Wir kommen mit dem Auto in Rabštejn nad Střelou an und sind auch schon wieder vorbeigefahren. Die kleine Stadt behauptet von sich, das kleinste Städtchen in Mitteleuropa zu sein… es scheint fast so, als ob es wirklich stimmt.
Rabštejn nad Střelou, auch Rabenstein an der Schnella genannt, liegt etwa 30 Kilometer nördlich von Pilsen direkt am kleinen Fluss Střela. Die wenigen Häuser befinden sich fast alle am rechten Ufer auf einem Felsvorsprung.
Es war einmal…
Rabštejn nad Střelou, erstmals im 13. Jahrhundert in schriftlichen Aufzeichnungen erwähnt, hat tiefgreifende mittelalterliche Wurzeln. Die Stadt liegt strategisch an wichtigen Handelswegen, die durch Westböhmen führten.
Etwa im Jahr 1296 ging die Burg an Ulrich Pflugk über. Die Familie Pflug von Rab(en)stein (Pluhové z Rabštejna) blieb bis ins 16. Jahrhundert auf Burg Rabenstein ansässig.
Die Burg Rabštejn, die über der Stadt thront, diente nicht nur als Residenz, sondern auch als Verteidigungsfestung, um mögliche Angriffe und Invasionen abzuwehren. Im Jahr 1337 erhielt der Ort Stadtrechte. Die günstige Lage am Střela-Fluss machte Rabštejn zu einem wichtigen Wege-Knotenpunkt für Kaufleute, die Waren aus ganz Europa transportierten.
Dennoch war es auch eine unruhige Zeit. Christoph Pflug wurde 1509 wegen verschiedener Streitigkeiten mit der Familie Schlik vor Gericht geladen, erschien jedoch nicht. Daraufhin wurde er verurteilt, seinen Besitz, darunter auch die Burg Rabenstein, zu verlieren. Um Gnade bittend, erreichte er, dass er „nur“ seine Güter verlor.
Im Jahr 1549 brannten die Burg und das gesamte Städtchen ab, wobei sämtliche Urkunden verloren gingen. In den nächsten Jahren wechselten die Besitzer ständig, und wirkliche Ruhe kehrte nie ein. Um 1705 ließ der damalige Besitzer das Renaissanceschloss barockisieren und verkaufte es nur wenige Jahre später weiter.
Nachdem das Servitenkloster 1787 aufgehoben wurde, fand die Klosterkirche eine neue Bestimmung als Pfarrkirche. Die zuvor genutzte Kirche St. Matthäus, die sich in einem baufälligen Zustand befand, wurde abgerissen. Das Gelände des ehemaligen Klosters fand ebenfalls neue Verwendung: es wurde sowohl als Pfarrhaus als auch als Pfarrschule genutzt.
Im Jahr 1819 stürzte der Wehrturm der Burg Rabenstein in den Hof des ehemaligen Klosters. Dieses Unglück verursachte erheblichen Schaden und zerstörte den Stall und den Speicher der Pfarrei.
Im Jahr 1837 betrug die Gesamtfläche der Herrschaft Rabenstein etwa 3700 Hektar. Das Städtchen selbst bestand aus 83 Gebäuden, in denen 513 Menschen wohnten, darunter auch zwei jüdische Familien. Die Pfarrkirche und die Pfarrschule standen unter dem Patronat der Herrschaft. Weiterhin gab es in Rabenstein ein herrschaftliches Schloss mit einem Bräuhaus und einem Branntweinhaus sowie drei Wirtshäuser.
Die Haupterwerbsquelle der Einwohner war Handwerk und Handel. Für das Überqueren einer steinernen Brücke über den Fluss Střela verlangte man zusätzlich Maut.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird Rabštein als tschechischer Ortsname verwendet. Die letzte Besitzerin der Gutsherrschaft bis 1945 war Theresia Gräfin von Seilern-Aspang, geborene Gräfin Lažanská.
Im Zuge des Münchner Abkommens von 1938 wurde Rabštejn nad Střelou dem Deutschen Reich eingegliedert und war bis 1945 Teil des Landkreises Luditz. Im Jahr 1939 zählte die Gemeinde 312 Bewohner. Nach Abschluss des Zweiten Weltkrieges wurde Rabštejn nad Střelou wieder ein Teil der Tschechoslowakei, und die deutschsprachige Bevölkerung musste das Gebiet verlassen.
Was gibt es in Rabštejn nad Střelou zu sehen?
Auch kleine Orte haben ihre versteckten Sehenswürdigkeiten, und in Rabštejn nad Střelou kann man bei einem kleinen Rundgang alles entdecken. Um das Städtchen genauer kennenzulernen, kann man dem Lehrpfad Rabštejn folgen, der am oberen Stadtrand beginnt und an vierzehn Stationen die interessantesten Orte in Rabštejn und Umgebung präsentiert. Die Strecke erstreckt sich über etwa sieben Kilometer.
Jüdischer Friedhof
Der jüdische Friedhof in Rabštejn nad Střelou wurde vermutlich 1654 gegründet. Er liegt an einem Hang entlang der Straße, die von der Post zum Fluss Střela führt.
Der Schotterweg führt recht steil bergab, und hinter einer Mauer entdeckt man schließlich die ersten Grabsteine des recht kleinen Friedhofs.
Die ersten jüdischen Familien (Quellen berichten von 3 Familien) kamen um 1654 in den Ort. Im 19. Jahrhundert waren es noch 2 Familien, es sollen nie mehr als 15 Personen gewesen sein. Die letzte Familie hat die Gemeinde vor den Nazis im Jahre 1938 verlassen.
Durch ein Tor gelangt man auf den zweigeteilten Friedhofsbereich. Der untere Bereich ist neuer, der ältere Bereich ist aufgestockt und über einige Stufen erreichbar. Es sind nicht mehr viele Grabsteine zu sehen. Wie es auf jüdischen Friedhöfen üblich ist, bleiben die Steine so stehen, wie sie sind. Kippt ein Stein, kippt er halt, sinkt er in den Boden ein, dann ist das so, und verschwindet der Stein ist er weg. Hier wird keine teure und aufwändige Grabpflege betrieben. Wer ein Grab besucht, legt zum Gedenken einen kleinen Stein dort ab. Mir gefällt das.
Flussüberquerung und Badespaß
Am Rand der Stadt führt über den Fluss Střela eine Steinbrücke. Die Kamenný most v Rabštejně nad Střelou wurde wahrscheinlich in den Jahren 1335-1340 erbaut. Zu dieser Zeit fand der Umbau der ursprünglichen Burg und die Stadtgründung in der Vorburg statt. Sollte diese Zeitangabe stimmen, wäre die Brücke älter als die Karlsbrücke in Prag und die zweitälteste erhaltene Steinbrücke in Tschechien.
Die Brücke besteht aus grobkörnigem Sandstein und grobem Bruchstein. Sie ist 55 Meter lang und 4,3 Meter breit. Die Bögen haben eine Höhe von etwa sechs Metern. Die Brücke ist nur einspurig befahrbar. Als ich dort unterwegs war, lag unter der Brücke der Badeplatz für die Kinder der Umgebung. Es war ein fröhliches Quietschen und das Plätschern von Wasser zu hören. Ein bisschen neidisch, es war recht warm und etwas Abkühlung wäre nicht schlecht gewesen, habe ich dem bunten Treiben zugesehen.
Ich habe inzwischen gelesen, dass die Brücke auch gerne als Filmdrehort genutzt wird. Hier sind Filmeszenen aus The Lucky Loser und St. John’s Wreath entstanden und 2011 hat man den Remix des Videos Personal Jesus von Depeche Mode hier gedreht.
Ehemaliges Kloster der Serviten und barocke Sieben-Schmerzen-Marien-Kirche
Die Serviten sind ein katholischer Mönchsorden, der offiziell als “Orden der Serviten” oder “Ordo Servorum Mariae”, was “Orden der Diener Mariens” bedeutet, bekannt ist. Sie wurden im 13. Jahrhundert in Florenz gegründet und widmeten sich besonders der Verehrung Marias, der Mutter Jesu.
In Rabštejn nad Střelou befindet sich ein barockes Servitenkloster mit einer Kirche auf dem Gelände der Burg. Die Bauarbeiten am Kloster begannen 1672, die Kirche Unserer Lieben Frau von den Sieben Schmerzen entstand wesentlich später. Wahrscheinlich ist sie das Werk des Architekten Anselm Lurag, aber es gibt keine genauen Aufzeichnungen darüber.
Nachdem der Orden aufgehoben wurde, hat man das Gebäude als Pfarrhaus und Schule genutzt. Später war dort noch ein Hotel untergebracht. Heute sieht das Gebäude von außen recht baufällig und ungenutzt aus. Es gibt jedoch Vorhänge an den Fenstern, vielleicht werden die Räume ja doch genutzt.
Schloss Rabštejn nad Střelou
Das Schloss wurde an der Stelle einer ehemaligen Burg aus dem 14. Jahrhundert erbaut und war zunächst der Sitz der Familie Černín, später der Familie Kolovrat und schließlich der Familie Lažanský, der das Schloss bis 1945 gehörte. Anschließend nutzte die Armee das Gebäude, es war ein Kindererholungsheim und Bildungszentrum. Nachdem es 10 Jahre ungenutzt „herumstand“, wird das Gelände heute wieder genutzt.
Das Schloss besteht aus mehreren Gebäuden, darunter ein Hauptwohngebäude, Wirtschaftsgebäude und andere Nebengebäude. Das Schloss Rabštejn nad Střelou ist ein einstöckiges Gebäude im Barockstil mit einem Dachgeschoss auf halber Etage. Die Fassade ist eher schlicht und mit gefalteten Gesimsen und freistehenden Pilastern verziert. Es kann von Touristen besichtigt werden und bietet Einblicke in die Geschichte der Region. Zusätzlich wird es auch als Veranstaltungsort für kulturelle Veranstaltungen und Feierlichkeiten genutzt.
Ich konnte an einer Schlossführung teilnehmen. Diese begann zunächst in dem ehemaligen Pferdestall, der heute als Veranstaltungsraum genutzt wird. Von dort aus ging es direkt ins Schloss.
Zuerst besuchten wir einen Raum, in dem wir eine kleine Ausstellung mit Trachten der Region betrachten können. Einige davon waren wirklich wunderschön und handbestickt.
Danach führte uns die breite, hochherrschaftlich wirkende Treppe im Eingangsbereich in den ersten Stock. Bevor wir jedoch die Räume besichtigen konnten, mussten unsere Schuhe mit Stoffüberziehern ausgestattet werden. So schützen wir das Parkett und glitten mehr oder weniger elegant durch das Anwesen. Die Räume, die wir besichtigen durften, werden für Veranstaltungen wie Hochzeiten genutzt. Es gibt sogar die Möglichkeit, dass das Hochzeitspaar im Schloss übernachtet. Ich hätte mir zwar ein prunkvolleres Zimmer vorgestellt, aber nach einer langen Feier ist dem Hochzeitspaar das sicherlich egal.
Anschließend führte uns der Weg auf eine große Aussichtsplattform, die direkt an den Schlossmauern endete. Von hier aus hatte man einen Blick über die scheinbar endlosen Wälder der Umgebung. Wenn man sich etwas hinauslehnte, konnte man die steinerne Brücke erkennen, und zur anderen Seite hin konnte ich noch mehr von der Schlossanlage und der ehemaligen Klosterkirche sehen.
Über eine Außentreppe gelangten wir zum Fuße der Schlossmauern. Dort wurden wir auf eine Kanonenkugel in der Mauer hingewiesen und dann wieder zum Ausgang geführt.
Tipp: Das Schloss und das Gelände werden nur während der Führung geöffnet. Einfach am Tor warten – es wird aufgeschlossen!
Lohnt sich der Besuch?
Ich denke, wer nur das Schloss besichtigen möchte, wird vielleicht etwas mehr erwarten. Mir fehlten, vielleicht auch weil die Führung auf Tschechisch war, einfach die richtigen Informationen. So war es ein Besuch von Innenräumen mit etwas Aussicht.
Wer jedoch die Gegend erkunden möchte, sollte gutes Schuhwerk mitnehmen und die ausgeschilderte Wanderstrecke erkunden. Die Natur ist wunderschön, besonders entlang des Flusses erlebt man pure Entspannung.
Der Besuch fand im Rahmen einer Pressereise statt.
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