Ich stehe im Berliner Hansaviertel am Grips Theater und warte gespannt darauf, dass die Führung von art:berlin beginnt. Die nächsten zwei Stunden soll es nun kreuz und quer durch ein Gebiet gehen, dass zur Interbau 1957 entstanden ist.
Die Tour startet pünktlich zunächst mit einer kleinen geschichtlichen Einführung zum Gebiet.
Das historische Hansaviertel
Das Hansaviertel ist ein Ortsteil, der im Nordwesten, Norden und Nordosten an die Spree, im Osten und Süden an den Park vom Schloss Bellevue, an die Straße des 17.Juni und das Gelände der Technischen Universität Berlin grenzt.
Das Hansaviertel wurde 1874 gegründet und nach den Plänen der Berlin-Hamburger Immobiliengesellschaft begann man mit der Bebauung. Die Gesellschaft gehörte eine große Gruppe Hamburger Kaufleute an. Der Plan sag vor, dass im Zentrum der Hansaplatz entstehen sollte, von dem Klopstock-, Lessing- und Altonaer Straße sternförmig abgehen sollten. Es entstanden ganz unterschiedliche Wohnhäuser – Ein- und Mehrfamilienhäuser im Landhausstil und mehrgeschossige Wohnbauten in der für Berlin typischen Blockrandbebauung mit Seitengebäuden, Quergebäuden und Hinterhöfen.. Bis 1910 durften im Hansaviertel laut königlichem Erlass keine Fabrik- und Gewerbebauten errichtet werden.
1877 zog man das Viadukt der Stadtbahn quer durch das Hansaviertel und schuf so mit den Bahnhöfen Bellevue und Tiergarten Verbindungen nach Charlottenburg und dem Berliner Zentrum.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann die Zerstörung des Hansaviertels. Die Synagoge wurde im Progrom 1938 niedergebrannt, Juden mussten ihre Wohnungen räumen und 1943 viel das Viertel den Luftangriffen zum Opfer. Von etwa 340 Gebäuden waren 300 zerstört.
Nach dem Krieg riss man die Häuser ab, es sind bis heute nur 30 Gebäude erhalten geblieben.
Das neue Hansaviertel
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man eine städtebauliche Gesamtplanung für Berlin vorzunehmen. 1946 erhielt Scharoun als Stadtbaudirektor von den Alliierten den Auftrag ein Konzept zur Neugestaltung Berlins vorzulegen. Seine Ideen wurden allerdings nur teilweise umgesetzt, es gab zu viele rechtliche, finanzielle und politische Gründe.
Das zerstörte Hansaviertel blieb noch eine Weile ein innerstädtisches Trümmergebiet. Man entschloss sich dann den Aufbau im Stil der damaligen Moderne vorzunehmen. Dazu kaufte man die Grundstücke zurück und beschloss sich nur auf das südliche Hansaviertel zu beschränken. Den Rahmen dazu sollte die Internationale Bauausstellung von 1957 bilden und so erhielt das Gelände den Namen „Ausstellungsgelände im Hansaviertel“. In einem Wettbewerb lud man 52 Architekten aus 13 Ländern ein ihre Entwürfe einzureichen. Man verwirklichte schließlich 35 Bauten von 31 führenden Architekten, wie zum Beispiel Alvar Aalto, Egon Eiermann, Walter Gropius, Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer und Max Taut. Es entstanden so 1160 Wohnungen in Hoch- und Flachbauten rund um den Hansaplatz, eine Ladenpassage, ein Kino, zwei Kirchen, ein Flachbau mit Bibliothek und Kindergarten. Zwischen den Gebäuden legte man Grünflächen an.
Rundgang durch das Hansaviertel
Nach einer kurzen geschichtlichen Einleitung startet der Rundgang zunächst durch das Einkaufszentrum. Hier existierte einige Jahre ein Kino, heute befindet sich das bekannte Berliner Grips Theater in den Räumen. Leider befinden sich nur noch wenige Geschäfte hier, aber für den täglichen Bedarf kann man einkaufen.
Anschließend ging es kreuz und quer durch das Hansaviertel.
Zunächst guckten wir uns einige der Punkthochhäuser an. Insgesamt sechs Punkthochhäuser wurden für die Interbau 1957 im Hansaviertel errichtet. Jedes ist von einem anderen Architekten, wie zum Beispiel von Gustav Hassenpflug oder Luciano Baldessari gestaltet worden und einige interessante Details erfährt man auf der Führung. Eins haben aber alle Punkthochhäuser gemeinsam, sie verfügen über einen quadratischen Grundriss, haben mehr als 10 Geschosse und der Fahrstuhl befindet sich in der Mitte des Hauses.
Die Zeilenbauten bestehen aus Häusern mit einem langgezogenen Grundriss. Sie sind meistens 4-10 Stockwerke hoch. Besonders bekannt ist das Haus des Finnen Alvar Aalto mit acht Geschossen und das auffällige Gebäude von Oscar Niemeyer mit dem freistehenden Aufzugturm. Ich bin ja Fan der Architektur von Walter Gropius. Gropius ist auch im Hansaviertel mit einem interessanten Bau im Hansaviertel vertreten.
Was ich bisher noch nicht wusste – es gibt sogar einige ein- und zweigeschossige Einfamilienhäuser im Hansaviertel. Diese liegen „versteckt“ hinter den höheren Bauten und sind beim Vorbeifahren nicht zu sehen. Der Däne Arne Jacobsen hat hier vier Bauten beigetragen. Ich finde die Häuser von der Straße aus sehr schlicht und vor allem fensterlos. Der Bau soll jedoch einen Innenhof umschließen und nach Süden geöffnet sein.
Ich möchte nicht zu viel verraten. Wer mehr über das Hansaviertel erfahren möchte, ist bei der Führung von art:berlin richtig aufgehoben. Ich fand sie ausgesprochen interessant und informativ. Und nachdem die Führung beendet war, bin ich noch eine Weile im Hansaviertel unterwegs gewesen und habe viele schöne Fotomotive entdeckt.
Offenlegung: Die Teilnahme an der Führung von art:berlin war für mich kostenfrei. Vielen Dank! Der Artikel entspricht ausschließlich meinen Eindrücken und ist unabhängig zur Führung entstanden.
Auszeitgeniesser
Ich liebe es wirklich meine eigene Stadt zu erkunden, neue Geschichten zu erfahren und spannendes zu hören. Man läuft oft achtlos an Dingen vorbei, die genauere Betrachtung wert sind.
Coole Idee mit den Farbklecksen .
Viele Grüße, Katja
Gina | 2 on the go
Hi Susanne,
So eine Führung ist ja immer sehr interessant, sich für Einheimische, die ihre Stadt weiter entdecken wollen.
So schade es ist, dass im Krieg die alten Bauten zerstört wurden, bietet es andererseits wieder Platz für Neues. Vor allem, wenn dann so ein Gesamtkonzept und namhafte Architekten dahinter stecken, ist das ein tolles Ergebnis.
Liebe Grüße Gina und Marcus
Susanne Jungbluth
Ich bin zur Zeit immer wieder überrascht, was ich in meiner Heimatstadt bisher kaum beachtet habe. Das Hansaviertel zählt zu den echt unterschätzten Orten.
Miriam
Der Gropius-Bau sieht ja richtig cool aus. Ich mag seine Architektur und auch die von Alvar Aalto sehr gerne. Obwohl ich schonmal kurzzeitig im Berlin gewohnt habe, war ich nie im Hansaviertel und hatte das auch nicht wirklich aufm Schirm.
Susanne Jungbluth
Das ging mir auch lange so, bis ich von der Interbau gelesen habe. Mir war bis dahin nicht bewußt, wer dort so alles seine Handschrift bei der Gestaltung des Viertes hinterlassen hat.