Kann man nicht verreisen und die Stadtbesichtigung live erleben, muss man Alternativen suchen. Wie wäre es mit einer virtuellen Stadtführung durch die Friedrich-Wilhelm-Stadt in Berlin?
Ich habe das Angebot von der cpb culturepartner berlin GmbH getestet und bin bei einer 1-stündigen online Stadtführung durch die Friedrich-Wilhelm-Stadt in Berlin dabei gewesen.
Berlin bei einer virtuellen live Führung erleben
An einem kühlen Samstag Mittag setzte ich mich also gemütlich vor meinen Laptop und wartete gespannt darauf, wie die Führung durch die Friedrich-Wilhelm-Stadt verlaufen würde.
Etwa 20 Teilnehmer hatten sich angemeldet und waren genau wie ich über ZOOM dabei. Nicht nur ich, sondern auch die Anbieter waren natürlich neugierig, woher die Zuseher zugeschaltet waren. Es waren nicht nur Berliner, sondern Teilnehmer aus ganz Deutschland, die sich virtuell auf Reisen begeben wollten.

Den Tourguide Bernd Gutberlet kannte ich bereits. Mit ihm hatte ich schon Charlottengrad entdeckt und sein Buch „Die Berliner Mauer für die Hosentasche“ habe ich mit Begeisterung gelesen.
Er stand an der Friedrichstraße und wartet auf seine Tourteilnehmer mit dem Handy im Gimbel. Dann zog er los und zeigte uns die Friedrich-Wilhelm-Stadt.
Wo liegt die Friedrich-Wilhelm-Stadt?
Heute verwendet kaum jemand den Begriff Friedrich-Wilhelm-Stadt, wenn er in Berlin unterwegs ist. Es handelt sich um die historische Bezeichnung eines Stadtteils, der im Bezirk Mitte liegt. Begrenzt wird der Stadtteil vom Verlauf der alten Zollmauer an der Hannoverschen Straße, die Oranienburger Vorstadt, die Friedrichstraße, die Spree und den Humboldthafen.
Benannt ist das Viertel nach dem preußischen König Friedrich Wilhelm III., viele der Straßen tragen noch immer Namen, die auf seine Kinder hinweisen (Albrechtstraße, Karlplatz (heute: Reinhardtstraße), Luisenstraße, Luisenplatz (heute: Robert-Koch-Platz) und Marienstraße).
Über einen Maulbeerbaum
Noch in der Friedrichstraße führt man uns in einen kleinen Hinterhof. Vor der Einfahrt steht das Standbild eines Pelikans. In der Durchfahrt erfahren wir, dass hier einst ein Französisches Hospital gestanden hat. Davon ist allerdings nichts mehr zu sehen.
Hier steht auch der älteste Maulbeerbaum von Preußen. Der knorriger Stamm des Baumes steht heute direkt an einem Parkplatz. Der Baum ist ein Zeitzeuge der ganz besonderen Art. Er erinnert an einen Wunsch, der sich in Preußen nicht erfüllt hat. Man mag es nicht glauben, aber bis Mitte des 18.Jahrhunderts versuchte man doch tatsächlich in Berlin Seide zu produzieren.
Der Stoff war, im Gegensatz zu dem bisher verwendeten Leinen und Wollstoff, sehr weich und sehr beliebt. Leider war Seide auch sehr teuer. Friedrich Wilhelm I. begann die Produktion von Seide zu fördern. Dafür benötigte man Seidenraupen, die den Faden spinnen sollten und Maulbeerbäume, um die Tiere zu ernähren. Dieser Baum in der Friedrichstraße stammt wahrscheinlich genau aus Anfangszeit der Seidenproduktion in Preußen.
Die Frage, warum genau hier Bäume für die Seidenproduktion standen, lässt sich recht einfach beantworten. Hier lebten viele Hugenotten. Frankreich war ein Zentrum der europäischen Seidenproduktion und einige Hugenotten in Berlin verstanden das Handwerk. Das ehrgeizige Programm des Herrschenden sah vor, viel Seide zu produzieren. Er ließ überall Maulbeerbaumplantagen errichten und verteilte Eier der Seidenraupe für die Produktion. Leider ist die Zucht der Raupen nicht einfach und es erforderte mehr Zeit, als der König gedacht hatte. Der Ertrag blieb zusätzlich weit unter den Erwartungen.
Als Friedrich II. starb, starben auch die Ambitionen der Seidenproduktion in Berlin. Viele der Bäume wurden zu Brennholz verarbeitet und nur der Baum in der Friedrichstraße erinnert heute daran.
Kultur auf der Tour
Die Tour führte weiter zum Friedrichstadt-Palast. Hier erfährt man so einiges zur Geschichte des Hauses und ein kleiner Einspieler machte schon Lust auf das nächste Programm, das dort demnächst laufen wird. Wir waren vor einiger Zeit im Friedrichstadt-Palast und konnten einen Blick hinter die Kulissen werfen – ein Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Nicht weit entfernt am Bertolt-Brecht-Platz befindet sich das Berliner Ensemble, ein bekanntes Theater in der Stadt. Berühmt wurde es durch die Aufführungen von Bertolt Brecht. Nachdem uns einige Bilder vom Innenraum gezeigt wurden, ist für mich eins klar, das Gebäude muss ich etwas genauer ansehen.

Am Bertolt-Brecht-Platz hat früher der Alte Friedrichstadt-Palast gestanden. Heute steht an der Stelle ein moderner Bau. Nur wenige Schritte entfernt steht das Straßenschild „Am Zirkus“. Die kleine Straße verbindet den Schiffbauerdamm mit der Reinhardtstraße. Der Name erinnert daran, dass hier im Gebäude einer ehemaligen Markthalle 1873 der „Markthallen-Circus“ (später Circus Renz) entstand.

Einen Ort, der noch ganz oben auf meiner „das will ich sehen“ Liste steht ist der ehemalige Reichsbahnbunker Friedrichstraße, der heute unter dem Namen Boros Bunker bekannt ist. Man führte uns bei der virtuellen live Führung an dem unter Denkmalschutz stehenden Luftschutzbunker vorbei. Der Bau von 1942 ist 18 Meter hoch und hat eine Grundfläche von 1000 m². Die Wände sind 3 Meter dick und aus Stahlbeton. In den 120 Zimmern auf 5 Etagen fanden einst 2000 Menschen Schutz. Heute gehört der Bau dem Sammler Christian Boros. Auf dem Dach hat er sich ein Penthaus errichten lassen und im Gebäude befindet sich seine Kunstsammlung. Nach Voranmeldung kann man diese besichtigen.

Wir werden weiter geführt und kommen am Deutschen Theater an. Es befindet sich an der Schumannstraße und wurde 1850 als Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater eröffnet. Anfangs spielte man hier noch volkstümliche Unterhaltungsstücke, später führte man dann auch Klassiker und zeitgenössische Stücke auf. Heute gibt es drei unterschiedlich große Bühnen im Deutschen Theater mit einer Zuschauerkapazität von 80-600 Personen.
Friedrich-Wilhelm-Stadt und die Medizin
Damals wie heute ist die Medizin ein großes Thema in der Friedrich-Wilhelm-Stadt. Hier befindet sich das wohl berühmteste Krankenhaus der Stadt – die Charité. In ihrem näheren Umfeld gab es früher viele Privatpraxen, die von den Ärzten des Krankenhauses zusätzlich betrieben wurden. In der Schumannstraße kommt man an einer Gedenktafel vorbei, die auf die Frauen- und Geburtenklinik von Paul Ferdinand Straßmann hinweist.
Nur wenige Schritte weiter (Schumannstraße Ecke Luisenstraße) steht man vor einem großen Denkmal, dass zu Ehren des Augenarztes Albrecht von Graefe errichtet worden ist. Er war ein herausragender Arzt, der die Augenheilkunde stark geprägt hat.

Während es entlang des Geländes der bekannten Krankenhauses geht, erfährt man interessante Details zur Geschichte des Krankenhauses. Ein wirklich hochinteressantes, geschichtlich und architektonisch spannendes Krankenhausgelände. Sobald es wieder möglich ist, werde ich es bestimmt etwas genauer betrachten.

Gleiches gilt für den Endpunkt der virtuellen live Führung durch die Friedrich-Wilhelm-Stadt, das Tieranatomische Theater der Tierarzneischule. Das denkmalgeschütze Gebäude steht östlich der Luisenstraße und ist das älteste noch erhaltene akademische Lehrgebäude Berlins.
Lohnt sich eine Teilnahme an der virtuellen live Tour?
Eine virtuelle live Tour ist wirklich eine ganz neue Erfahrung. Ich fand es spannend, die Stadt auf diesem Weg zu entdecken.
Ein wenig ungewohnt ist es sicherlich. Bei einer persönlichen Führung entwickelt sich oft ein Gespräch zwischen den Teilnehmern und dem Guide, bei dem eine Frage zur nächsten führt. Sitzt man vor dem Bildschirm verfällt man schnell in die Konsumentenrolle und fragt nicht nach. Das ist aber sicherlich nur ein Übungsprozess und wenn man dieses Format erst einmal kennen gelernt hat, verliert man sicherlich auch die „Scheu“ vor dem Anschalten des Mikrofons.
Für mich war die live Führung auf jeden Fall spannender, als ein vorgefertigtes und zusammengeschnittenes Video, dass ich mir jederzeit angucken und auch unterbrechen kann. Nur so kann man das Leben in der Stadt auch wirklich live erleben. Man erlebt spontane Planänderungen während der Führung oder hört Geschichten, die dem Guide gerade eingefallen sind und die eigentlich das Thema nur am Rand streifen.
Ich finde es war eine lebendige und abwechslungsreiche Gestaltung der reise- und besichtigungsarmen Zeit.
Auf der Webseite von art:berlin findet man die Touren, die zur Zeit angeboten werden. Es wird das Datum und die Startzeit angeben und man bucht den Termin online.
Rechtzeitig vor dem Termin erhält man einen ZOOM Link und die Zugangsdaten, über die man sich einloggen kann.
Kurz vor dem Beginn der Tour loggt man sich dann mit seinem zugesendeten Link ein, macht es sich gemütlich und genießt!
Ein kleiner Tipp: Wer noch kein ZOOM auf seinem Endgerät hat, sollte sich mit Hilfe der zugesendeten Kurzanleitung rechtzeitig vorher damit befassen und das Programm installieren.
Die virtuelle live Stadtführung findet genau zu dem Zeitpunkt statt, zu der sie von dir angesehen werden kann. Der Tourguide ist mit einer Kamera und dem Mikrofon in den Straßen der Stadt unterwegs. So kann es natürlich auch passieren, dass unvorhersehbare Ereignisse wie Demonstrationen, Sirenen von Krankenwagen oder gesperrte Straßen zur Improvisation zwingen. Eben genauso, als wäre man vor Ort und würde in einer Gruppe unterwegs sein.
Ein großer Vorteil ist natürlich, dass man, egal welches Wetter ist, gemütlich zu Hause sitzt.
Die ZOOM Plattform bietet die Möglichkeit, über eine Chatfunktion schriftlich Fragen zu stellen. Man kann aber auch über das Mikrofon des Endgerätes direkt mit dem Tourguide sprechen.
Neben dem Tourguide gibt es die „Leitstelle“. Von dort werden in die Übertragung Karten , Bildmaterial und kleine Videosequenzen eingespielt. Diese verdeutlichen und erweitern die Ausführungen des Tourguides.
Die Tour dauert eine Stunde.
Sobald es wieder möglich ist live Touren anzubieten, findet diese Tour wieder in Gruppen statt. Die virtuelle live Tour ist ein verkürztes Angebot und direkt vor Ort gibt es noch viel mehr zu sehen! Es lohnt sich also später die Tour noch einmal zu unternehmen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Kooperation entstanden und enspricht ausschießlich meinen Eindrücken.
Miriam
Liebe Susanne,
Generell finde ich die Angebote von Online-Führungen ganz toll. Ich muss aber gestehen, dass sie für mich nicht mit den Live-Touren mithalten können. Gerüche, Eindrücke, Panorama, Töne – das spielt doch schon auch alles eine Rolle, finde ich. Ich hab neulich aber sowohl in Malawi als auch in Kenia (im ersten kenianischen Frauendorf) Führungen mitgemacht, das wäre ohne digitales Angebot nicht so eben gegangen.
Der Reichsbahnbunker Friedrichstraße steht übrigens auch noch auf meiner Berlin-Liste.
Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap
Gina | 2 on the go
Was für eine tolle Idee, diese virtuelle Stadtführung!
Davon hatten wir noch nichts gehört. Das ist doch eine super Möglichkeit, live etwas zu erleben und der gebeutelten Tourismus-Infrastruktur ein Auskommen zu ermöglichen.
Liebe Grüße
Gina und Marcus
DieReiseEule
Hallo Susanne,
auf die Idee an einer virtuellen Stadtführung teilzunehmen bin ich noch nicht gekommen. Aber die Pandemie macht kreativ und warum eigentlich nicht. Immer noch besser als trübsinnig vorm Trash-TV zu versauern.
Ich glaube, ich schaue mir das Konzept mal näher an.
Liebe Grüße
Liane
Katja
Ihr Lieben,
auch wenn virtuell sicher nicht das ist, was wir alle an einer echten Stadtführung so mögen, derzeit ist es ein probates Mittel.
Ein bisschen fühlt es sich wie Fernsehen an.
Gerade für Tourguides oder auch kulturelle Einrichtungen wie Museen momentan das Mittel der Wahl die Gäste zu erreichen.
Danke für den schönen Tipp, der noch dazu ein bisschen Fernweh stillt und gleichzeitig die Umwelt schont – bis auf das Streaming CO2 :-)
Liebe Grüße,
Katja