Ende Juli 2020: Es soll dann doch, nach vielen Jahren Ende Oktober 2020 so weit sein – der BER, der Hauptstadtflughafen soll eröffnet werden. Vorab wird getestet und ich war dabei.
Ich gebe es offen zu, ich bin kein Fan davon, dass der Flughafen Tegel schließt. Auch wenn ich mit dem Auto gerade mal 5 Minuten entfernt wohne, leide ich nicht unter dem Fluglärm. Oder habe ich mich nur daran gewöhnt? Als es Corona bedingt zu Flugausfällen kam, habe ich schon einen Unterschied bemerkt, die Stille genossen und mich über Greifvögel gefreut, die wieder in den umliegenden Wäldern zu sehen waren.
Für uns bedeutet die Schließung von TXL aber in Zukunft eine Fahrt von über einer Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch Berlin und ich kann nicht, so wie ich es schon gemacht habe, nach Hause laufen. Andere werden jetzt sagen, die hat Sorgen, ich fahre von XY immer über xx Stunden bis zum nächsten Flugplatz. Ja, aber Gewohnheiten liebt man und mag etwas einfaches nicht schwieriger werden lassen.
Und genau deshalb habe ich mich als Komparsin beworben, um den neuen BER zu testen. Einfach mal gucken, vielleicht mag ich ihn ja doch, den neuen Hauptstadtflughafen.
Anreise zum #BERtesten
Dienstag morgens gegen 8 Uhr steige ich in die U-Bahn und mache mich auf den Weg quer durch die Stadt.
Meine liebste Variante wäre die Fahrt mit der U7 bis Rudow gewesen. Aber wie so oft in Berlin gab es mal wieder Ersatzverkehr zwischen zwei Bahnhöfen und das im Berufsverkehr ist nicht lustig. Auch ohne Gepäck kann es kuschelig eng werden.
Variante 2 wäre die Fahrt mit der S-Bahn, auch hier Bauarbeiten auf der Strecke. Nette Umfahrungstipps und Ersatzverkehr. Also blieb nur noch die Variante 3 mit der Regionalbahn ab Charlottenburg zur Station Flughafen Schönefeld. Diese fährt eher selten und so plante ich lieber etwas Zeit ein. Denn auch hier kommt es ab und zu zu Zugausfällen oder Verspätungen.
Glücklicher Weise fuhr dieses Mal alles pünktlich und der „Flughafenexpress“ fuhr wenig expressartig in über 40 Minuten bis nach Schönefeld. Ehrlich mit dem Auto über die Stadtautobahn braucht man (ohne Berufsverkehr) auch nicht länger von unserer Wohnung aus. Ich finde, da könnte ruhig mehr Express stattfinden.
An der Station Schönefeld folgte ich dann den Schildern zum extra eingerichteten Sonderzubringer – ORAT zum Flughafen BER. Ab und zu fährt auch ein Bus des RVS zum Flughafen BER Terminal 1-2. Aber anders kommt man zur Zeit noch nicht dort hin, wenn man ohne Auto unterwegs ist.
Ich hoffe, dass sich das mit der Eröffnung ändert!
#BERtesten mein Tag
Pünktlich um 9:30 Uhr öffnete der Einlass für etwa 400 Komparsen, die an diesem Tag am Probebetrieb teilnehmen sollten.
Es ging zunächst zur Registrierung, bei der jeder Teilnehmer eine Sicherheitsweste und einen Beutel mit Tasse, Stift, Trollychip, Schlüsselband und Registierungskarte bekam. Einen Tisch weiter gab es ein kleine Verpflegungstüte und dann erhielt jeder Teilnehmer einen individuellen Ablaufplan für die nächsten Stunden.
Abflug 1
Damit ging es in einen Bereich der Ankunftshalle und es hieß erst einmal warten und Zettel lesen.
Schnell war klar, ich würde an diesem Tag zwei Identitäten annehmen und zwei Abflüge und Ankünfte simulieren. Nach einer kurzen Einweisung erfolgte dann der Startschuss.
Meine Aufgaben:
1. Nehmen Sie einen Gepäckwagen – Trollychip gezückt, angestellt, geholt √
2. Nehmen Sie sich zwei Gepäckstücke – ab ans Kofferband und 2 Koffer gegriffen. Sie waren erstaunlich schwer und wirklich gefüllt √
3. Nehmen Sie sich kein Handgepäck – aber mit einer Sonderaufgabe betraut, musste ich mir ein Musikinstrument abholen und bekam eine Gitarre ausgehändigt. √
Nun alles auf dem Gepäckwagen transportierend, ging es in die Eingangshalle vom Terminal 1 und wieder hieß es warten.
Nachdem alle Komparsen versorgt waren, fiel das Absperrband. Wer nur etwas tragen musste lief die Treppen oder nutzte die Rolltreppen. Mit den Kofferwagen standen wir an den wenigen Fahrstühlen an, die uns zu den Abfertigungsschaltern im ersten Stock bringen sollten. Ja und weil immer nur eine Person den Aufzug nutzen durfte, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit.
Oben angekommen ein Blick auf die Anzeigentafel. Ich sollte mit easyjet nach Southampton fliegen. Wie an jedem anderen Flughafen auch, werden die Abfertigungsschalter angezeigt. Einige Komparsen waren damit aber anscheinend vollkommen überfordert und irrten durch die Halle. Dabei standen die Zahlen groß und deutlich an den Schaltern.
Es ging also ab in die Schlange zur Gepäckaufgabe. Vermisst habe ich den Self-Check-In, wie er bereits auf vielen Flughäfen angeboten wird. Bei meiner Nachfrage am Schalter ein Lächeln und die Aussage, das gab es vor 10 Jahren bei der Planung des Flughafens noch nicht. Also gibt es das auch nicht.
Achja?! Hauptstadtflughafen?!
Meine Gitarre musste ich natürlich zum Sperrgepäck bringen. Hier standen leicht überforderte Mitarbeiter, die mit der Technik kämpften und es schließlich schafften, die Gitarre anzunehmen.
Mit dem Boarding Pass in der Hand ging es nun durch die Sicherheitskontrolle. Auch hier dauerte es unverhältnismäßig lange. Im Originalbetrieb hätte bestimmt einige ihre Flieger verpasst. Aber die Anlagen schienen den Mitarbeitern noch recht unbekannt und Übung macht bekanntlich den Meister. Und zum Üben waren wir ja da.
Der Weg durch das Terminal führte vorbei an den Baustellen der Shops, die dann hoffentlich zur Eröffnung alle fertig gestellt sind. Ich musste dann noch durch die Passkontrolle, da Southampton ja nicht in der EU liegt. Ja und dann erreichte ich nach einem kleinen Spaziergang (klar er war länger als in Tegel, aber viel kürzer als zum Beispiel in Mallorca oder Frankfurt) den Wartebereich am Gate.
Mein erster Blick ist immer die Suche nach Steckdosen oder USB Anschlüssen. Im Normalfall nutze ich diese Wartezeit immer zum Arbeiten und brauche den Stromanschluss. Steckdosen habe ich genau 2 !!!! gefunden, hinter einem Mülleimer versteckt. USB Anschlüsse Fehlanzeige – es gibt keine! Auf Nachfrage wieder ein Lächeln und das gab es vor 10 Jahren noch nicht, kommt hoffentlich noch. Naja, wenigstens funktionierte das WLAN während des Testbetriebs. Aber ob das dann auch bei voller Auslastung noch klappt????
Achja? Hauptstadtflughafen?!
Boarding Zeit – und wir verlassen das Terminal über Treppen und steigen in einen Bus. Dieser ist an diesem Tag unser Flugzeug und wird uns nach „Southampton“ fliegen.
Eine kleine Rundfahrt später mit einer netten Flugbegleiterin „landet“ unser Bus und ich reiste aus Kittilä in Finnland auf dem BER ein.
Es geht durch einige Gänge zur Ankunftshalle und wir warten auf die Koffer.
Abflug 2
Mein Laufzettel verrät mir nun die Aufgaben für meinen zweiten Flug an diesem Testtag. Dieses Mal brauche ich keinen Kofferwagen, nehme nur ein Gepäckstück und kein Handgepäck. Dann geht es wieder in die Eingangshalle und alles startet von vorne.
Ich soll mit Freebird nach Antalya fliegen. Also ab zum Check-In, der nun auch etwas zügiger geht – allerdings steht auch kaum ein Komparse an. Der Andrang der 400 Personen hat sich etwas entzerrt.
Wieder geht es durch die Sicherheitskontrolle und dieses Mal, und das obwohl sich nichts in meiner kleinen Handtasche geändert hat, findet man etwas „verdächtiges“ in der Tasche. Was genau den Mitarbeitern an dem Sicherheitscheck nicht gefallen hat, ich weiß es nicht. Sie haben auf jeden Fall nichts gefunden, was sie störte.
Wieder ging es durch die Passkontrolle und dann weiter in den Wartebereich. Dieses Mal wollten eindeutig mehr Passagiere „mitfliegen“ und die Anzahl der Sitzgelegenheiten reichte nicht einmal annähernd für die Hälfte der Passagiere.
Nach dem Boarding stiegen wir erneut in den Bus. Dieses Mal gab es eine 20 Minuten Rundfahrt über den Flughafen. Uns wurden die Gebäude mit ihren Nutzungen erklärt, es gab einen Blick auf die Einsatzfahrzeuge der Flughafenfeuerwehr ja und schließlich „landete“ unser Bus aus Poznan in Polen auf dem BER.
Wieder ging es quer durch das Gebäude zu den Kofferbändern. Dort nahm jeder einen Koffer und verließ den Bereich. Freundliche Mitarbeiter nahmen uns den Koffer ab, wir gaben die Registrierung wieder ab und gegen 15.45 Uhr war ein langer Tag vorbei.
Wie gefällt mir der BER?
Ich bin ein bißchen hin und her gerissen. Betrachte ich das Gebäude von außen, finde ich es nicht schlecht. Es ist nichts außergewöhnliches und wirkt eher praktisch.
Gucke ich dann in das Gebäude bin ich sehr enttäuscht. Mein erster Gedanke war retro – altbacken – unmodern. Dunkles Holz dominiert die Gestaltung der Abfertigungsschalter und die Wände der Gänge. Das war vielleicht zu der Zeit der Planung des Gebäudes modern, heute wirkt es angestaubt und ist nicht zeitgemäß. Mir fehlten nicht nur Stromanschlüsse und USB Steckdosen, mir fehlten auch Spielinseln für Kinder, ausreichend Sitzgelegenheiten. Hoffentlich wird sich das durch die Eröffnung der Shops und Gastronomieangebote noch ändern.
Ja und die Frage, wie ist es bei vollem Betrieb auf dem BER? Das kann #BERtesten nicht beantworten, das wird sich erst in der Realität zeigen.
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