In der Klosterstraße in Berlin Mitte steht die älteste Kirche der reformierten Gemeinde Berlin. Die Parochialkirche hat nicht nur ein interessantes Kirchenschiff, sondern auch eine Kirchhof und eine Gruft, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Kirchengeschichte
1613 trat der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund zum Calvinismus über und wie es damals so üblich war, vollzog sich auch der Glaubenswechsel bei seinen Untergebenen. Die Parochialkirche erbaute man einige Jahre später für die Anhänger der reformierten Kirche.
1694 plante der Baumeister Johann Arnold Nering den Kirchenbau. Inspiriert von niederländischen und italienischen Einflüssen sollten seine Pläne nach der Grundsteinlegung 1695 umgesetzt werden. Nehring verstarb jedoch kurze Zeit später. Sein Nachfolger wurde Martin Grünberg.
Grünberg versuchte bei den Bauarbeiten möglichst wenig Geld auszugeben und veränderte die Pläne. Dabei achtete er aber darauf, bereits fertig gestellte Bauabschnitte zu integrieren. Sparen ist bekanntlich im Bauwesen nicht immer von Vorteil. Im September 1698 stürzte das fast vollendete Dachgewölbe zusammen. So verzögerte sich die Fertigstellung des Baus und erst 1705 war der Bau des Kirchengebäudes beendet, allerdings gab es noch keinen „richtigen“ Kirchturm.
Die „Singuhr“
König Friedrich I. schenkte 1713 der Parochialkirche ein Glockenspiel, das in den bis dahin noch nicht fertig gestellten Turm der Kirche gehängt werden sollte.
Ein Geschoss, in dem das Glockenspiel hing, wurde offen gestaltet, die Turmspitze ragte schlank und obeliskartig in die Höhe. Vier Löwen aus Stein schmückten den Turm.
1715 ertönte das Glockenspiel zum ersten Mal, allerdings soll der Klang sehr unsauber gewesen sein. Man gab darauf ein neues Glockenspiel in Auftrag, das aus 37 Bronze-Glocken bestand. Eine Mechanik, die an die Turmuhr gekoppelt war, ließ die Glocken stündlich spielen. Die Melodien waren variabel, gleich blieb aber das ein Brüllen der Löwen, dass das Spiel beendete. Die Berliner nannten die Uhr nur „Singuhr“.
Leider wurde der obere Teil des Turms und das Kirchenschiff im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstört, die Glocken eingeschmolzen und die originalen Löwen gingen vermutlich für immer verloren.
Nutzung der Parochialkirche nach dem Zweiten Weltkrieg
In der Ruine der Kirche baute man zunächst eine Notkirche auf. Aus denen in der Kirche gefundenen Schrottteilen erschuft Fritz Kühn 1961 ein Eisenkreuz, das in den Altarraum gehängt wurde.
Eine Woche nach dem Bau der Mauer fand am 20.August 1961 in der Kirche der letzte Gottesdienst statt. Während der DDR Zeit nutzte man dann das Gebäude zunächst für Ausstellungen und Konzerte, ab 1970 lagerte man Möbel in der Kirche ein. Zur 750-Jahr-Feier Berlins erhielt die Kirche 1988 ein neues Dach.
Mit der Wiedervereinigung erfolgte die schrittweise Restaurierung der Parochialkirche. Auch der Glockenturm mit dem Glockenspiel und der markanten Kirchturmspitze konnte wieder aufgebaut werden.
Blick in die Parochialkirche
Durch eine Seitentür betrete ich die Kirche und bleibe zunächst erstaunt stehen. Es sieht hier ganz anders aus, als man es von einer Kirche gewöhnt ist. Die Wände sind unverputzt, als ob man in einem Rohbau steht. Es stehen zwar einige Kirchenbänke und das „Schrottkreuz“ im Raum, aber das ist eigentlich auch schon alles. Blickt man zur Decke kann man in den Dachstuhl gucken. Mir gefällt es, eine Kirche einmal ganz anders zu sehen.
Das Glockenspiel, Carillon, der Kirche hat heute 52 Glocken, die man gut durch die Öffnung im Turm sehen kann. Es gibt eine Turmstube, in der ein Carilloneur das Glockenspiel spielen kann. Es kann aber auch automatisch gespielt werden. In der Regel hört man das Glockenspiel täglich um 9, 12, 15 und 18 Uhr zu den Gebetszeiten.
In der Kirche finden heute Gottesdienste, Ausstellungen und Versammlungen statt.
Der Kirchhof und die Gruft
Hinter der Kirche befindet sich der Kirchhof. Hier liegt einer der ältesten erhaltenen Friedhöfe Berlins. Um 1706 fanden hier die ersten Beerdigungen statt. Es sollen über 5500 Tote hier beerdigt worden sein. Nach 1854 gab es noch einige vereinzelte Bestattungen, eigentlich war der Friedhof aber offiziell geschlossen.
Ich finde die großen eisernen Kreuze mit ihren vergoldeten Inschriften wunderschön. An der eingrenzenden Mauer stehen zwei Mausoleen. Wunderschön ist auch die Engelsfigur im Zentrum des Kirchhofs, der ein Gemeinschaftsgrab schmückt.
Die Gruft liegt unter der Parochialkirche beherbergt 147 Särge in 30 Grabkammern. Diese sollen sehr gut erhalten sein. Man erreicht die Grabkammern durch 25 Holztüren, die zu dem größten Bestand an barocken Grabkammertüren in Europa zählen. Bemerkenswert ist die natürliche Belüftung, die bis heute erhalten ist. Die Gruft kann nur in Ausnahmefällen besichtigt werden.
Adresse:
Klosterstrasse 67
10179 Berlin
Öffnungszeiten:
Montag – Freitag: 9 -15.30 Uhr
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