Das erste Hochhaus, das in Berlin erbaut wurde, steht noch heute und gehört zu den Relikten der Industrie-Epoche in der Stadt. Es ist nicht mitten in der Stadt errichtet worden, sondern steht in Berlin-Tegel. Heute kennt man das Gebäude nur unter dem Namen Borsigturm.
Tegeler Borsigwerke
1827 gründete August Borsig die Borsigwerke vor dem Oranienburger Tor. Hier befanden sich einst unzählige Fabriken, die Maschinen herstellten und Metalle gossen. Im Berliner Volksmund nannte sich das Gebiet „Feuerland“. Schnell war die Firma Borsig der größte Lokomotivenproduzent in Europa und die vorhandene Werksfläche reichte nicht mehr aus.
1894/95 zogen die Borsigwerke nach Tegel um. Das neue größere Werksgelände konnte man sogar noch Stück für Stück erweitern. Borsig schuf auf diesem Gelände einen Zukunftsstandort mit moderner Arbeitsorganisation. So gab es Arbeitsmarken, die ähnlich der heutigen Stechuhr die Pünktlichkeit und Arbeitszeit überwachte. Die Essenszeiten/Pausenzeiten waren festgelegt und der Arbeitsprozess rational und produktiv angelegt.
Es entstanden auf dem Gelände in Tegel viele Einzelgebäude, ein eigener Werkshafen und der Borsigturm.
1929 traf die Wirtschaftskrise das Familienunternehmen schwer. Der Konzern überlebte die wirtschaftliche Krise nicht und die Insolvenz drohte. Die Übernahme durch die AEG rettete die Firma zunächst, aber die Lokomotivenherstellung in Tegel endete wenig später.
Es gab anschließend mehrfach neue Besitzer und im kleinen Umfang überlebte die Firma in Tegel weiter. Nun als Spezialist für Verfahrenstechnik.
Borsigturm Architektur
Der Borsigturm entstand 1922-24 aufgrund der beengten Verhältnisse auf dem Werksgelände. Die Grundfläche des Turms beträgt 20 x 16 Meter, er ist 65 Meter hoch.
Eugen Schmohl ist der Architekt des ersten Hochhauses in Berlin. Vermutlich hatte er den 1917 erbauten Siemensturm im Wernerwerk in Siemensstadt (Architekt Hans Hertlein) als Vorbild im Kopf. Den Siemensturm hatte man jedoch nicht als Hochhaus erbaut, sondern war nur eine Verkleidung für einen Schornstein und ein Wasserbehälter. Der Borsigturm gilt heute als Novum der Berliner Moderne und wurde zu seiner Zeit als Bürogebäude für die Borsigwerke genutzt.
Von außen betrachtet gliedert sich der Turm durch Gesimse in drei Abschnitte zu je drei Stockwerken. Die Fenster sind jeweils zu Dreiergruppen zusammengefasst. Der Dachaufbau ist sehr auffällig. Er ist nicht so geradlinig wie die untere Fassade, sondern eher gezackt und hat für mich einen kleinen Burgturmcharakter. Schmohl verwendete erstmals den sogenannten Backsteinexpressionsmus in der Berliner Industriekultur.
Es entstand ein Stahlskelettbau mit einer Backsteinfassade. Das Treppenhaus liegt auf der Südseite. Innovativ für die Zeit war der Bau im Inneren. Es gibt sechs Ständer, die die innere Konstruktion tragen Diese machen es möglich, dass die Geschossflächen frei unterteilbar sind. So konnte man Großraumbüros oder kleinere Räume in den einzelnen Geschossen unterbringen.
Im Dach befand sich das Wasserreservoir für das Werksgelände.
Das Gelände der Borsigwerke heute
1996 hat man das ehemalige Werksgelände städtebaulich neu konzipiert.
Das Borsigtor, der ehemalige Eingang zum Betriebsgelände ist noch vorhanden. Es war 1889 das erste Gebäude, was auf dem neuen Betriebsgelände errichtet wurde. Ein bißchen sieht es wie ein mittelalterliches Stadttor aus. Steht man vor dem Tor erkennt man massive Rundtürme mit spitz zulaufenden Dächern und Zinnen über dem Torbogen. In zwei Rundbogennischen rechts und links von Torbogen stehen zwei Figuren. Ein Schmied und ein Eisengießer in traditioneller Arbeitskleidung zeigen klar, um was für einen Betrieb es sich hinter dem Werkstor handelt. Mittig über dem Tor steht der Firmenname A.Borsig.
Direkt dahinter erinnert eine Lokomotive an die ursprüngliche Bestimmung des Geländes.
Der Borsigturm ist inzwischen mehrfach renoviert worden und wird bis heute als Bürohochhaus genutzt. Seit 2009 sind drei Ebenen als Veranstaltungsräume öffentlich nutzbar. In der Turmspitze befindet sich eine zweigeschossige Lounge, von der man einen Blick über das ehemalige Firmengelände genießen kann.
In der ehemaligen Fabrikhalle ist ein Einkaufszentrum entstanden. Hier erinnert nur noch die Fassade an die Borsigwerke. Andere Gebäude sind denkmalgerecht saniert und werden von den unterschiedlichsten Firmen genutzt.
Adresse:
Berliner Str. 27
13507 Berlin
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