Durch einen nicht gleich offensichtlichen Hauseingang gehen wir in Richtung Clementinum. Ein Teil des Barockgebäudes kann man im Rahmen einer Führung besichtigen und wir waren sehr gespannt, was uns erwarten würde.
Die Termine für die Touren, die in tschechisch oder englisch angeboten werden, sind sehr begehrt. Wir hatten unsere Tickets vorab online über Get Your Guide gebucht, andere Besucher wurden vor Ort auf andere Tage vertröstet, weil die Eintrittskarten bereits vergriffen waren..
Blick zurück
Der Orden der Jesuiten kam 1556 auf Einladung des damaligen böhmischen Landesfürsten Kaiser Ferdinand nach Prag. In einem baufälligen ehemaligen Kloster der Dominikaner sollten die Jesuiten ein Gymnasium mit Internat errichten. Sie erhielten sogar das Recht, akademische Titel zu vergeben.
Der Anfang war nicht leicht, weder für die Jesuiten, noch für Studenten und Lehrer. Nicht nur dass das Gebäude baufällig war, es fehlte auch das Geld, um Verbesserungen vornehmen zu können. Erst Ende des 16. Jahrhunderts erhielten die Jesuiten vermehrt geldliche Zuwendungen, die Restaurierungs- und Neubaumaßnahmen ermöglichten.
1616 wurde das Clementinum zur Katholischen Universität erhoben. Später übernahmen die Jesuiten auch die Leitung der Prager Karls-Universität. Seit 1654 ist das Clementinum mit der Karls-Universität auf Anordnung des damaligen Kaisers vereinigt.
Für die Jesuiten begann nun eine Zeit der Expansion. Sie erwarben zahlreiche Grundstücke in Prag und errichteten dort bis 1726 den zweitgrößten Gebäudekomplex in der Stadt. Es gab zum Beispiel eine Sternwarte und sogar ein Mathematikmuseum öffnete die Türen.
1773 wurde der Jesuitenorden aufgehoben. Alle Besitztümer gingen an die Krone über, die ihn verschiedenen Institutionen zur Verfügung stellte.
Heute befindet sich im Clementinum die Nationalbibliothek und das Astronomische Institut. Die Nationalbibliothek in Prag ist eine der größten und ältesten Bibliotheken des Landes und in mehreren Standorten untergebracht.
Die Ursprünge der Buchsammlung liegen im 13.Jahrhundert im dominikanischen Kloster der Altstadt. Als die Mönche des Jesuitenorden das Klostergebäude übernahmen, wurden auch die Buchbestände übernommen. Mit der Aufhebung des Ordens wurde auch die Bibliothek staatlich und Marie Thereisia erklärte sie zur „öffentlichen k. k. Universitätsbibliothek“. In ihr vereinigte man verschiedene Sammlungen, die ab 1777 im Clementinum zu finden waren.
Geführte Tour durch das Clementinum
Die Führung beginnt im Erdgeschoss direkt an dem Kassenraum. Wir haben, weil es eine englische Tour war, eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte auf deutsch erhalten. Gelesen habe ich diese allerdings nicht, da der Guide alles sehr gut und einfach verständlich erklärt hat.
Die Tour hat drei Schwerpunkte und einige „kleinere“ Stationen, an denen der Guide etwas erzählt. Die wirklich wichtigsten und auch interessantesten Punkte sind die Barocke Bibliothek, der Astronomische Turm und der Meridiansaal. Die Führung dauert etwa 50 Minuten.
Meridiansaal im Clementinum
Der Meridiansaal (Meridiánová síň) mit einer Ausstellung historischen astronomischen Instrumenten befindet sich im 2. Stock des Astronomischen Turms.
Dieser einzigartige Raum diente früher als riesige Camera obscura oder auch Mittagsfaser- oder Schlitzsonnenuhr. Die Mittagszeit wurde mit Hilfe eines dünnen Lichtstrahls bestimmt. Dieser fiel durch einen Schlitz in der Wand. Mit Hilfe einer auf dem Boden gespannten Schnur konnte man so die Zeit bestimmen. Mit großer Präzision konnte so der genaue Zeitpunkt der Mittagszeit, zu dem die Sonne auf ihrer imaginären Umlaufbahn am höchsten steht, abgelesen werden. Damit die Vorrichtung zur Bestimmung der Mittagszeit das ganze Jahr über funktionieren konnte, musste die Schnur quer durch den Raum gespannt werden, da sich der Winkelabstand der Sonne zum Äquator der Erde im Laufe des Jahres ändert.
Während der Führung erklärt man uns das Prinzip eigentlich recht verständlich. Da es allerdings bereits 18 Uhr war, konnten wir keine Uhrzeit erkennen.
An den Wänden des Saals befinden sich auch zwei originale astronomische Instrumente, sogenannte Wandquadranten, die die Wissenschaftler zur Messung der Position der Sterne verwendet haben.
Astronomische Turm
Wer sich den Astronomischen Turm vor der Führung von unten anguckt, wird die interessante Turmspitze erkennen. An der höchsten Stelle steht eine Figur des Atlas, der eine Himmelskugel auf den Schultern trägt. Die Figur ist 2,4 m groß und 600 kg schwer. Die dargestellte Himmelskugel ist ein historisches astronomisches Instrument. Es ist früher zur Messung und Vorhersage der Positionen von Sternen und Planeten am Himmel sowie zur Zeitmessung verwendet worden.
An der Ostseite des Turm gibt es bis heute eine Sonnenuhr. Auf der Westseite des Turms gibt es heute nur noch die Stangen, die einst die Zeiger der Sonnenuhr waren, zu sehen.
Der 68 Meter hohe Astronomische Turm (Astronomická věž Klementina) ist im Zeitraum von 1751 – 1938 für astronomische Beobachtungen genutzt worden. Man hat dort auch meteorologische Messungen vorgenommen. Eine ununterbrochene Reihe täglicher meteorologischer Messungen haben die Wissenschaftler am 1. Januar 1775 begonnen. Neben der Temperatur und dem Luftdruck zeichnete man die Niederschlagsmenge, das Vorhandensein von Wolken, das Aussehen des Himmels, die Stärke und Richtung des Windes, Gewitter und andere Wetterereignisse auf.
Sehr spannend finde ich, dass fast 80 Jahre lang vom Turm aus der Prager Bevölkerung die Mittagszeit verkündet worden ist. Pünktlich um 12 Uhr hängte man eine Fahne aus der Galerie des Turmes. Erst ab 1925 übernahm das Radio diese Aufgabe. Die Uhrzeit aus dem Clementinum hat man dann mittags per Funk übertragen und die Fahne verlor an Bedeutung. 1928 hörte man auf die Fahne aufzuhängen.
Heute ist der Turm einer der schönsten Aussichtspunkte der Stadt. Über 172 Stufen erreicht man eine Aussichtsplattform in 52 Metern Höhe. Von dort oben hat man einen wundervollen Ausblick über die Prager Altstadt. Auch der Gebäudekomplex des Clementinum lässt sich von dort oben wunderbar erkennen.
Barocke Bibliothek
Mein persönliches Highlight während der Führung war der Blick in die Barocke Bibliothek (Barokní knihovna Klementina). Die Tür zu dem wunderschönen Saal war zunächst noch verschlossen. Der Guide erklärt uns, dass zum Schutz der Bücher diese Tür immer nur kurz geöffnet werden darf. Betreten darf man den Raum nicht, aber von der geöffneten Tür hat man eine tolle Sicht in den Raum. Ich habe allerdings gelesen, dass bei speziellen Nachfragen die Bücher auch für Leser in extra Räumen zur Verfügung stehen.
Die wunderschönen Räume sind 1727 vermutlich nach dem Plänen von Kilian Ignaz Dietzenhofer, einem berühmten Architekten des Barocks, fertiggestellt worden. Der Raum soll einer der ältesten in seiner ursprünglichen Form erhalten gebliebenen Saal-Galerien in Böhmen sein.
Was für ein beeindruckender Saal. Ich finde ihn mit 41 Metern Länge und 12 Metern Breite auch recht groß. Eine Galerie führt um den Raum. Der barocke Bibliothekssaal ist mit schönen Fresken von John Hiebel zum Thema Wissenschaft und Kunst geschmückt. Sehr beeindruckend ist die Deckenbemalung.
Im Saal befinden sich eine Sammlung fremdsprachiger gedruckter theologischer Literatur und mehrere große, historisch wertvolle Globen. Der Bestand der Bibliothek umfasst etwa 27.000 Bände, hauptsächlich aus dem Bereich der Theologie, aber auch aus den Gebieten Philosophie, Rhetorik, Linguistik und Naturwissenschaften. Die Bücher stehen in Eichenregalen und sind auch auf der umlaufenden Galerie zu finden.
Adresse:
Mariánské nám. 5,
110 00 Prag, Tschechien
Öffnungszeiten:
Januar-März
täglich: 10-18 Uhr
April-September
täglich: 9-20 Uhr
Oktober-Dezember
täglich: 9-19 Uhr
Eintrittspreis:
Erwachsene: 300 CZK
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