Berlin ist nicht nur bekannt für seine historischen Stätten und lebendigen Stadtviertel, sondern auch für seine grünen Oasen, die abseits der üblichen Touristenpfade liegen. Ein solcher Geheimtipp sind die Murellenberge, die Murellenschlucht und der Schanzenwald im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.
Selbst für Berliner sind die Murellenberge mit der Murellenschlucht und dem Schanzenwald ein recht unbekanntes Gebiet. Zu Unrecht, denn hier kann man in einem Naturschutzgebiet in der Nähe des Olympiastadions wunderbar wandern.
Murellenberge und Murellenschlucht
Das Gebiet der Murellenberge und die Murellenschlucht befinden sich im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, unweit des berühmten Olympiastadions. Es ist sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Auto gut erreichbar. Die nächstgelegene S-Bahn-Station ist der S-Bahnhof Pichelsberg, von dem aus man in wenigen Minuten zu Fuß die Murellenberge erreicht. Für Autofahrer stehen in der Nähe des Olympiastadions ausreichend Parkmöglichkeiten zur Verfügung.
Die Murellenberge erstrecken sich über eine Länge von etwa vier Kilometern und bieten eine abwechslungsreiche Landschaft, die durch dichte Wälder, offene Lichtungen und sanfte Hügel geprägt ist. Diese Hügelkette entstand während der letzten Eiszeit, als sich Gletscher über das Gebiet schoben und dabei die heutige Topografie formten.
Die hügelige Landschaft ist ideal für Wanderungen und Spaziergänge. Gut ausgebaute Wanderwege führen durch das Gebiet und bieten immer wieder atemberaubende Ausblicke auf die umliegende Natur. Wanderer können hier eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten entdecken. Die Murellenberge sind auch die Heimat für verschiedene Vogelarten, Insekten und kleinere Säugetiere. Besonders im Frühling und Sommerhört man das Zwitschern der Vögel und das Summen der Insekten überall.
Nutzung des Geländes
Die Murellenberge und Murellenschlucht waren nicht immer das ruhige Gebiet, in dem Spaziergänger sich erholen konnten. Über 150 Jahre nutzten das Militär und die Polizei das Gelände und es war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Die Murellenberge als Hinrichtungsstätte in der NS-Zeit
Die Murellenberge waren während der nationalsozialistischen Herrschaft Schauplatz grausamer Verbrechen. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs richteten die Nationalsozialisten hier eine Hinrichtungsstätte für Deserteure und sogenannte „Wehrkraftzersetzer“ ein. Diese Menschen wurden von der NS-Militärjustiz verurteilt, weil sie angeblich die Kampfmoral der Truppen untergraben oder sich der Wehrpflicht entzogen hatten.
Zwischen 1944 und 1945 fanden in den Murellenbergen zahlreiche Exekutionen statt. Die genaue Zahl der Hingerichteten wird auf etwa 232 geschätzt.
Um an die Opfer dieser Hinrichtungen zu erinnern, wurde im Jahr 2002 eine Gedenkinstallation von der Künstlerin Patricia Pisani errichtet. Die Installation mit dem Titel „Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg“ ist ein Mahnmal gegen das Vergessen. Sie besteht aus einer Reihe von Spiegeln, die im Straßenverkehr zur besseren Sicht in Straßen genutzt werden. Diese stehen entlang eines Weges in den Murellenbergen. Einige Spiegel tragen eine Inschrift, die an die Opfer und die Umstände ihrer Hinrichtung erinnert. Die Gedenkinstallation ist bewusst schlicht gehalten, um die Besucher zum Nachdenken anzuregen und ihnen Raum für eigene Gedanken und Gefühle zu geben.
Waldbühne
Der Architekt Werner March, der auch das nahegelegene Olympiastadion entwarf, entwarf die Waldbühne, die sich im östlichen Bereich der Murellenberge befindet.
Die Waldbühne hatte ursprünglich den Namen “Dietrich-Eckart-Freilichtbühne”, nach dem antisemitischen Schriftsteller und frühen Weggefährten Adolf Hitlers. Sie diente während der Olympischen Spiele 1936 als Veranstaltungsort für kulturelle Darbietungen und propagandistische Veranstaltungen.
Die Architektur der Waldbühne ist beeindruckend: Sie wurde in eine natürliche Senke eingebettet und bietet Platz für etwa 22.000 Zuschauer. Die Anlage ist von dichten Wäldern umgeben, was ihr eine einzigartige Akustik und Atmosphäre verleiht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Bühne ihren heutigen Namen, Waldbühne, und wurde zunächst nur sporadisch genutzt. In den 1950er Jahren fanden hier gelegentlich Filmvorführungen und kleinere Konzerte statt. Erst ab 1978 begann man wieder mit regelmäßigen Konzertprogrammen, und die Waldbühne entwickelte sich langsam zu einem beliebten Veranstaltungsort. Ein Wendepunkt in der Geschichte der Waldbühne war das legendäre Konzert von Bob Marley im Jahr 1980, das die Bühne international bekannt machte. Seitdem hat sie sich zu einer der renommiertesten Open-Air-Bühnen der Welt entwickelt und zieht jedes Jahr zahlreiche internationale Künstler und Besucher an.
Übungsgelände für Militär und Polizei
Die erste militärische Nutzung in den Murellenbergen entstand 1840. Es waren Kasernen und Schießstände errichtet worden und 1855 nahm die Gehwehr-Prüfungskommission dort die Arbeit auf. Zu dieser Zeit entstand rund um Spandau ein Verteidigungssystem mit der Zitadelle, Schutzwällen und vorgelagerten Schanzenanlagen. Auch Teile der Murellenberge und der Murellenschlucht waren in das Verteidigungssystem eingebunden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Alliierten das Gelände, der als Schanzenwald bezeichnet wird, als Übungsgelände. Bis heute findet man offene Bereiche, die einst als Schießplatz dienten.
Nach dem Abzug der Alliierten konnten die Anlagen noch einige Zeit von der Berliner Polizei weiter genutzt werden. Heute ist nur noch ein kleiner Teil im Norden in Nutzung. Hier befindet sich eine sogenannte Fighting City, in der die Alliierten einst den Häuserkampf geübt haben. Hier werden heute die Polizisten und Spezialkräfte ausgebildet. Weite Teile des ursprünglichen Geländes sind inzwischen renaturiert.
Spaziergang durch das Gebiet der Murellenberge und Murellenschlucht
Unsere kleine Wanderung startet und endet am S-Bahnhof Pichelsberg. Den genauen Streckenverlauf kann man sehr gut auf der Karte verfolgen.
Die Wege in den Murellenbergen und in der Murellenschlucht sind sehr gut ausgebaut. Es gibt einige Abschnitte in unserer Streckenführung, die über steile Treppen im Wald oder auch mal auf einem Trampelpfad entlang führen. Aber wer diese Wege nicht nutzen möchte, kann sie auch gut umgehen.
Anfangs führte uns der Weg durch den Wald. Die Wälle des Schanzenwalds, konnten sich in den 150 Jahre während der Abschottung aufgrund der Nutzung relativ ungestört entwickeln. Bei den Kiefern- und Eichenbestände stehen einige Exemplare bereits etwa 300 Jahre dort. Es gibt aber auch Stileichen, Birken und Robinien, die dort seit vielen Jahren nahezu ungestört wachsen können. Zudem entdecke ich ein hohen Totholzanteil. Dieser ist besonders wichtig für Lebensgemeinschaften in der Rinde, im Holz und in Baumhöhlen. Viele Insektenarten, wie etwa Ameisen, Hautflügler und Schmetterlinge finden hier ein Zuhause.
In der Schlucht, auf der ehemaligen großen Schießwiese, läuft man durch eine Sandtrockenrasenfläche. Vereinzelt blühen Blumen zwischen den Gräsern. Wer sich etwas auskennt, wird zum Beispiel hellblaue Berg-Sandglöckchen und gelbe Sand-Strohblumen entdecken. Ich habe gelesen, dass in diesem Biotop 97 verschiedene fliegende Insektenarten leben sollen. Viele davon sind recht selten und zum Teil sogar stark gefährdet. Auch die Vogelwelt ist in der Region stark vertreten. Etwa 65 Vogelarten leben hier, ich habe allerdings nur den Buntspecht an seinen Klopfen erkannt, und vom Wildschwein bis zum Rotfuchs streifen Tiere durch das Gebiet, die eigentlich nicht in eine Großstadt gehören.
Informationen
Anfahrtsmöglichkeiten
mit dem Auto
Heerstraße (B2/B5): Mit dem Auto erreicht man die Murellenschlucht über die Heerstraße (B2/B5). Diese Straße führt direkt zur Glockenturmstraße, die in die Nähe der Murellenschlucht führt.
mit öffentlichen Verkehrsmitteln
S-Bahn: Die nächstgelegene Station ist der S-Bahnhof Pichelsberg, der von der Linie S3 uns S9 bedient wird. Von dort aus sind es etwa 400 Meter Fußweg bis zur Glockenturmstraße.
U-Bahn: Die U2 fährt bis zum U-Bahnhof Olympiastadion. Von dort aus sind es etwa 500 Meter Fußweg bis zur Waldbühne, die sich in der Nähe der Murellenschlucht befindet.
Parkmöglichkeiten
Am Turm in der Nähe der Murellenschlucht gibt es kostenfreie Parkplätze, was die Anreise mit dem Auto erleichtert.
Achtung! Bei Veranstaltungen im Olympiastadion oder der Waldbühne ist von einer Anfahrt mit dem Auto abzuraten. Die Straßen sind zum Teil gesperrt, Parkplätze sind nicht vorhanden.
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