Es ist so weit – mein Flughafen in Berlin, der Flughafen Tegel ist geschlossen. Keine 6 Uhr Maschine nach Amsterdam oder Frankfurt weckt mich morgens mehr.
Dabei ist es immer so einfach – höre ich morgens ein Flugzeug, ist es Zeit aufzustehen. Höre ich nichts – schlafe ich weiter. Ob ich mich wohl umgewöhnen kann?

Noch viel mehr wird mir mein „Wetterbericht“ fehlen. Starten die Maschinen über Spandau und zieht schlechtes Wetter auf, erkennen wir das sofort an der Flughöhe. Ist das Gewitter gefährlich nah, drehten die Maschinen schon mal so schnell ab, dass wir das Gefühl hatten, sie würden plötzlich fast über unseren Wohnblock fliegen.
Kein Spaziergang mehr in die Einflugschneise im Jungfernheide Forst mit dem Blick auf die landenden Flugzeuge, kein Spaziergang mehr zur Aussichtsterrasse und was noch viel „schlimmer“ ist, keine 5 Minuten Fahrt zum Flugplatz um jemanden abzuholen oder selber abzufliegen. Ab jetzt sind es über eine Stunde Fahrt mit den Öffis oder auf der Stadtautobahn mindestens 45 Minuten mit dem Auto (wenn es keinen Stau gibt).
Ich finde, da darf man schon mal etwas Wehmut zeigen und einen letzten Blick auf den Flughafen Tegel werfen.
Flughafen Tegel – die Entstehung
Am 5.August 1948, während der Berliner Blockade, begann der Bau des Flughafens in Berlin Tegel. Es musste schnell gehen, jeden Start- und Landemöglichkeit in Berlin wurde für die Versorgung der Bevölkerung benötigt. Ja und so stampften die französischen Besatzungstruppen mit amerikanischen Spezialisten und vielen deutschen Arbeitskräften innerhalb von 90 Tagen einen Flughafen aus dem Boden. Alle Hallen und Gebäude waren zunächst noch provisorisch errichtet worden, die Start- und Landebahn war mit 2428 Metern damals die längste in Europa. Am 5.November 1948 konnte das erste Flugzeug landen.
Der Flugbetrieb erfolgte aufgrund des Besatzungstatus Berlins ausschließlich mit Fluggesellschaften der westlichen Alliierten Frankreich, Großbritannien und USA. Die Flugzeuge durften nur durch spezielle Luftkorridore das Gebiet der DDR überfliegen. Anfangs gab es sogar die Regelung, dass alle Besatzungsmitglieder in den Maschinen Bürger der Länder der westlichen Alliierten sein mussten. Ab 1960 durften dann die Flugbegleiter auch aus Deutschland kommen.
Ab dem 2.Januar 1960 begann der regelmäßige Linienflugverkehr mit einer Maschine der Air France nach Tegel. Im Mai 1964 startete die PanAm als zweite Fluggesellschaft mit regelmäßigen Linienflügen. Die Fluggesellschaft verband dreimal wöchentlich New York mit Berlin. Ab 1968 wechselten die Charterflugesellschaften von dem überlasteten Flughafen Tempelhof nach Tegel, weitere Fluggesellschaften folgten.
Von 1969 an baute man bis 1975 an dem markanten sechseckigen Terminalgebäude in Tegel. Seit 1988 heißt der Flughafen Tegel offiziell Otto Lilienthal Flughafen.
Mit der deutschen Wiedervereinigung endeten die Flugsonderrechte der Alliierten in Berlin. Nun durften auch deutsche Fluggesellschaften in die Stadt fliegen. Die Fluggastzahlen stiegen weiter an und schon bald musste man „anbauen“. Die Nebelhalle wurde zum Terminal B, es entstand südlich der Hauptabfertigungshalle die Erweiterung mit dem Terminal D und E und östlich die Halle C.
Der Flughafen steht als Gesamtanlage seit April 2019 unter Denkmalschutz.
Letzter Blick ins Gebäude
Möchte man zum Flughafen Tegel, muss man zunächst durch einen kleinen Tunnel fahren. Gleich danach beginnt ein zugegeben verwirrendes Leitsystem zu den einzelnen Abfertigungshallen. Wer mutig seiner Fahrspur folgt, sich gegen „frei nach Schnauze“ fahrenden Taxifahrern dutchsetzt, gelangt aber mit Sicherheit dort hin, wo er ankommen möchte.
Ich bin ehrlich, die Terminals B,C,D und E konnten mich nie wirklich begeistern. Gerade der Terminal C ist im Wartebereich groß und ungemütlich. Wie eine Halle mit wenig Gastronomie und kaum Möglichkeiten sich die Wartezeit zu vertreiben. Bis zum Schluß hat man gemerkt, dass die gesamte Halle ein Provisorium war und von hieraus möglichst viele Passagiere in möglichst kurzer Zeit abgefertigt werden mussten.
Etwas anders verhält es sich mit dem Terminal A. Der sechseckige Bau hatte immer ein besonderen Flair. Im Inneren des Baus verläuft eine Straße und vor jedem einzelnen Check-In Schalter kann man mit dem Auto kurz halten und sein Gepäck ausladen. Kurzzeit-Parken kann man entweder im unterirdischen Parkhaus oder auf einem großen Parkplatz in der Mitte der Anlage.
Im Inneren des Gebäudes verläuft ein heller Weg, der alle Schalter und auch die kleine aber feine Shoppingpassage in der Haupthalle miteinander verbindet.
Nach dem Check-In und der Sicherheitskontrolle kommt man in sehr kleine Wartebereiche. Wer sitzen möchte, sollte früh dort sein. Hier merkt man, dass der Flughafen zu einer Zeit entstanden ist, als die Flugzeuge noch wesentlich weniger Passagiere beförderten. Jeder Warteraum führt zu zwei Fluggastbrücken und zwischen zwei Warteräumen befindet sich immer der Bereich für ankommende Passagiere mit Gepäckband und Ausweis- und Zollkontrolle.
Vergleicht man die Abfertigungshallen von Tegel mit anderen Flughäfen, die ein ähnliches Passagieraufkommen haben, muss man schon feststellen, dass hier am Limit gearbeitet worden ist. Lange Schlangen an den Schaltern (es gab einfach zu wenige), zu kleine Wartebereiche und im Bereich der Logistik auch einfach zu wenig Platz machten den Neubau in Schönefeld sinnvoll. Aber es war auch der Flughafen der kurzen Wege. Die Abfertigungsgebäude liegen so dicht beieinander, dass man kaum 15 Minuten Fußweg zwischen den am weitesten auseinander liegenden Hallen hat.
Letzter Besuch auf der Aussichtsterrasse
Ich glaube, fast jeder Flughafen hat eine Aussichtsplattform oder wenigstens eine riesige Fensterfront in Richtung Rollfeld. Ich weiß nicht, wie oft wir diese Aussichtsterrasse schon besucht haben und es war immer wieder etwas besonderes.
Ob wir mit kleinem Kind an der Hand dem Flugzeug, mit dem Oma und Opa in den Urlaub geflogen sind, hinterher gewunken haben oder ob wir beim Sonntagsspaziergang im Jungfernheidepark mal eben abgebogen und die 15 Minuten bis zum Flugplatz weiter gelaufen sind um „Flugzeuge zu gucken“. Uns wird der Blick fehlen – aber vielleicht gibt es ja später die Möglichkeit, von dort einen „Baustellenblick“ zu bekommen.
Steht man auf der Aussichtsterrasse kann man sehr gut die beiden Start- und Landebahnen sehen. Die längere der beiden ist 3023 Meter lang und 46 Meter bereit, die andere Landebahn ist 2424 Meter lang und 46 Meter breit. Auf der langen Bahn darf je nach Wetter in beide Richtungen gestartet und gelandet werden. Der Tower am Rande des Flugfeldes ist etwas über 47 Meter hoch.
Vor einigen Jahren haben wir schon einmal Bilder von der Aussichtsterrasse gemacht und zum ersten Mal eine Aufnahme probiert, die etwas den damaligen Trubel auf dem Rollfeld zeigt.
Heute, in den Zeiten, in denen kaum einer fliegt, ist der Betrieb in Tegel sehr zurück gegangen. Wo früher Maschinen zum Teil in 2 Minuten Abständen starteten und landeten ist heute an „Spitzentagen“ höchstens ein 10 Minuten Rhythmus erkennbar. Im März/April 2020 war zwar der Aussichtspunkt geschlossen, man konnte aber auf dem Flugfeld unzählige geparkte Maschinen und ab und zu mal ein Auto sehen.
Die Boeing am Rand des Flughafens
Wer sich zu einem Spaziergang rund um den Flughafen entschließt, wird an einer sehr abgeschiedenen Stelle eine einsame Boeing 707 entdecken. Anfangs habe ich gedacht, dass es sich um eine Trainingsmaschine handelt, an der zum Beispiel die Feuerwehr Einsätze übt. Aber das ist nicht der Fall!
Die Boeing 707 in der alten Lufthansa Lackierung hat eine ziemlich bewegte Geschichte hinter sich.
Am 6.September 1970 sollte die Maschine der israelische Airline El Al von Amsterdam nach New York fliegen.
Den israelischen Sicherheitskräften fielen schon beim Einsteigen vier Passagiere auf. Sie hatten ihre Tickets sehr kurzfristig gekauft und besaßen auffällige Pässe. Man entschloss sich, nur zwei der vier Passagiere an Bord zu lassen.
Schon im Steigflug stellte sich der Verdacht als gerechtfertigt heraus. Die beiden, ein Mann und eine Frau, brachten eine Stewardess in ihre Gewalt und forderten Einlass ins Cockpit. Flugkapitän Uri Bar-Lev verweigerte dieses und brachte stattdessen ohne Vorwarnung die Boeing in einen Sturzflug. Er wollte so durch die auftretenden Kräfte die Terroristen zu Boden werfen und zusätzlich im Falle einer Schießerei an Bord die Schäden, die aufgrund des Luftdrucks entstehen würden, minimieren.
Die Situation nutzte einer der Sicherheitsbeamten, der im Cockpit saß aus. Er öffnete die Tür und schoss auf den Mann. Die Frau warf noch eine Granate, die zum Glück nicht explodierte, und wurde dann ohnmächig.
Die Boeing landete sicher in London, die Terroristen konnten der Polizei übergeben werden.
Die Maschine flog anschließend noch einige Jahre für die Fluggesellschaft.
Die 707 kam zur 750 Jahr Feier als Geschenk zurück nach Berlin. Zeitgleich hatte die Lufthansa ihre 200. Boeing gekauft und so entschloss man sich, die 707 im Lufthansa Design zu lackieren.
Nun hatte man ein Problem. Es war zu diesem Zeitpunkt unmöglich eine „Lufthansa“ Maschine nach Berlin zu fliegen. Laut den Bestimmungen durften nur Maschinen der drei Westalliierten nach Berlin fliegen und in Tegel landen. Boeing überklebte kurz entschlossen die Lufthansa Markierungen und ein amerikanischer Pilot flog nachts nach Berlin Tegel. Morgens waren die Aufkleber wieder entfernt und es stand eine Lufthansa Maschine in Tegel.
Ihren jetzigen Standort erhielt die Maschine erst später. Sie muss wohl im Weg gestanden haben und fristet nun seit Jahren einen Dasein im Abseits.
Leider muss wohl auch das Flugzeug mit der Schließung von Tegel seinen Platz verlassen. Da sich anscheinend kein Interessent gefunden hat, wird die 707 wohl verschrottet.
Ein Nachtrag:
Im Mai 2021 war es soweit. Plötzlich war die Maschine verschwunden. Zerlegt in Einzelteilen lag sie dort. Ein trauriges Bild – schade, dass man sie nicht erhalten konnte.
Und nun? Was wird aus dem Flughafen Tegel?
Schon 2013 hat der Berliner Senat einen Masterplan TXL beschlossen, der sich mit der Nachnutzung beschäftigt.
Geplant ist die Entstehung eines auf urbane Technologien fokussierter Industrie- und Forschungspark. Zusätzlich sollen etwa 10.000 Menschen in neuen Wohnquartieren auf dem Flughafen Tegel leben.
Genauere Informationen findet man auf der Webseite Tegelprojekt.
Was bleibt?
Wir sagen Bye Bye TXL
Gefunden im www
Was für ein informativer Film, den das Landesdenkmalamt veröffentlicht hat. Hier kommt sogar der Architekt des Flughafengebäudes zu Wort.
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