Mitten in Berlin befindet sich eins der ungewöhnlichsten Museen der Stadt, hier dreht sich alles um das Thema Ekel. Das Disgusting Food Museum Berlin möchte den Besuchern die Welt des Ekels in all seinen unterschiedlichen Facetten darstellen. Und wer weiß, vielleicht stellt man ja fest, dass doch nicht alles ekelig ist…
Was ist Ekel?
Ekel ist eine grundlegende menschliche Emotion und tritt in allen Kulturen weltweit auf. Ekel ist ein Gefühl und drückt die extreme Abneigung zu bestimmten Dingen aus. Dabei muss sich der Ekel nicht nur auf den Geschmack beziehen, es kann auch eine Abneigung gegen zum Beispiel Gerüche, Konsistenzen oder Verhaltensweisen einbeziehen.
Wichtig ist eigentlich nur, dass jeder Mensch seine eigenen Ekelempfindungen hat, deren Reaktion im Körper auch unterschiedlich stark ausfallen kann. Im Gegensatz zu anderen, weniger starken Formen der Abneigung äußert sich Ekel mitunter auch durch starke körperliche Reaktionen wie Übelkeit und Brechreiz, Schweißausbrüche, sinkenden Blutdruck bis hin zur Ohnmacht.
Wissenschaftlich gilt Ekel nicht nur als Affekt, sondern auch als Instinkt. Er ist angeboren, wird durch die Sozialisierung beeinflusst und dient auch der Prävention von Krankheiten. Die Forschung hat das Thema Ekel noch nicht vollständig entschlüsselt.
Besuch der Ausstellung
Jeder Besucher sollte sich vor dem Besuch der Ausstellung im Disgusting Food Museum Berlin bewusst sein, dass Dinge gezeigt werden, die Ekel erzeugen können. Der Besuch ist nicht für jeden geeignet und wer von sich behaupten kann sehr empfindlich auf optische Reize und Gerüche ist, sollte lieber zweimal überlegen, ob er dort gut aufgehoben ist.
Das Museum möchte mit seiner Ausstellung nicht Dinge aus anderen Regionen und Kulturen, die bei uns mit dem „Ekelfaktor“ abgestempelt sind, an den Pranger stellen. Vielmehr möchte man zeigen, dass es durchaus vergleichbares auch in unserer Lebenswelt gibt. Nehmen wir dafür als Beispiel zwei Käsesorten, die beide aus Europa stammen:
Casu Marzu und Würchwitzer Milbenkäse
Der Casu Marzu ist ein Käse aus Italien (Sardinien). Der Laib des Käses wird aufgeschnitten und ins Freie gelegt. Käsefliegen legen dann ihre Eier dort ab. Es entwickeln sich Maden, die mit ihrem Enzym das Fett des Käses zersetzten und deren Kot zum Bestandteil des Käses wird.
Einen Käse mit seinen lebenden Maden kann man im Disgusting Food Museum Berlin sehen. (Der Käse wird jeden Abend in die Kühlung gelegt, die Maden werden extra gelagert und erst am nächsten Tag wieder in den Käse gesetzt.)
Der Verzehr des Käses ist in der EU verboten. Die Maden, die auch in den Käse kriechen, könnten im menschlichen Körper überleben und die Darmwände schädigen.
Der Würchwitzer Milbenkäse stammt aus Sachsen-Anhalt und wird traditionell in Zeitz hergestellt. Der getrocknete und geformte Magerquark wird mit kleinen Milben in einer Holzkiste über 3 Monate gereift. Der Milbenspeichel fermentiert den Rohkäse und verleiht ihm einen salzigen Geschmack. Auch wenn man die Milben auf dem Käse nicht mit bloßem Auge sieht, auch sie leben auf dem Käse. Gegessen wird der Käse mit den Milben.
Welcher Käse nun zum Disgusting Food zählt – ich denke der Casu Marzu wird bei den Museumsbesuchern eher Unwohlsein erzeugen, da man die Maden hier groß und deutlich über den Käse kriechen sieht. Aber ist er deshalb ekliger als der Käse mit kleinen kaum sichtbaren und lebenden Milben? Sicherlich eine Ansichtssache.
Blick auf die Disgusting Food Exponate
Die Ausstellung gliedert sich nach Produktgruppen, beginnend mit Getränken und endend mit den süßen Produkten. Neben einigen kurzen Erklärungen an den Exponaten werden Videosequenzen (zum Beispiel über Tierhaltung und die Qualen der Tiere) gezeigt, man kann an einigen Stellen eine Geruchsprobe nehmen und ab Mitte Mai 2022 wird der Audioguide „„Sound of Disgust““ durch die Ausstellung begleiten.
Eine Bemerkung am Rande: Natürlich achtet das Museum darauf möglichst nachhaltig mit den Lebensmitteln umzugehen. Einige Exponate sind aufgrund der geringen Haltbarkeit nicht als Originale ausgestellt, sondern bestehen aus nahezu echte Kopien aus dauerhaftem Material. Andere Lebensmittel werden nachts gekühlt gelagert und halten sich sehr lange. Hätte man mir an einigen Stellen nicht gesagt, dass dort kein Original liegt, ich hätte es nicht bemerkt.
Die Vielzahl der unterschiedlichen Exponate ist erstaunlich und ich möchte hier nur einige wenige vorstellen. Dabei stellte sich für mich bei jedem Ausstellungsstück die Frage: „Hat das für mich einen Ekelfaktor? Was ist daran ekelig und warum denke ich so?“
Mäusewein aus China
Fakten:
- sehr junge noch unbehaarte Babymäuse werden ertränkt und in Reiswein gelegt
- der Wein reift 1 Jahr
- soll ein Heilmittel gegen Asthma und Lebererkrankungen sein
- soll nach verfaultem Tier und leicht nach Benzin schmecken und faulig stinken
Mein Ekelfaktor:
Da ich zum Glück weder riechen noch schmecken musste, konnte ich das Exponat recht gelassen betrachten. Es erinnert etwas an Exponate aus der Tieranatomie. Die Vorstellung allerdings diesen Wein trinken zu müssen, erzeugt mehr als ein Unwohlsein.
Mongolische Mary
Fakten:
- eingelegte Schafaugäpfel in Tomatensaft
- stammt aus der Zeit von Dschinges Khan
- traditionelles Mittel gegen den Alkoholkater
Mein Ekelfaktor:
Ein Exponat im Disgusting Food Museum Berlin, dass meine Ekelempfindung schon recht beansprucht. Ich verzichte gerne auf das Hausmittel und kuriere meinen nächsten Kater alleine aus.
Eierlikör
Fakten:
- in Deutschland extrem beliebt, gehört nahezu auf auf Kaffeetafel an Festtagen
- Konsistenz erinnert an Bratensoße oder Schleim
- da immer etwas in den Gläsern bleibt, gehört das Auslecken der Gläser zum Genuss dazu
Mein Ekelfaktor:
Bei Eierlikör auf einem Schokoladeneis oder Eierlikör, der in einem Dessert/Kuchen verarbeitet ist, sage ich nicht nein. Absolut ungerne trinke ich ihn warm und dann noch in Verbindung mit Sahne/Milch. In meinen Augen und für meinen Geschmack ist das einfach nur ekelig.
Berliner Schnitzel
Fakten:
- vor nicht allzu langer Zeit war das Berliner Schnitzel die kostengünstige Schnitzelvariante, ein „Arme Leute Essen“
- hergestellt aus Kuheuter
- das Euter wird 3 Stunden im gesalzenen Wasser gekocht, dann in Scheiben geschnitten, paniert und gebraten
- heute ist das Kuheuter ein sehr teures Fleisch
Mein Ekelfaktor:
Das Fleisch an sich sah für mich nicht viel anders aus, als anderes rohes Fleisch. Ob es schmeckt kann ich nicht beurteilen, ich würde es aber unvoreingenommen probieren.
Heuschrecken
Fakten:
- gebraten, geräuchert, getrocknet essbar
- schmeckt süß und knusprig
- sehr eiweißhaltig
Mein Ekelfaktor:
Mir schmeckt es und ich könnte mir vorstellen, dass in unsere Mahlzeitgestaltung regelmäßig einzubinden.
Kit Kat
Fakten:
- der bekannte Schokoriegel wird auch in Japan verkauft
- neben den europäischen Aromen werden auch die Geschmacksrichtungen Wasabi, Sojasoße, grüner Tee und lila Süßkartoffel angeboten
Mein Ekelfaktor:
Na wenn es schmeckt! Ob ich nun unbedingt Sojasoße oder Kartoffelgeschmack mit Schokolade genießen möchte, weiß ich nicht. Aber probieren, warum nicht…
Besuch an der Tasting Bar
Wer am Ende seines Ausstellungsbesuches Lust und vielleicht auch den Mut hat seinen Ekel zu überwinden, kann der Tasting Bar einen Besuch abstatten. Hier gibt es die Möglichkeit, zertifizierte Lebensmittel zu probieren, die bisher nicht auf jedem Speiseplan Einzug gehalten haben und von vielen Besuchern auch mit Ekelempfindungen belegt sind.
Bei meinem Besuch im Disgusting Food Museum Berlin standen:
- Buffalowürmer
- Mehlwürmer
- Grillen
- Salzlakritze
- Junikäfer
- Larven der Junikäfer / Superworms
auf dem Speiseplan. Zusätzlich konnte man zwei verschiedene Gewürzpasten und ein türkisches Getränk aus Roter Bete probieren.
Vor und nach meinem Ausprobieren der Lebensmittel konnte ich die unterschiedlichsten Reaktionen anderer Museumsbesucher beobachten. Von „das auf keinen Fall“ über „schmeckt ganz gut“ bis zum Ausspucken in die am Eingang erhaltene „Spucktüte“ (bekannt als K….tüte aus dem Flugzeug) war alles dabei.
Bisher hatte ich noch nie Würmer oder Käfer gegessen und war wirklich gespannt auf meine Geschmackserlebnisse. Wichtig für mich – nichts krabbelte! Die Tiere waren entweder getrocknet oder geröstet und so erklärte sich auch schnell der Geschmack und auch das leichte Knacken beim Zerbeißen. Die getrockneten Würmer waren fade, geschmacklos und die gerösteten Tiere hatten einen leicht rauchigen herberen Geschmack. Alles in allem war ich überrascht und nicht angeekelt.
Als Lakritze Liebhaber war die Verköstigung der Salzlakritze aus Island ein kleiner Höhepunkt. Das, was nach Aussagen der Mitarbeiter des Museums bei den meisten Besuchern ein Gefühl des Ekels hervorruft, schmeckte mir wirklich gut. So unterschiedlich kann Geschmack sein!
Schlussgedanke
Wie bereits ausgeführt, ist das Gefühl des Ekel bei jedem Menschen anders ausgeprägt und wird durch die unterschiedlichsten Reize hervorgerufen. Es gibt Museumsbesucher, die gehen durch die Ausstellung und „suchen“ den Ekel, andere schaffen es nicht mal das erste Exponat ohne das aufsteigende Gefühl zu betrachten. Deshalb kann ich auch nur von meinem Empfindungen während des Besuches sprechen. Mir hat es gefallen. Ich habe im Disgusting Food Museum Berlin einen anderen Blick auf einige Dinge bekommen und neue Erfahrungen gemacht.
Adresse:
Schützenstraße 70,
10117 Berlin
Öffnungszeiten:
Freitag – Dienstag: 11:00 – 19:00
Mittwoch und Donnerstag geöffnet für Events und Gruppen ab 10 Personen (auf Anfrage)
Preise:
Erwachsene: 12 €
Es werden Ermäßigungen angeboten.
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Hier kann man die Eintrittskarte über GetYourGuide buchen:
Vielen Dank für die beeindruckende Führung im Rahmen einer Recherche zum Museum.
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