Auf etwa halber Wegstrecke zwischen Brandenburger Tor und dem Potsdamer Platz befindet sich das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ oder auch „Holocaust-Denkmal“. Ein Ort, den man gesehen haben muss und eine Ausstellung, die mich emotional sehr mitgenommen hat.
Aber fangen wir vom Anfang an.
Entstehung des Holocaust-Denkmals
Ende der 1980er Jahre kamen immer mehr Forderungen auf ein Denkmal für die europäischen Juden zu bauen. Nach vielen Diskussionen über Ort, Botschaft und Gestaltung schrieb 1995 die Berliner Senatsverwaltung einen ersten künstlerischen Wettbewerb aus, ein zweiter folgte 1997. Aus diesem ging der Entwurf von Peter Eisenman als Gewinner hervor. Allerdings musste er seinen Entwurf vor der Realisierung mehrmals abändern.
1999 beschloss der Deutsche Bundestag das Mahnmal mit dem Bau des unterirdisch liegenden „Ort der Information“ zu ergänzen.
2005 eröffnete man das Mahnmal feierlich.
Rundgang am Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Ich stehe vor einem riesigen Stelenfeld. Auf 19.000 m² hat man hier 2711 Stelen errichtet. Sie sind geordnet in parallelen Reihen – 54 Reihen in Nord-Süd-Richtung und 87 Reihen in Ost-West-Richtung, die im Abstand von 95 cm stehen. Jede Stele hat einen Grundriss von 2,38 m x 0,95 m. Die Höhen der Stelen variieren zwischen ebenerdig (sind im Gehweg eingelassen) bis zu 4,7 Metern Höhe. Guckt man die Wege zwischen den Stelen entlang, erkennt man, dass das gesamte Gelände wellenförmig aufgebaut ist.
Ich betreten einen dieser engen Wege und beginne wahllos meinen Weg durch das Feld zu suchen. Als die Stelen noch flacher sind, kann ich gut über sie hinweg gucken und mich etwas orientieren.
Dann werden die Stelen höher und ich kann nur noch wenig Himmel über mir entdecken. Gut, dass die Wege zwischen den Stelen gradlinig verlaufen, sonst könnte man sich hier wirklich verirren. So sieht man immer das Ende des Ganges und weiß, dass man dort das Feld wieder verlassen kann.
Der Gang durch das Stelenfeld kann schon fast einen meditativen Charakter annehmen. Ohne groß darüber nachzudenken die Richtung der Bewegung wechseln, die Stelen rechts und links spüren – mit der Enge des Gangs auskommen und die Gedanken schweifen zu lassen. Idealer Weise kann man den Weg durch das Feld nutzen und sich auf den Ort der Information vorzubereiten – oder seinen Gedanken nach dem Besuch dort etwas Ruhe zu geben.
Ort der Information am Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Es geht am Rande des Stelenfeldes eine Treppe herunter in den Ort der Information. Nachdem man die Sicherheitskontrolle passiert hat, steht man in einem Vorraum. Hier kann man sich mit einem Audioguide (3,-€) ausstatten oder auch einfach ohne ihn mit seinem Rundgang beginnen. Ich bin selten mit Audioguide unterwegs, habe aber dieses Mal die Möglichkeit genutzt. Für mich die richtige Entscheidung, die Informationen waren wirklich gut aufgearbeitet und haben die Ausstellungstafeln hervorragend ergänzt.
Die Ausstellung startet mit einem kurzen Überblick über die nationalsozialistischen Terrortaten von 1933 bis 1945. Schon hier lese und höre ich so vieles, was unvorstellbar klingt und doch passiert ist. Ein guter Einstieg in ein Thema, das noch viele Emotionen bei mir auslösen sollte.
Raum der Dimension
Durch eine schmale Tür betritt man den Raum der Dimension. Es ist schummrig und mein Blick fällt zuerst in rechteckige Felder, die von unten beleuchtet die Lichtquellen des Raumes bilden. Diese Felder haben den gleichen Grundriss wie die Stelen der oberirdischen Gedenkstätte. Das stilistische Mittel wird später in allen Räumen fortgeführt.
In dem der beleuchteten Felder befinden sich Briefe, Tagebucheinträge und Notizen die währende der Verfolgung entstanden sind. Hier liest man von persönlichen Schicksalen, von viel Leid und Angst und es macht mich sehr betroffen.
Guckt man sich im Raum um, entdeckt man ein umlaufendes Band am oberen Rand des Raumes. Hier stehen Länder in Kombination mit Zahlen. Dabei handelt es sich um die Opferzahlen der aufgeführten Länder (mit dem Grenzverlauf von 1937). Es sind erschreckende Zahlen, vor allem wenn man weiß, dass von vielen Opfern bis heute nicht bekannt ist, was geschehen ist und die „Dunkelziffer“ bestimmt noch größer ist.
Raum der Familien
Im nächsten Raum werden 15 Familiengeschichten vorgestellt. Die jüdischen Familien lebten in 13 verschiedenen Ländern und könnten in Bezug auf ihre Lebenswelt nicht unterschiedlicher sein. Alle vereint aber das Schicksal der Verfolgung im Nationalsozialismus.
Hier fand ich die Nutzung des Audioguides besonders gut. Exemplarisch werden 3 Familienschicksale vorgestellt, die mir durch die Schilderung von den Stimmen der Sprecher viel realer und emotionaler erschienen, als beim bloßen Lesen der Texte anderer Familienschicksale.
Raum der Namen
Als nächstes betrete ich einen Raum, in dem in deutscher und englischer Sprache Namen und die damit verbundenen Einzelschicksale vorgetragen werden. Zusätzlich erscheint jeder Name mit Geburts- und Sterbedatum als Projektion auf allen vier Wänden.
Ich verweile eine Weile in diesem Raum und lausche der Aufzählung. Die Liste nimmt kein Ende und würde man jeden bisher bekannten Namen hier vorstellen, würde es über sechs Jahre dauern, bis ich den ersten Namen erneut hören würde.
Raum der Orte
Der Raum der Orte soll die geografische Dimension des Terrors darstellen. Eine Karte und Bildschirme mit Filmsequenzen zeigen exemplarisch 220 Orte der Verfolgung und Vernichtung der Juden und anderer Opfer des NS-Terrors. An einzelnen Stelen kann man sich mit 7 Orten, wie zum Beispiel Auschwitz/Birkenau und Treblinka etwas ausführlicher beschäftigen.
Ich erfahre hier von Orten, von denen ich noch nie etwas gehört habe und bin betroffen über das gewaltige Ausmaß, dass mir durch den optischen Eindruck auf der Karte erst richtig bewußt wird.
Ausgangsfoyer
Zum Abschluss kommt man durch einen Raum, in dem man sich über Gedenkstätten, Museen und Denkmäler rund um das Thema Zweiter Weltkrieg in 35 Länder informieren kann. Das Gedenkstättenportal ist einzigartig in Europa, es zeigt nicht nur Orte und den historischen Zusammenhang, sondern stellt auch die unterschiedlichsten Formen des Erinnerns dar.
Ich verlasse diesen Ort recht nachdenklich und laufe durch das Stelenfeld zurück in die Gegenwart.
Adresse
Cora-Berliner-Straße 1
10117 Berlin
Webseite
Öffnungszeiten Ort der Information
April-September:
Dienstag-Sonntag: 10-18 Uhr
Oktober-März:
Dienstag-Sonntag: 10-19 Uhr
Letzter Einlass 45 Minuten vor Schließung
Montags immer geschlossen (außer Oster- und Pfingstmontag)
24.-26. Dez. und 31. Dez. ab 16 Uhr geschlossen
Öffnungszeiten Stelenfeld:
dauerhaft geöffnet
Eintrittspreis:
kostenlos
Audioguide für die Dauerausstellung 3,-€
Offenlegung: Die Verwendung der von mir angefertigten Bilder erfolgt mit Genehmigung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit).
Barbara
Die Stelen habe ich mir schon angeschaut, aber für die Ausstellung will ich mir mal viel Zeit nehmen und sie in Ruhe anschauen. Ich habe auch schon einige Holocaust-Gedänkstätten besucht und nehme mir dafür gerne Zeit, um die Eindrücke auf mich wirken zu lassen. Jedes Mal erfährt man wieder eine neue Nuance, die man noch nicht wusste, oder bekommt Einzelschicksale gut erklärt. Manche Städte hätten sich ohne die jüdische Bevölkerung nie so entwickelt (in Chișinău z.B. gab es mal 70 Synagogen). Historisch interessant, und menschlich richtig heftig.
Ich finde dieses Zurückkommen in der Gegenwart dann immer so schwer; das ist wie ein Kulturschock.
Miriam
In die Ausstellung wollte ich auch schon längst mal, hab es bisher aber irgendwie nie geschafft oder hatte immer Leute dabei, die noch andere Dinge sehen wollten, weil sie beispielsweise zum ersten Mal in Berlin waren. Ich finde das Holocaust-Mahnmal enorm beeindruckend und bedrückend gleichzeitig – so ein wichtiger Ort. Ohnehin bin ich in Berlin gerne der Geschichte auf der Spur – da hat die Stadt ja einfach eine ganz spezielle Rolle.