , kamen die Bauarbeiten zum Erliegen. Im 19. Jahrhundert, nachdem die Familie Metternich das Anwesen 1826 erwarb, begann der allmähliche Zerfall. Als die Familie es für wirtschaftliche Zwecke nutzte, verschlechterte sich der Zustand des Gebäudes weiter. Der endgültige Schlag war der Einsturz der Kirchenkuppel zwischen 1919 und 1920.
Später gründete sich eine Vereinigung, die sich “Einheit zur Rettung von Mariánská Týnice” nannte. Diese Gruppe begann mit der schrittweisen Restaurierung.
In den 1950er Jahren wurde vor Ort ein Museum eingerichtet. Nach 1990 intensivierten staatliche Institutionen und lokale Behörden die Restaurierungsbemühungen. Die Fassade des Propsteigebäudes wurde vollständig restauriert, zwei neue Zwiebeltürme mit Uhren und Glocken errichtet, und der Innenhof renoviert. Im Jahr 2000 wurde die Kuppel fertiggestellt und wieder aufgesetzt.
Obwohl der Ort nicht mehr in seiner ursprünglichen religiösen Kapazität fungiert, bleibt Mariánská Týnice ein wichtiger kultureller und historischer Ort in der Tschechischen Republik. Dieser zieht sowohl Einheimische als auch Touristen an, die seine architektonische Schönheit und historische Bedeutung schätzen.
Das Museum
Wer durch den Eingang des Konvents tritt, befindet sich zunächst in einem Museum. Im Erdgeschoss konnten wir eine Ausstellung über die Anlage und Santini sehen, im Obergeschoss befinden sich neben der temporären Ausstellung auch noch die Dauerausstellungen.
Ausstellung über die Anlage und Santini
Jan Blažej Santini-Aichel war ein bedeutender Architekt des Barock und “Erfinder” des sogenannten Barockgotik-Stils. Die Ausstellung stellt seine biografischen Daten vor und erläutert seine besondere Herangehensweise an die Architektur, die Mariánská Týnice und viele andere Gebäude in Tschechien geprägt hat.
Die Ausstellung beleuchtet die Geschichte des Klosters und der Kirche von ihren Anfängen bis heute. Besucher können mehr über die spezifischen architektonischen Merkmale und Details der Anlage erfahren
Mir hat sehr gut gefallen, dass gerade dieser Bereich der Ausstellung mit vielen Bildern, aber auch mit Modellen und Zeichnungen arbeitet und ich so nicht nur viel erfahren, sondern auch gleich die optische Verbindung hatte.
Das Museum im ersten Stock konzentriert sich in erster Linie auf die regionale Geschichte. Es sind Räume nachgebildet, die zum Beispiel eine Küche oder eine Gaststätte zeigen. Ich konnte verschiedene Trachten bewundern und auch kirchliche Gegenstände betrachten.
Kirche
Als ich vom Museum aus durch den Eingang der Kirche trete, befinde ich mich hinter dem Altar. Es ist ein ungewöhnlicher und faszinierender Aspekt der Kirche, dass man zuerst um den Altar herumgehen muss, um das Innere zu betreten.
Der Altar selber ist eher schlicht. Dafür fällt mir aber sofort die beeindruckende Wandgestaltung hinter dem Altar auf. Auf mich wirkt die Zeichnung fast so, als ob sie eine Erweiterung des Altars bildet.
Der Grundriss der Kirche erinnert an ein Kreuz mit gleichlangen Armen. In der Mitte erhebt sich eine Kuppel. Fast unendlich schaut man in die Höhe und ich habe Mühe die Gestaltung der Kuppel genauer zu erkennen. Zum Glück gibt es ja den Zoom der Kamera, der mir die wunderschöne Bemalung genauer zeigen kann.
Ansonsten empfinde ich die Kirche als recht “leer“. Es gibt keine Kirchenbänke, kein Chorgestühl, keine Säulen, kaum Wandgestaltung. Die Fenster der Kirche sind farblos und lassen das Tageslicht ungehindert einströmen.
Die Innenhöfe und Kreuzgänge
Durch eine Tür im hinteren Bereich verlassen wir die Kirche und betreten den ersten Innenhof mit dem umgebenden Kreuzgang. Ein kleiner Brunnen plätschert, es blühen Blumen und sorgfältig beschnittene Hecken strukturieren den Hof. Von hier habe ich einen guten Blick auf die beiden Kirchtürme.
Jeweils die „Ecken“ des Kreuzganges sind mit Zeichnungen gestaltet, die es zu betrachten lohnt. Mir gefallen sie sehr.
Der kleine Hof ist wunderbar ruhig und zu gerne hätte ich hier auf einer Bank gesessen und genossen.
Es gibt noch einen zweiten Innenhof mit einem umgebenden Kreuzgang. Diesen erreichen wir durch eine zweite Tür in der Kirche. Vom Aufbau ist er dem ersten Kreuzgang recht ähnlich. Hier gibt es ein Wandbild, dass man unbedingt genauer angucken sollte. Die dort abgebildeten Menschen sehen so ganz anders aus, als auf den anderen Bildern. Hier hat der Künstler reale Personen in eine biblische Szene gesetzt. Es handelt sich um Personen, die am Bau beteiligt waren und so in Erinnerung bleiben. Mir gefällt die Idee und hätte man mich nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, ich hätte es nicht bemerkt!
Lohnt sich der Besuch?
Auf jeden Fall! Wer sich für die Baugeschichte und vor allem Santini interessiert, findet in Mariánská Týnice ein herausragendes Beispiel seiner Arbeit. Durch die Ausstellung, so finde ich, wurde mir vieles verdeutlicht, dass mir sonst nicht aufgefallen wäre und ich habe seinen Baustil viel besser verstanden.
Adresse:
Mariánská Týnice 1
331 41 Kralovice
Öffnungszeiten:
Mai – August
Dienstag – Sonntag: 9-18 Uhr
April, September und Oktober
Dienstag-Sonntag: 9-17 Uhr
November – März
Montag – Freitag (nur an Arbeitstage): 9-15 Uhr
Eintrittspreise:
Variante 1:
Mariä-Verkündigung-Kirche, der westliche und östliche Kreuzgang, die Ausstellung Barock und seine Welt, die Ausstellung Jahrhundert der Renovierung
Erwachsene: 80,- CZK
Variante 2:
Museum, aktuelle Ausstellungen, das Refektorium
Erwachsene: 120,- CZK
Während der Hochzeitszeremonien sind die Kirche und der Kreuzgang für das Publikum geschlossen.
Der Besuch im Mariánská Týnice war ein Programmpunkt einer Pressereise nach Pilsen.
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