Immer eine Stufe nach der nächsten Stufe … ich komme schon etwas außer Atem, während ich in der St.-Matthäus-Kirche die Treppen des Kirchturms hinauf steige. Hoffentlich lohnt sich der Aussichtspunkt auf dem Kirchturm und eröffnet einen Blick über das angrenzende Kulturforum in Berlin.
Das „Geheimratsviertel“ entsteht
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden im südlichen Berliner Tiergartenviertel viele gutbürgerliche Wohnungsbauten, in die hauptsächlich Unternehmer, höhere Beamte, Wissenschaften, aber auch Künstler einzogen. Wie wir Berliner so sind, bekam diese Wohngegend schnell einen Spitznamen – das „Geheimratsviertel“.
Eine Kirche fehlte allerdings in der unmittelbaren Nähe zu den Wohnhäusern. Die Gläubigen mussten immer zur weit entfernten Dreifaltigkeitskirche gehen, was schnell den Unmut und das Bestreben nach einem eigenen Gotteshaus förderte. Es gründete sich ein Kirchenbauverei. 1843 schenkte ein Mediziner der Gemeinde einen Bauplatz. 1844 erhielt der Verein vom preußischen König die Baugenehmigung.
Friedrich August Stüler plante die Kirche im Auftrag des Vereins. Er schuf einen dreischiffigen Bau mit einem schlanken quadratischen Kirchturm. Zu den Gemeindegliedern gehörten zum Beispiel die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, der Verleger Paul Parey und der Arzt Rudolf Virchow. Einer der sicherlich bekanntesten Pfarrer der St. Matthäus-Kirche war der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Eine Gedenktafel neben dem Hauptportal der Kirche erinnert an den Theologen und Widerstandskämpfer, der im Eintreten gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft am 9. April 1945 den gewaltsamen Tod fand.
Auch für die Kirche fand sich recht schnell ein Spitzname. Da sie inmitten von Feldern, Gärten und einer Parklandschaft erbaut wurde, nannten die Berliner sie „des lieben Gottes Sommervergnügen“ oder auch „Polkakirche“ – wegen eines in der Nähe gelegenen Tanzplatzes.
Während der Zeit des Nationalsozialismus war geplant, das Gebiet nahe der Berliner Tiergartens im Zuge der Welthauptstadtplanung Germania umzugestalten. Viele Häuser wurde abgerissen. Die Kirche sollte abgebrochen und in Spandau wieder aufgebaut werden. Während der Luftangriffe und der Schlacht um Berlin kam es zur Bombardierung des Viertels. Es blieb nicht viel übrig vom Wohnviertel. Die St.-Matthäus-Kirche wurde stark beschädigt.
Nach dem Krieg rekonstruierte man die Kirche äußerlich, im Inneren entstand jedoch ein vollkommen neues Bild und man gliederte sie in das neu entstandene Kulturforum ein.
Heute ist die St.-Matthäus-Kirche eine offene Kirche, in der neben Gottesdiensten auch Ausstellungen, Konzerte und Diskussionsrunden stattfinden.
Auf dem Turm
Endlich auf der Aussichtsplattform des Turms angekommen, werde ich mit einer einmaligen Aussicht belohnt. Mein Blick schweift über den Tiergarten bis zum Potsdamer Platz. Die hier entstandenen modernen Gebäude bilden zu der denkmalgeschützten Kirche einen starken optischen Gegensatz.
Ich kann den Berliner Reichstag und den Hochhausbau der Berliner Charité entdecken.
Das Kulturforum mit Philharmonie, Staatsbibliothek, Neuer Nationalgalerie, Gemäldegalerie, Kunstgewerbemuseum und Kupferstichkabinett liegt in der entgegengesetzten Blickrichtung. Während ich versuche die Gebäude ihrer Nutzung zuzuordnen, fällt mir auf, dass ich einige davon noch nie besucht habe.
Besonders beeindruckt mich der Blick auf die gerade sanierte Neue Nationalgalerie. Die gut sichtbare Dachkonstruktion ist einmalig!
Der Aussichtspunkt auf dem Kirchturm ist schon etwas besonderes. Die Aussicht ist wunderbar und zusätzlich steht man auf dem einzigen historisch erhaltenen Gebäude im Kulturforum. Wenn das nicht einen Besuch wert ist!
Adresse:
St. Matthäus-Kirche
Matthäikirchplatz
10785 Berlin
Anfahrtsmöglichkeiten
U-Bahnlinie:
U2, Haltestelle »Potsdamer Platz« (ca. 5 Min. Fußweg)
S-Bahn-Linien:
S1, S2, S25, Haltestelle »Potsdamer Platz« (ca. 5 Min. Fußweg)
Bus-Linien:
200 (Haltestelle »Philharmonie«, ca. 2 Minuten Fußweg),
M48 und M85 (Haltestelle »Varian-Fry-Str./Potsdamer Platz«, ca. 4 Min. Fußweg)
Parkplätze in der Nähe
Für den Besuch von Veranstaltungen stehen ab 17 Uhr kostenpflichtige Parkplätze in der Tiefgarage der Staatlichen Museen Berlin (Einfahrt Tiergartenstraße) zur Verfügung. An der Gegensprechanlage angeben, dass man eine Veranstaltung der St. Matthäus-Kirche besuchen möchten.
Weitere kostenpflichtige Parkplätze befinden sich rund um den Matthäikirchplatz und in den Parkhäusern am Potsdamer Platz.
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 11-18 Uhr
Mittagsandachten:
Dienstag bis Samstag um 12:30 Uhr
hORA-Gottesdienste:
jeden Sonntag um 18:00 Uhr
Achtung! Die Kirche kann aufgrund von Ausstellungswechseln, Umbauten oder Veranstaltungen temporär geschlossen sein.
Vera Jungbluth
vor einigen Jahren war auch ich auf den Turm und der beeindruckende Blick auf den Tiergarten ist mir noch immer in Erinnerung. Ich muss noch einmal dort hinauf!