Ich bin Berlinerin – hier geboren und mit der Berliner Mauer aufgewachsen, habe den Fall der Mauer und das Zusammenwachsen der Stadt erlebt. Nach Jahren bin ich nun zum ersten Mal zur Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße gefahren.
Ich möchte es schon einmal vorwegnehmen, ich fand den Besuch beeindruckend. Aber es hat mich auch erschreckt, wie unwissend viele Besucher sind. Wobei mich das eigentlich nicht überraschen sollte, denn schon als Kind/Jugendliche habe ich viele Menschen erlebt, die völlig unwissend zum Thema „Mauer quer durch Berlin“ waren. Was man mir damals für Fragen zu Themen gestellt hat, die für mich alltäglich waren, lässt mich noch immer schmunzeln.
Aber zurück zum eigentlichen Thema – ich habe also die Gedenkstätte Berliner Mauer besucht.
Die Berliner Mauer
Vom 13.August 1961 bis zum 9.November 1989 trennte eine Mauer West-Berlin von dem Gebiet der DDR und der Ost-Berliner Stadthälfte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war Deutschland und Berlin von den vier Siegermächten besetzt worden. In Ostdeutschland hatte die Staatspartei SED mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht ein eigenes politisches System errichtet und grenzte sich von den politischen Entwicklungen im Westen von Deutschland ab. Bereits Ende der 1940er Jahre setzte eine Fluchtbewegung aus dem Ostdeutschen Bereich ein. Dabei waren die Beweggründe sehr unterschiedlich. Es gab wirtschaftliche und politische Gründe, aber auch persönliche Gründe, warum immer mehr Menschen den Osten von Deutschland verließen.
Die SED riegelte 1952 die Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik ab. Die Flucht wurde zunehmend gefährlicher. Die Flüchtlinge wählten nun den Weg über die offenen Sektorengrenzen in Berlin, um in die Bundesrepublik zu gelangen.
Bau der Mauer
Bis August 1961 waren etwa 1/6 der Bevölkerung geflüchtet. Am 13.August 1961 zogen Grenzsoldaten rings um West-Berlin einen Stacheldraht, der schnell zu einer stabile Mauer wurde. So versuchten man die Fluchtbewegung zu beenden, wollte die Macht nach innen dokumentieren und die Souveränität nach außen verdeutlichen.
Es gelang nicht, die Flüchtlingsbewegung vollständig zu stoppen. Noch immer gelangten Menschen auf zum Teil abenteuerliche Art und Weise in den Westen. Und so begann die SED die Mauern und Grenzabsperrungen weiter auszubauen. Aus einer zunächst einfachen Mauer entwickelte sich eine komplexe Grenzanlage mit gestaffelten Absperranlagen. Dazu mussten in Berlin einige Wohnhäuser weichen, damit die Soldaten ein freies Sicht- und Schussfeld hatten. Es entstand ein schwer bewachter Todesstreifen rund um West-Berlin.
Ich bin in Berlin Spandau aufgewachsen und unsere tägliche Fahrstrecke führte direkt an der Berliner Mauer entlang, die parallel zur Potsdamer Chaussee verlief. Sehen konnten wir nur eine hohe Mauer und die in regelmäßigen Abständen stehenden Wachtürme. Hören konnten wir die Wachhunde, die an Hundelaufanlagen hin und her liefen.
Heute weiß ich, dass die gesamte Maueranlage nahezu perfekt ausgebaut war:
Wollte man vom Osten in den Westen flüchten war das erste Hindernis die Hinterlandmauer auf der DDR Seite.
Danach kam ein Signalzaun mit am Fuß liegenden Matten mit Stahlnägeln. Bei Berührung des Zaums erhielten den Grenzsoldaten auf den Türmen ein Warnzeichen.
Als nächstes folgte eine freie Fläche mit einem Postenweg und einem Kontrollstreifen. Hier standen zusätzlich noch Fahrzeugsperren, die flüchtende Autos aufhalten sollten.
Ja und dann kam noch eine 3,60 Meter hohe Mauer, bevor man den Westen erreichte.
Nachts war der Grenzstreifen hell erleuchtet. Wie hell, dass merkte ich erst, als nach dem Mauerfall die Autofahrt auf der Potsdamer Chaussee plötzlich unbeleuchtet und sehr dunkel war.
Die Grenztürme hatten eine doppelte Funktion. Sie standen ungefähr alle 250 Meter und waren mit Grenzsoldaten besetzt. Diese bewachten nicht nur die Grenze und sollten Menschen an der Flucht hindern (notfalls sogar mit der Waffe – es gab einen Schießbefehl), sie sollten auch das Gebiet von West-Berlin beobachten.
Gegen Ende der 70er Jahre begann die DDR Führung einige der Grenzsperren abzubauen, um so ihr politisches Image zu verbessern. Es änderte sich allerdings nichts, da neue Mauern besseren Schutz boten.
Die Mauer konnte die Menschen nicht davon abhalten eine Flucht in den Westen zu unternehmen. Von 1961 bis 1989 starben mindestens 140 Menschen an der Berliner Mauer bei dem Versuch zu fliehen. Zusätzlich starben mindestens 251 Reisende während oder nach Kontrollen an Berliner Grenzübergängen.
Der Fall der Mauer
Als sich die politische Situation im Ostblock langsam änderte und den Ländern des Warschauer-Paktes ermöglicht wurde ihre nationale Politik selber zu bestimmen, kam es zur Annäherung Ungarns an den Westen. Der dortige Grenzzaun wurde abgebaut und der Eiserne Vorhang erhielt sein erstes Loch.
Die SED wollte den Reformkurs für die DDR nicht übernehmen und so kam es zu immer größer werdenden Protestbewegungen im Land. Die SED sah sich, um die Bevölkerung bei Laune zu halten, gezwungen erste Zugeständnisse zu machen. Ein neues Gesetz zur Ausreisebestimmung sollte die Reisefreiheit ermöglichen. Nach der fehlerhaften Bekanntgabe fiel die Mauer am 9.November 1989 unter dem Ansturm der Menschenmassen.
Es begann der Abriss der Mauer. Zahlreiche Souvenirjäger schlugen sich ein Stück der Mauer ab – immer mehr Grenzübergänge entstanden. Es dauerte nicht lange, dass Teile der Mauer in die ganze Welt verkauft wurden. 1990 stellte man schließlich erste Mauerstücke unter Denkmalschutz.
Bernauer Straße
Die Bernauer Straße bildete lange Jahre die Grenze zwischen West und Ost Berlin. Der Bau der Mauer war hier für die Bewohner besonders dramatisch: Stadtraum wurde zerstört, Familien und Freunde getrennt und Lebenswege zerstört. Hier an der Bernauer Straße gab es unzählige Fluchtversuche. Ein besonders bekanntes Beispiel ist der Grenzsoldat Schumann, der zwei Tage nach Beginn der Absperrungen mit einem beherzten Sprung über den Stacheldraht – der auch noch zufällig dokumentiert wurde – weltbekannt.
In der Bernauer Straße verlief die Grenze von Ost und West entlang einer Häusermauer. Aus diesen Grenzhäusern gelang einigen Bewohnern eine abenteuerliche Flucht in den Westen. Sie seilten sich ab oder sprangen in Sprungtücher der Westberliner Feuerwehr. Nicht immer verlief die Flucht erfolgreich, es gab hier die ersten Todesopfer an der innerstädtischen Grenze.
Nach kurzer Zeit räumte das Grenzregime die Häuser und siedelte die Bewohner um. Alle Öffnungen zum Westen wurden verschlossen. Das forderte die Fluchtwilligen nur weiter heraus. Hier an der Bernauer Straße entstanden die bekanntesten und erfolgreichsten Fluchttunnel, durch die einige Menschen ihr altes Leben verlassen konnten. Auch den Verlauf eines Tunnels, der von der Stasi angelegt worden ist, kann man hier sehen.
Viele Jahre später rückte die Bernauer Straße dann wieder in den Blick der Berliner. In der Nacht vom 10. zum 11.November 1989 schaffte man hier mit dem Abbruch der ersten Mauersegmente einen Übergang zwischen den Berliner Stadthälften. Im Juni 1990 gann hier dann auch der offizielle Abbau der Grenzanlagen.
Gedenkstätte Berliner Mauer
Heute befindet sich in der Bernauer Straße die Gedenkstätte Berliner Mauer mit einem Besucherzentrum, einer Dauerausstellung auf dem ehemaligen Grenzstreifen, einem zentralen Ort des Gedenkens der Opfer, der Kapelle der Versöhnung und einem Dokumentationszentrum.
Ein Großteil der Anlage befindet sich auf einem 1,4 Kilometer langen Abschnitt des ehemaligen Grenzstreifens.
Rundgang durch die Erinnerungslandschaft
Ich habe meine kleine Besichtigungstour am U-Bahnhof Bernauer Straße begonnen. Hier beginnt das zentrale Gedenkstättenareal, in dem die Geschichte der Mauer und der Menschen, deren Leben davon betroffen war, erzählt wird. Zahlreiche Schautafeln stehen entlang des Weges und dokumentieren das Geschehen rund um die Berliner Mauer.
Insgesamt werden vier Schwerpunkte betrachtet:
- die Mauer und der Todesstreifen
- die Zerstörung der Stadt
- der Bau der Mauer
- Alltag an der Mauer
Zunächst war ich sehr auf das Lesen der Informationstafeln fixiert, so dass ich erst mit der Zeit „kleine“ Hinweise auf dem ehemaligen Mauerstreifen entdeckte. So sind zum Beispiel Fluchttunnel und abgerissene Grenzhäuser mit Stahlbändern im Boden sichtbar gemacht worden. Leider war das Gras recht hoch gewachsen und so fielen diese interessanten Details nicht sofort ins Auge.
An einer Stelle gibt es die Möglichkeit in einem Archäologische Fenster Reste alter Grenzanlagen zu betrachten. Interessant and ich auch das Thema des Friedhofes der Sophiengemeinde. Teile des Friedhofes mussten den Grenzanlagen weichen, Tote mussten umgebettet werden und Angehörige konnten nur noch unter großen Schwierigkeiten Grabstätten besuchen.
Das „Fenster des Gedenkens“ zeigt sehr eindrucksvoll Namen und Bilder von Menschen, die durch das Grenzregime ums Leben kamen. Aber auch die Geschichten von Menschen, denen die Flucht gelungen ist werden hier an der Bernauer Straße wieder lebendig. In dem freigelegten Keller eines alten Grenzhauses gibt es eine Hörstation mit den Geschichten einiger Menschen. Hier sollte man sich etwas Zeit nehmen und einfach einmal zuhören.
Kapelle der Versöhnung
Bevor die Mauer stand, gab es die Versöhnungskirche, die mit dem Mauerbau unerreichbar im Todesstreifen lag. Im Zuge des Grenzausbaus ließ das DDR-Regime 1985 die Kirche, die inzwischen zum mahnenden Symbol der Teilung geworden war, sprengen.
Nach der Wiedervereinigung erhielt die Gemeinde ihr Grundstück zurück. Nach Plänen von Berliner Architekten entstand die Kapelle der Versöhnung. Ich empfinde den Bau etwas gewöhnungsbedürftig, da man von außen zunächst nur Holzlamellen sieht. Diese umschließen einen Wandelgang, der sich um den Innenraum erstreckt. Leider war die Kapelle geschlossen und so konnte ich keinen Blick hinein werfen.
Direkt neben der Kapelle steht ein weiterer Holzbau, in dem die geretteten Kirchenglocken aufgehängt wurden. Was ich erst auf den zweiten Blick wahrgenommen habe sind auch hier die im Boden eingelassenen Stahlbänder, die den Umriss der ehemaligen Kirche zeigen. Eine schöne Idee, so an ein Bauwerk zu erinnern.
Das Denkmal zum Bau der Berliner Mauer
Für viele Besucher bestimmt der beeindruckendste Teil der Gedenkstätte ist das Denkmal, das am 13.8.1998 eingeweiht wurde.
Ein original erhaltenes Stück des Grenzstreifens, dass an beiden Seiten von einer Stahlwand abgeschlossen ist, zeigt eindrucksvoll, wie hoch und nahezu unüberwindlich die Mauer war. Ein Grenzturm steht auf dem Grenzstreifen und so kann man erahnen, wie der Blick der Soldaten über die Mauer und entlang der Grenzanlage fiel.
Mich hat der Anblick zurück in meine Vergangenheit geholt. Damals war der Anblick Normalität und heute ist der ehemalige Grenzstreifen bebaut, begrünt, genutzt und verschwindet immer mehr aus dem Stadtbild. Irgendwann wird ein Berlin Besucher nur noch durch die Gedenk- und Erinnerungsstätten einen Eindruck davon bekommen.
Ein kleiner Tipp: Wer in das gegenüberliegende Dokumentationszentrum geht kann von der Aussichtsplattform einen Blick von oben auf den ehemaligen Grenzstreifen werfen.
Dokumentationszentrum Berliner Mauer
Im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte befindet sich die Dauerausstellung “1961 | 1989. Die Berliner Mauer”.
Ich bin etwas durch die Ausstellung geschlendert und habe mir die umfangreichen Informationen angesehen. Die multimedialen Angebote erläutern die politischen und historischen Hintergründe, die zum Bau, zum Erhalt und zum Abriss der Mauer geführt haben sehr anschaulich. Ich finde es ist keine Ausstellung, die man mal eben im „Schnelldurchlauf“ erleben sollte. Die wirklich gut aufgearbeiteten Informationen muss man in Ruhe lesen um alles erfassen zu können.
Nicht vergessen! Die Aussichtsplattform des Dokumentationszentrums bietet einen schönen Blick auf Berlin. Hier hat man einen guten Blick auf den Mauerstreifen und die Bernauer Straße von oben.
Öffnungszeiten Außenausstellung:
uneingeschränkt (zum Wohle der Anwohner bitte auf 8-22 Uhr beschränken)
Öffnungszeiten Dokumentationszentrum:
Dienstag – Sonntag: 10-18 Uhr
Eintrittspreise:
kostenlos
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